Seligkeit der Liebe

Auf, Liebe! laß kein Mißbehagen
Anfechten unsre Himmelsruh,
Nicht Thorenfurcht noch Stolz uns plagen
Und schließen Gottes Eden zu!
Wie? weil uns Fürsten nicht beschweren
Mit Adeltiteln unser Blut?
So glänzen wir in bessren Ehren,
Sind wahrlich edel – denn sind gut!
Wo immer unser Nam' erschalle,
Wird immer er erschallen süß;
Bewundern selbst die Großen alle
Dies kleine hohe Völklein, dies!
Und wie? weil Glückes Narrengüte
Uns keine Krösusschätze leiht?
In Mäßigung ist Lebensblüthe;
Die Tugend selbst ist Mäßigkeit!
Uns wird jedwedes Wiederkehren
Des Jahres Wünschen g'nug verleihn,
Und Leben der Vernunft zu Ehren;
Welch Leben kann sonst Leben sein!
Durch Jugend, Alter in die Wette
Uns liebend, wallen wir daher,
Mit Ruh die Hütte, unser Bette
Gekrönt mit Kindern lieblicher!
Wie will ich meine Kleinen herzen,
Mir angeschlungen um mein Knie!
Ihr Lächeln – ja, der Mutter Scherzen!
Ihr Stammeln – ja, die Mutter – sie!
Von Neideszeit einst fortgerissen,
Noch werden wir nie freudlos sein;
Du siehst Dich jung in Töchterküssen,
Ich geh' in meinen Buben frein.

Notes
Erstdruck in: Göttinger Musenalmanach 1773.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Seligkeit der Liebe. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5B1C-B