19. Der Schiffer
Schottisch

Reli[qu]es T. I. p. 77.


Der König sizt in Dumferlingschloß,
Er trinkt blutrothen Wein,
»O wo treff ich ein'n Segler an,
Dies Schiff zu segeln mein?«
Auf und sprach ein alter Ritter,
(Saß rechts an Königs Knie)
»Sir Patrik Spence ist der beste Segler,
Im ganzen Land allhie.«
Der König schrieb ein'n breiten Brief
Versiegelt ihn mit seiner Hand,
Und sandt ihn zu Sir Patrik Spence,
Der wohnt an Meeres Strand.
Die Erste Zeil Sir Patrik las,
Laut Lachen schlug er auf;
Die zweite Zeil Sir Patrik las,
Eine Thrän' ihm folgte drauf.
O wer, wer hat mir das gethan?
Hat wehgethan mir sehr!
Mich auszusenden in dieser Zeit!
Zu segeln auf dem Meer.
Macht fort, macht fort, mein' wackre Leut,
Unser gut Schiff segelt morgen.
»O sprecht nicht so, mein lieber Herr,
Da sind wir sehr in Sorgen.
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Gestern Abend sah ich den neuen Mond,
Ein Hof war um ihn her.
Ich fürcht', ich fürcht, mein lieber Herr,
Ein Sturm uns wartet schwer.«
O edle Schotten, sie wußten lang,
Zu wahr'n ihre Korkholzschu;
Doch lang überall das Spiel gespielt,
Schwammen ihre Hüte dazu.
O lang, lang mögen ihre Frauen sizen,
Den Fächer in ihrer Hand;
Eh je sie sehn Sir Patrik Spence
Ansegeln an das Land.
O lang, lang mögen ihre Frauen stehn
Den Goldkamm in dem Haar,
Und warten ihrer lieben Herr'n,
Sie sehn sie nimmer gar.
Dort über, hinüber nach Aberdour!
Tief Funfzig Fad'n im Meer,
Da liegt der gute Sir Patrik Spence,
Sein' Edlen um ihn her.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. 19. Der Schiffer. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5AC6-2