Pygmalion
Die wiederbelebte Kunst

Erster Gesang

Vom Himmel schwebete die Kunst hernieder
Auf festen, weitgespannten Adlersflügeln:
»Seh' ich Dich endlich, Land der Jugend, wieder,
Dich, stolzes Rom, auf Deinen sieben Hügeln,
Von denen durch Gesetze, Macht und Lieder
Du alle Nationen durftest zügeln?
Wo sind die Tempel, wo die Ehrenbogen,
Durch welche siegbekränzt wir Beide zogen?«
»Ihr Götter, die ich einst anbetend ehrte,
Gott Jupiter, des größten Staates Wächter,
Und Jede, die den Stolz von Roma mehrte,
Victoria und Pallas, Deine Töchter,
Auch Juno, aller Frauen Hoch- und Werthe,
Beschützerin der alten Ruhmgeschlechter –
Wo bist, Apollo, Du, damit aus allen
Erdzonen alle Künste zu Dir wallen?
Es schweiget rings um mich. In dieser Wüste
Erkenn' ich Dich, verehrte Roma, wieder?
Und Ihr Gestalten, die ich liebend grüßte,
Mit Euren Tempeln sanket Ihr danieder?
Hier seh' ich einen Rumpf, dort eine Büste –
Grausam zerstückte schöne Götterglieder!
Geflickt und hingestellt – o Angst und Jammer! –
In ein Museum, eine Rumpelkammer.
Ihr Menschen, habt Ihr Sinn und Geist verloren?
Gebt jeder Gottgestalt, was ihr gebührte,
[229]
Das Heiligthum, das sie sich selbst erkoren,
Den Tempel, wo sie still die Herzen rührte,
Wo Zeus die Blitze schwang, und Aller Ohren
Gott Phöbus sang und frohe Chöre führte –
Gebt, die Ihr uns geraubt, die Tempel wieder,
Und Alles fällt vor unsern Göttern nieder!
Was seh' ich dort für neue Kunstgebäude,
Gebaut auf Gräber? – Schau! zu wessen Ehre?
Mir zum Entsetzen wird die eitle Freude.
Wohnt hier ein Gott in dieser hellen Leere?
Wie krüppelt Alles hier! – Mit innerm Leide
Seh' ich die Leidenden und hör' und höre
Von Sünderinnen, büßenden Geschwächten,
Marternden Herren und gequälten Knechten.
Weh wird mir! Führet mich zu meiner Trümmer!
Im engsten Mausoleum will ich wohnen,
Und immer soll im Angedenken, immer
Die alte Kunst in ihrer Höh mich lohnen.
Hinweg aus diesem Bild- und Meßkunstschimmer,
Geschmückt mit falschem Gold, aus falschen Kronen!
O Zeit, statt Deiner Heldenideale
Erkenne Dich und bau Dir – Hospitale!«
Da trat zu ihr die schönste der Gestalten,
Die je mein Aug' und meine Seele sah;
Indem zwei Himmelsschwingen sich entfalten,
Stand lilienbekleidet Psyche da,
Die Himmlische, zu der wir Alle wallten,
Die Menschenfreundin Psyche-Carita.
Sie, deren Funk' in Aller Herzen brennet,
Wird Carita im Himmel jetzt genennet.
»Du kennest, Edle, mich,« sprach sie mit Blicken
Der Innigkeit, die jedes Herz durchdrang.
»Ich Vielgeprüfte ward der Welt Entzücken
Durch Deine Macht, o Kunst, die sie bezwang,
Wie mich. O wolltest Menschen Du beglücken,
Auf Knieen weiht' ich Dir den tiefsten Dank,
[230]
Und alle Herzen aller Nationen,
Mit schönen Thaten sollten sie Dich lohnen.
Doch ach! erinnre Dich, mit wie viel Thränen
Ward jedes Deiner Wunder einst erbaut!
Von Sklaven, die sich nach der Freiheit sehnen,
In Kammern wohnend, deren Tiefe graut;
Von Völkern, deren Ueberwinder höhnen
Und jauchzen über ihre Ketten laut;
Von Seufzern, Schweiß und Blut der Nationen
Ward auferbaut, wo Deine Götter thronen.
In Deinen Bädern, Deinen Ehrensälen,
Wie lebten die Heroen jener Zeit!
Vergöttert tranken sie aus Goldpokälen
Der Völker Schmach und sich Unsterblichkeit;
Gedrückte, die wol Niemand mochte zählen,
Sie dienten Eines großer Ueppigkeit.
Für welche Herrn und für wie feile Gäste
Erkannst Du Schmuck und Bäder und Paläste!
Die Gottgestalten, die der Künstler ehrte,
Nie milderten sie der Tyrannen Herz;
Was ihrem Uebermuth und Frevel wehrte,
Auch in Dir selbst, war ihnen Tand und Scherz.
Wer thun kann Alles, was sein Herz begehrte,
Ihn kümmert keines Wundgedrückten Schmerz;
Und Solchen dientet Ihr als Schmeichlerinnen,
Süßnährend ihren Uebermuth, Sklavinnen!
