[5] Liebe zwischen Eginhard und Fräulein Emma, Keyser Carlns des Grossen Geheimschreibern und Tochtern
Keyser Carl der Grosse hatte unter vielen Kindern auch ein Fräulein Emma genennet, nicht minder an Leibes als Gemüths Gaben von höchster Vollkommenheit. Nebenst andern Bedienten enthielt sich auch in seinem Hofe Eginhard, Geheimschreiber des Keysers, dem er wegen sonderbahrer Geschickligkeit mehr als mittelmäßig geneiget war. Ich weiß nicht wie dieser gute Mann in etwas übersichtig ward, und der alleine die Briefe seines Herren durchsehen sollte, auch auf die Schönheit der Tochter ein freyeres Auge warff. Die Frucht dieses Fürwitzes war die Liebe, und die Frucht der Liebe, die Gefahr, so in Warheit, wenn er einen strengern Herrn, als Keyser Carln, angetroffen, Ihn in Spott und Todt unfehlbahr würde gestürtzet haben. Die Ungedult seiner Flammen zwang ihn bey der Fräulein, mit der er sonst niemahl ausführlich reden konte, die Genade zu bitten, einmahl alleine bey ihr eingelassen zu werden, die dann auch mit nicht minderer Liebe gegen Ihm entzündet, sein Fürnehmen billigte, und ihm die Abendtzeit darzu bestimmete. Was sie in solcher Zusammenkunfft mit einander abgeredet, und wie sie ihre Stunden wohl angewendet werden haben, laß ich einen der iemals recht verliebt [5] gewesen, und in dergleichen Gelegenheit, wie Eginhard und Emma sich befunden, urtheilen, ich weiß nichts davon. Diß ist gewiß, daß sie beyde unvermercket fast der angehende Morgen überfallen wollen, und das Fräulein, als sie ihren lieben Nacht Gefehrten, weil dazumal ein unverhoffter Schnee kommen, auf dem Rücken aus ihrem Zimmer biß zu einem Scheidewege getragen, in Meinung, nachmals die männlichen Fußstapffen, so wegen der damals üblichen spitzigen Schuh sehr kentbahr waren, mit den ihrigen zuverscharren, von ihrem Herrn Vater, der, ich weiß nicht durch was vor einem [5] Zufall, sich um solche ungewöhnliche Zeit in ein Fenster geleget, unter ihrer süssen Bürde erblicket worden ist. Der gute Alte konte kaum seinen eigenen Augen trauen, musts aber doch endlich nothwendig vor war halten, was er so klar und deutlich gesehen. Er schlug sich etliche Stunden mit dem verwirrtesten Gedancken, so in eines Menschen Sinn kommen könten. Betrübnüß, Verwunderung, Zorn, Rache und Erbarmnüß hatten bey ihm einen unruhigen Sammel Platz, und er wuste bey dieser Bestürtzung nicht eigentlich, zu was er sich entschlüssen sollte. Nach weniger Zeit ließ er seine Räthe erfordern, und begehrete ein Gutachten, was ein Diener wohl verschuldet, der seines grossen Herren Tochter fleischlich zuverführen, und bey ihr eine gantze Nacht ohne alle andere Gesellschafft zuzubringen sich unterstanden hette. Die Meinungen waren ungleich, dieser rieth zum Tode, jener zu immerwährender Gefängnüß, ein ander zu was anderm. Als nun der Keyser sie sämtlich mit grosser Gedult angehöret, befahl er unversehens Eginhard und Emma hereinzuführen, sagende: Hier seind die Verurtheilten, ich weiß nicht, zu was ich mich wohl wenden soll. Auf der einen Seiten stehet die Missethat, die mich als Richter haben will, auf der andern die Erbarmnüß so mir als einem Vater wehmüthig zurufft. Diß ist am Tage, daß ihr beyde gröblich gesündiget und wider Eyd und Blut gehandelt habt. Doch muß ich auch wiederumb gedencken, daß Emma vormahls meine gehorsame Tochter und Eginhard mein treuer Diener gewesen, und dieses verbrechen unter diejenigen gehöret, welchen die hitzige Jugend, wie höchlich zuwünschen, nicht allemahl aus den Augen zu treten vermag. Ein anderer würde die Flecken mit Blut ausleschen wollen, ich aber will meine Väterliche Hand darüber legen. Und hat Emma und Eginharden mit folgenden Worten kürtzlich zusammen gegeben: Eginhard hat allhier seine trägerin, meine Tochter, zur Gemahlin, des tragens halben werdet ihr euch hinfort anderwege mit einander vergleichen.
