[174] Neues Leben

Still und hell ist mein Gemüt,
Wie im Herbst ein Sonnentag,
Und doch fühl' ich, daß im Innern
Wie durch Lenzes Zauberschlag
Eine junge Schöpfung blüht.
Hast du noch nicht ausgeglüht,
Meiner Jugend Sonnenschein,
Und wenn jetzt der Winter käme,
Würd' er mir in Blüten schnein,
Wie im ewigjungen Süd?
Ach, und meiner Flügel Schwung
War so traurig schon gelähmt!
Denn ich habe sterben sehen;
Und nun fühl' ich fast beschämt
Mir zum Leben Mut genung.
Wäre nicht Erinnerung,
Schiene Traum, was Leben war!
Aber wen die Götter lieben,
Stirbt er auch in grauem Haar,
Dennoch stirbt er ewigjung.

Notizen
Entstanden um 1867. Erstdruck nicht ermittelt. Viele frühe Gedichte wurden erstmals gedruckt in: Gesammelte Werke. Erster Band, Berlin (Hertz) 1872.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Heyse, Paul. [Still und hell ist mein Gemüt]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6620-6