Noch jetzt, zu meinem innern stillen Leiden,
Seh' ich den Trug, mit dem die Kunst betrügt,
Den falschen Ruhm und Reiz, die falschen Freuden,
Mit denen thöricht sie beglückt und – lügt.
Sie läßt das Auge, läßt den Sinn sich weiden,
Indeß das Herz sich leer und albern wiegt,
Umklammert es mit Eis für wahre Schmerzen
Und nährt das Püppchen mit Ideenscherzen.
Was soll Dein Adytum, an dessen Schatten
Sich Aberglaub' und Irrthum ewig hängt?
[231]
Kann je sich Wahrheit mit der Lüge gatten?
Erhält die Kunst, was der Verstand verdrängt?
Sprich! altete nicht Cypris, ob der matten
Ihr, Künste, gleich den Balsam reichlich schenkt?
Unsel'ge Mühe, durch den Stein, den kalten,
Vermoderte Gedanken festzuhalten!«
»Hast Du geendet?« sprach mit Bitterkeiten
Die alte strenge, majestät'sche Kunst.
»Wohl mir, daß ich in frischern Jugendzeiten
Die Welt genoß mit aller Göttergunst.
Ich buhle nicht um Eure Trefflichkeiten;
Und schuf ich meine Schöpfung Euch umsonst,
Erstarb sie Euch mit abgelebten Jahren,
So geht und bleibet was Ihr seid – Barbaren!«
»Nicht also!« sprach und kniete ihr zu Füßen,
Inbrünstig bittend, Psyche-Carita.
»Auch Du sollst unsres Sieges mitgenießen,
In Dir ist huldreich unsre Freundin da.
Erweiche Dich, wir können nie Dich missen;
Sei Du mitwirkend uns zur Hilfe nah!
Die Zeiten wechseln mit Geschäft und Stunden;
Das Neue kommt, das Alte ist verschwunden.
Was wir bedürfen, ist, der Menschen Herzen
Von innen aus zu bilden, zu erziehn,
Sie für gemeinsam Wohl in Freud' und Schmerzen
Tief zu erregen, daß sie göttlich glühn,
In ein Bestreben, nicht zu Tand und Scherzen,
Die Kraft der Liebenden vereint zu ziehn.
Begeistre sie mit dieser Art Ideen,
Und Deine Werke werden nie vergehen!
Was soll der alte Wust? Kunstschmeicheleien!
Ein längst verblichner, hohler, leerer Tand!
Die Menschheit will der Menschheit sich erfreuen;
Du, ihre Tochter, beut ihr Deine Hand!
Verdienste sollen lebend sich erneuen;
Was will der Marmor an des Grabes Rand?
Im Angedenken edler Nationen,
Im Steine nicht, muß ihr Andenken wohnen.
Der Marmor sinkt, das Brustbild wird verschmitzet,
Die Inschrift, die es nennt, ist ohne Spur;
[232]
Was einzig uns Unsterblichkeit beschützet,
Ist Deine Kunst, o Künstlerin Natur,
Die Immer-lebende, die wärmt und nützet
(Das Thätigste ist ihr das Beste nur),
Die Kunst,« sprach Carita, »die, zart in Flammen,
Zu jedem Schicksal Menschen schmilzt zusammen.«
Da stand vor ihnen, der sie Beide liebte,
Der Menschheit und der Künste Genius,
Gott Amor. »Freundin, was den Sinn Dir übte,
War Vorspiel nur zu höherem Genuß;
Und das, was Psychen kränkt', was sie betrübte,
Wird Beiden Euch der Freuden Ueberfluß.
Die Gottheit spricht: Mit aller Völker Händen
Soll ein Pygmalion das Werk vollenden!«
»Wie Götter einst zu Menschen niederstiegen,
So edle sich die Menschheit göttergleich.
Die Regel, die die Kunst ersann, wird siegen
In der Vernunft wie in der Formen Reich,
Und Alles wird sich hold zusammenfügen
Zu einem Kunstgebilde, sich nur gleich.
Nimm diesen Kranz! er schützt Dich vorm Veralten;
Nur Menschenwohl kann Künste jung erhalten.«
Die alte Kunst sprach: »Deine süße Lehre
Belebt mich selbst zur Psyche-Carita;
Verjünget fühl' ich mich; denn ich gehöre
Mit meinem Werth den Menschen, ihnen nah.
Die hohe Regel, die ich lieb' und ehre,
Steht ihrer weiten, großen Schöpfung da.
Die höchste Kunst, zu der sich Herzen wenden,
Die göttliche, kann Liebe nur vollenden.«
Sie sprach's. Unsichtbar stand an ihrer Seite,
Gehüllt in Nacht, die dumpfe Barbarei,
Tief brütend, was des Schicksals Spruch bedeute:
»Pygmalion erschafft die Künste neu,
Daß froh verjünget jede höher schreite,
Von Dunst und Trug und Vorurtheilen frei!«
Sie schwört bei sich, das Werk, wo nicht zu hindern,
Doch, kann sie es, zu säumen und zu mindern.

