Die Morgenröthe

Nach dem Spanischen.


Deines Lebens schönste Blumen,
Sammle sie am Morgen früh!
Denn je mehr die Sonne steiget,
Welken sie.
Sieh, die Morgenröthe
Und des Hirten Flöte
Wecket schon die Wälder,
Schmücket schon die Felder.
Willst Du Blumen pflücken,
Mädchen, zu entzücken
In der Freude Tänzen,
Mit der Unschuld Kränzen,
Den damit zu krönen,
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Dem ja alle Schönen
Gerne schmeicheln: früh,
Mädchen, pflücke sie!
Sieh der Liebe Rose,
Die auf grünem Kloße
Unter Dornen stehet
Und so bald vergehet!
Sieh halb aufgegangen
Hier ein Knöspchen prangen,
Dort die Nelke winken,
Hier ein Veilchen blinken,
Und der Unschuld Sehnen
In der Lilje Thränen.
Huld und Anmuth, früh,
Mädchen, sammle sie!
Anmuth, Lieb' und Freuden
Welken hin und scheiden,
Wie das Lüftchen streichet,
Wie die Welle schleichet,
Und auf allen Auen
Kannst Du Thränen schauen,
Thränen, die Aurora
In den Schooß der Flora
Weint'. Ach, ihre Stunden
Sind so bald verschwunden.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Erstes Buch. Die Morgenröthe. Die Morgenröthe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-59EB-7