Warum?

Warum verzäuntest Du, Natur, mit Alpenhöhen
Der Musen und der Künste Mutterland?
Warum umschlossest Du mit wilden Pyrenäen,
Wo irgend sich ein holdes Tempe fand?
Du bargst das Gold in tiefe Grüfte;
Selbst Hygiea's Quell entspringt
Im Thale rauher Klüfte,
Wo kaum ein Vogel singt.
»Das that ich,« spricht Natur, »um vor Barbaren
Zu bergen jedes stille Musenland;
Um vor Entweihenden es zu verwahren,
Macht' ich die Straße wild und unbekannt.
Dem Weichling schloß ich hinter Klüfte
Den Quell Hygea's, und das Gold
Verbarg ich tief in Grüfte,
Daß Ihr's nicht suchen sollt.
Durch Arbeit blühet Euch in jedem Thale
Des goldnen Glückes stiller Selbstgenuß,
Durch Mäßigung in jedem Eurer Mahle
Gesundheit und der Freuden Ueberfluß.
Hyperboreer Geist und Sitten
Umzäunen Wälder rings umher;
Das Volk der wilden Britten
Umschloß ich mit dem Meer.«
Und dennoch wandern plündernd sie, berauben
Der Musen und der Künste Vaterland,
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Begraben ihren Raub, die Thörichten! und glauben,
Sie hätten jetzt der Griechen Kunstverstand.
Der Weichling siechet an der Quelle
Hygea's in dem rauhen Thal
Und suchet in der Hölle
Das Gold zu seiner Qual.

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TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Erstes Buch. Warum. Warum. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-56F4-B