[233] Zweiter Gesang

»Komm!« sprach der Gott und schwang die zarten Flügel;
»Denn hinter uns ergrimmt die Barbarei.
Erschwingen wir dort jene stillen Hügel,
Und Deine Brust wird mancher Sorgen frei;
Erblicken wirst Du in der Zeiten Spiegel
Dein Bild, und was in ihm veredelt sei.
Zerstieben kann in göttlichen Gestalten
Der irdne Stoff; sie werden nie veralten.«
Sie schwebten auf, vorbei der heitern Höhe,
Auf der mit Castor Pollux sie empfing.
»O daß ich Euch, Ihr Himmlischen, noch sehe,
Gerettet,« sprach die Kunst, »auf meinen Wink!
O daß an Euch der Menschen Blick erspähe,
Weß Großen sich die Menschheit unterfing!
So blühten einst durch mich der Götter Söhne,
Und um sie schallten Pindar's hohe Töne.«
Sie schwebten nieder. Jedem Heiligthume
Der Kunst umwebte Amor heil'ge Nacht.
Sieh, wie zu seiner Freundin hohem Ruhme
An seiner Fackel neuer Reiz erwacht!
Aus jedem Kunstwerk sprießet auf die Blume
Des Genius in sanfter, voller Pracht.
Vor Amor's Fackel glänzen auf – Ideen,
Die (glaubt's der Liebe!) Liebe nur kann sehen.
»Dort,« sprach er, »Dein Apollo! Unversehret
Steht er im Glanz der Götterschöne da;
Zu Delos zwar wird er nicht mehr verehret,
Doch jedem Jugendherzen ist er nah.
Was er der Menschheit Himmlisches bescheret,
[234]
Was ihm dem Hirten, ihm dem Gott geschah,
Sein Lorbeer, seine Lyra, seine Chöre,
Sein heilig Bild ist aller Zeiten Lehre.«
»Und in der Jungfrau Herz, wie schleicht sich leise,«
Sprach Carita, »der wundersüße Traum
Endymion's! Diana, keusch und weise,
Geführt von Amor selbst, sie schwebet kaum
Zum Anblick hin. Ihr Bild wird Götterspeise
Dem Schlummernden in der Ideen Raum.
Lieb' und die Kunst, in Träumen nur und Blicken
Lebt ihre Kraft, ihr innigstes Entzücken.«

Amor.