Emma an Eginhard
Liebe zwischen Reinier Königen aus Dännemarck, und Einer Norwegischen Heldin Algerthe
Die Geschichte, woraus folgende Briefe entsprungen, scheinet einem Gedichte so ehnlich, als ein Ey dem andern zu seyn, und wann ich sie nicht in etlichen warhafften Schrifften gefunden, würde ich sie vor eine von den grösten Auffschneidereyen von der Welt halten. Sie ist aber unverfälscht, und dessentwegen desto höher zu schätzen, besonders weil sie voll wunderlicher Zufälle und Regungen zubefinden. Ein Schwedischer König Fro, dessen Leben nichts anders als ein lasterhaffter Zeitvertreib war, fiel ohn alle gegebene Ursach in Norwegen ein, verstelte alles mit Brandt, Blutt und Unzucht, und weil das Gelücke nicht allezeit der Tugend Gefehrte ist, so fügte es das Verhängnüß so wunderbar, daß er den Norwegischen König endlich in offentlicher Schlacht erlegte. Eine gute Anzahl Adelichen Frauenzimmers hatte sich vor dieser unzüchtigen Grausamkeit frey zu seyn tieff in das Land geflüchtet, und eine unter denselben, so neben fürtrefflicher Schönheit auch mit ungemeiner Hertzhafftigkeit begabet war, rieth der gantzen Versamlung Helm und Schwert zuergreiffen, und weil der Dänische König auch albereit im Anzuge war, diesem Wütterich die Spitze zubitten. Diesser Rathspruch ward von dem gantzen Hauffen zu einem Schlusse gemacht. Und dieses Jungfräuliche Heer wuchs dergestalt, daß Fro aus Furcht einer schimpflichen Neurigkeit diese Völcker durch Gesandten zur Ruh ermahnen ließ, so aber zum Zeügnüß der grossen Verbitterung an stat erfreuliche Antwort zuerlangen, erbärmlich umgebracht worden. König Fro brach über [12] dieser unverhofften Zeitung bestürtzet, eilend auff, seine Obersten und Knechte auf Gutt und Lust vertröstende. Und der Dänische König machte sich gleichfalls in das Feld, ehe sich die Schweden dessen vermutheten. König Fro ward zur Schlacht genöthiget, und diese tapfere Heldin, so zu diesen gestossen, thaten das Ihrige so wohl, daß die Feinde geschlagen, und mehr gedachter unzüchtiger König von Weiblicher Hand in Stücken gehauen ward. Reinier als ein junger Held wuste nicht wie er diesem Jungfräulichen Hauffen mit genugsamer Danckbarkeit entgegen gehen sollte; Besonders erlustigte er sich über das freudige Ansehen der Algerthe, (so hieß die fürnehmbste unter ihnen) welcher der Feinde Blut noch über Brust und Armen lieff. Die erhitzeten Geister, so dazumal wegen grosser Bewegung aus ihrem Leibe fuhren, steckten den König mit Liebes Flammen an, und diese muthige Heldin, so bey sich niemahls einem Manne unterthan zu werden festiglich beschlossen, muste endlich gleichsam genöthiget, sich mit dem Könige Reinier vermählen. Doch diese Liebe wehrete nicht lange, wie denn solches Feuer selten so beständig als hefftig ist. Nachdem Reinier dieser schönen Blüthe genossen, und durch sattsahme Ergetzung seine Regungen ziemlich gekühlet hatte, begunte er seine Augen auf etwas höhers zu wenden. Das Königliche Fräulein aus Schweden war das Ziel seines Absehens, und Algerthe, so dennoch zu zweyenmahlen Mutter worden, muste sich mit einem Scheidebriefe befriedigen. Nach Verlauff etlicher Zeit, als Reinier durch die sichere Ruhe seines Reichs verleitet, in Dennemarck und andern Landen wollüstig herümschweiffete, begab es sich, daß ein gefährlicher Handel in der Crone sich ereignete, und