Resignation

Eine warme Regennacht
Hat am Feigenbaum im Garten
Alle Zweig' in Flor gebracht,
Die noch kahl des Frühlings harrten.
Zu den Blättlein dicht gesellt
Schauen tausend winz'ge Knollen
Putzig in die grüne Welt,
Die zu Früchten reifen sollen.
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Doch die süße Lieblingsfrucht
Soll mir ungenossen bleiben,
Wird mich doch der Tage Flucht
Nur zu bald von hinnen treiben.
So auch an der Menschheit Baum
Seh' ich manche Knospe sprießen,
Und zu hoffen wag' ich kaum,
Ihrer Reife zu genießen.
Los des Alters! Das sei fern,
Drum zu trauern im Gemüte.
Nur noch aufblühn säh' ich gern
Eine junge Menscheublüte,
Jenes vielgeliebte Kind
Mit den strahlend großen Augen,
Die so übermütig sind,
Wie sie wohl zum Hexen taugen.
Gerne kennt' ich noch den Mann,
Der sich zähmt die süße Wilde,
Säh' als Frau und Mutter dann
Selig lächeln meine Thilde.
Ach, auf diesen Lieblingstraum
Kann ich nicht so leicht verzichten,
Wie daß dort der Feigenbaum
Mich noch labt mit seinen Früchten!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Heyse, Paul. Gedichte. Gedichte. Italien. Frühling am Gardasee. Resignation. Resignation. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-644C-5