Komm, laß uns knieen vor dem hohen Bilde,
In dem sich Macht und Weisheit offenbart,
Des Königs Majestät, des Vaters Milde,
Und was durch sie der Welt beschieden ward.
Sie blüht vor ihm, ein herrliches Gefilde;
Sein Augenbran belebt sie treu und zart.
Um seinen Thron sind Grazien und Stunden
In ew'gem Tanz, das Chaos ist verschwunden.
Psyche.

Nächst ihm, dem höchsten Gott, wird auch gesungen,
O Pallas, Deiner Thaten Ruhm und Preis.
Der Menschheit schönsten Kranz hast Du errungen,
Den Oelzweig, aller Künste blühend Reis,
Du, aus des ew'gen Vaters Haupt entsprungen,
Der Weisheit Bild durch Macht und ernsten Fleiß,
Zeus' hoher Sinn. O Bild, auf allen Thronen,
In allen Herzen soll Dein Abbild wohnen.
Mit Pallas will ich Dich, o Amor, preisen,
Den Mächt'gen. Du bezwangst den Donnergott,
Zerbrachst den Blitz ihm, stumpfetest das Eisen
Des wilden Mars; sein Drohen war Dir Spott.
In aller Himmel, aller Erden Kreisen
Folgt freudig Alles Deinem Machtgebot.
[235]
Mit Hercul's Waffen spielen Deine Knaben;
Wer, Liebe, Dich besitzt, hat alle Gaben.
Amor.

Schau, Holde, wie ich Dich in wilden Fluthen –
Psyche.

Es war ein Meer der Liebe.
Amor.

wild ertränkt,
Dich in den Abgrund, Dich in Feuergluthen –
Psyche.

Sie waren Läutrung mir.
Amor.

hinabgedrängt.
Psyche.

O welchen Schatz des Holden und des Guten
Hast Du, o Kunst, in manchen Stein gesenkt!
Dort küssen wir; der erste Kuß der Treuen
Wird ewig auch im kalten Fels erfreuen.
Die Kunst.

Seh' ich Dich auch von Drachen noch umschlungen,
Laokoon, der Wahrheit Priester Du?
Von Deiner Brust hast Du sie weggerungen,
Die Ungeheu'r, und athmest hohe Ruh.
Danieden nur von ihrem Gift durchdrungen,
Blickst Du, rechtfert'gend Dich, den Göttern zu.
Dein stummer Blick, Dein Seufzer, Deine freie
Vaterlandsbrust ist großer Herzen Treue.
[236]
Seh' ich Dich auch, o Mutter, die zur Quelle
Des kalten Felsen langsam sich verweint,
Der in der schönsten Kinder Jugendhelle
Ringsum der Tod und Angst und Schmerz erscheint,
Und deren Antlitz in der letzten Welle
Des Lebens Gram und Mutterhuld vereint?
In Deinem Bilde gräm' ich mich zum Steine,
O Niobe, seh' um mich rings und weine.
Denn leben irgend noch die Gottgedanken
Vergangner Zeit in eines Menschen Brust?
[237]
Sie taumeln von der Circe Kelch und wanken
Zu Aeffereien der gemeinsten Lust.
»Das hast Du Deiner Feindin zu verdanken,«
Sprach Amor, seines Sieges sich bewußt.
»Fest hält die Barbarei, was sie umschlungen;
Durch Kämpfe nur wird ihr der Sieg entrungen.«
»So gieb mir meine Tempel!« »Angebetet,
Dumpf angebetet willst Du Holde sein?«
Sprach Carita. »Mein Angesicht erröthet
Vor jeglicher Anbetung trübem Schein.
Sie, die Gedanken, die Empfindung tödtet,
Die heuchelnd-schädlichste der Barbarei'n –
Schau Deinen Tempelruhm, Akademieen,
Wo Schmeichelei und Trugsinn Dich umknieen!«
[238]
Auf einmal stand enthüllet die gerechte,
Allsehnde Nemesis dem Kreise vor,
Sie, deren Stab nie falsche Krümme schwächte,
Sie, deren Gang nie seine Bahn verlor.
»Du büßest,« sprach sie und erhob die Rechte,
»Du büßest, was Du sündigtest zuvor.
Wie Tantalus einst in der Götter Freuden,
Mußt, arme Kunst, Du jetzt Tantalisch leiden.«
Nach Früchten langend, die vor ihnen blühen,
Nach Wasser lechzend, das sie rings umfließt,
Sieh, wie die Durst'gen dort die Wellen fliehen,
Der Mode Krug, wie er sie schäumend gießt,
Wie Nebel hier sich vor die Früchte ziehen,
Und, trinkend auch, die Lippe nicht genießt!
Ixion gleich, umarmen sie die Here;
Sie malen aus Homer, nicht wie Homere.
»Erdulde, Kunst, was einst Du ausgeübet!«
»Ich bin's,« sprach Amor, »der sie kühn vertritt!
Wer liebend fehlte, g'nug, er hat geliebet!
Ich stelle mich für sie zum Bürgen mit.
Erfreuen soll sie, wen sie je betrübet,
Beglücken, wer durch ihren Irrthum litt.
Den Kranz, den ich und Carita vollenden,
Empfängt die Menschheit einst aus ihren Händen.
Anbeten soll sie Niemand; sehn und lieben,
Verstehn und, strebend auf zum höchsten Ziel,
Rein anerkennen, was, in ihn geschrieben,
Nur wirkend wird zum seligsten Gefühl:
Dies Himmlische, den Sterblichen geblieben
Auch in der Zeiten dumpfestem Gewühl,
Das soll die Menschheit in Kunstbildern – träumen
Und kunstreich-thätig nie, o nie! versäumen!
Erwecket hab' ich aller Nationen
Kunstlehrer, Deinen Märtrer, Winckelmann.
Auch wider Willen mußte Neid ihn schonen,
Der Deiner Laufbahn reines Ziel gewann,
Die Schönheit, nicht ersetzt durch Schmuck und Kronen,
Die Schönheit, die dem rohen Blick entrann.
Doch schau hieher! Auch hier sind Kunstideen!«
»O!« sprach die Kunst, »was meine Augen sehen!
[239]
Wer war der Himmlische, der diese Freuden
Der Menschlichkeit den Menschen offenbart?
Das Kind, die Mutter und des Sohnes Leiden,
Der Mutter Leiden, o wie tief und zart!
Verschlungen ist ihr Herz; in ihnen Beiden
Ein Einklang göttlich sanfter Menschenart.
Mir öffnet sich ein Reich der Geistigkeiten,
Voll nie gefühlter höhrer Seligkeiten.
Der Himmel that sich auf dem Erdensohne,
Der seine Brüder malte Engeln gleich;
Zu Göttern nicht, er stieg zum höchsten Throne
Der Gottheit, anmuth-, huld- und gnadenreich;
Da ward, da ward ihm die Idee zum Lohne,
Die reinste – und er zeigete sie Euch,
Ein heil'ges Ideal. Ich will es lieben.«
Einmüthig sprachen Alle: »Und auch üben!«
»Auf! schwöre mir bei dieser Mutter Bilde,«
Sprach Nemesis, »und Dem, den sie umfängt,
So mütterlich, jungfräulich, zart und milde,
Wie sie sich liebend hin zum Sohne drängt,
Zu ihm, der Blume, die im Lustgefilde
Der Schöpfung ihr an Seel' und Herzen hängt:
Demüthig, frei von Tand und eitlen Mienen,
So wollest Du der Menschheit liebend dienen!«
Sie schwur. Und plötzlich in den Lüften sangen
Des Himmels Genien, ein süßes Chor.
»Amata!« sangen sie; die Töne drangen
Durch alle Welt den Schlummernden ins Ohr.
Madonna stand sie da, mit Rosenwangen,
Von denen sich der letzte Schmerz verlor.
Entzückt sprach Carita: »O graziosa!«
Und Amor: »Benedicta coeli Rosa!«

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TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Pygmalion. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5CF8-4