Harald ein fürnehmer Herr sich unversehens zum Könige aufwarff. Reinier bemühte sich dieses Feuer eilend auszuleschen, kehrete bestürtzt in sein Reich, brachte einen und den andern Stand auf seine Seite und ruffte die verstossene Algerthe um hülffe an. Diese, zu Bezeugung, daß einer rechten Liebe oft eine Beleidigung zu einer Befestigung dienet, führete in kurtzen eine Flotte von vielen Schiffen zusammen, und satze, gleich Reinier mit dem Haraldt in offentlicher Feldschlacht sich zu versuchen begonnen, glücklich über, da sie dann nicht verabsäumet zu ihres Königes Völckern, so allbereit auszureissen gedachten, mit ihren Leuten zu stossen, und durch ihre Tapfferkeit so viel auszurichten, daß der Feind in die Flucht gieng, und Reinier Cron und Scepter erhielt. Der Dänische König durch [13] diese scheinbare Danckbarkeit gleichsam aus dem Traume seines Irrthums erwecket, hette fast die andere Thorheit begangen, und den ersten Fehler auszulöschen die Schwedische Gemahlin sitzen lassen. Algerthe aber dieses zuverhindern, reisete nach Norwegen, allda sie Regentin wegen ihres Sohnes Friedleben, dem Reinier solches Land gewidmet, erkläret ward.
Algerthe an Reiniern
Reinier an Algerthen
Liebe zwischen Przetislauen, Fürsten in Böhmen, und Fräulein Jutta Keyser Ottens des Andern Tochter
Przetislaus, Fürst in Böhmen, einer von den hurtigsten Herren seiner Zeit, begunte einmahl schertzweise unter seinen liebsten Hofeleuten von Heyraths Sachen zusprachen, mit beygefügten vermelden, daß er niemahls dieses beschwerliche Joch ihm aufbürden zulassen gedächte; es sey denn, daß ihm ein Fräulein von sehr hohen Hause, fürtrefflichem Gemüthe, und sonderbahrer Schönheit, ja derer Beschaffenheit nach dem Abriß seiner Gedancken wehren, fürkommen solte. Als nun von gegenwärtiger Gesellschaft, einer dieses, ein ander einanders fürnehmes Fräulein nach vermögen herausstrich, begunte endlich des Fürsten Hofemeister Keyser Ottens des II. Fräulein Tochter über die massen zurühmen, und zugleich zugedencken, [19] daß keine, daferne nur solche auß dem Kloster, dahin sie gethan worden, zubringen möglich, mehr würdig, Przetislauens Gemahlin genennet zuwerden. Der Junge Fürst ließ die süsse Beschreibung gedachter Person ihme so wohl gefallen, und empfand eben so süsse Würckungen, als wenn derselbten Bildnüß ihm vollkommen in das Gesichte geschienen, und von dannen in das Hertze gesuncken wäre. Mit einem Worte, er ward in kurtzen so verliebet, als wenn Auge, Reden und Gebehrde, dazu langwierige Gelegenheit gegeben hetten. Den Hofemeister, als welchem solche frembde Begebenheit nicht lange verborgen seyn konte, gereuete fast, daß er die geringste Meldung darvon gethan, in mehrer Anmerckung, daß sein Fürst, weil er ihm dieser Schönheit, so allbereit zum Fechel gewidmet, anders nicht habhafft zu werden getrauete, solche auch mit Gefahr seines Lebens zu entführen sich gäntzlich entschlossen. Was vor weise Einwürffe, was für helle Abbildungen der daraus erwachsenden Gefahr man auch diesem hitzigen Herren für die Augen legte, so ward doch alles zu einem Oele die Flammen desto mehr aufzujagen. Daß auch endlich der Hofemeister allerhand schädliche Anschläge zu hintertreiben, sich mit einem Brief von dem Fürsten, unter dem Schein eines Geistlichen Gelübdes, nach Regenspurg begab, in das Nonnen-Kloster wo sich das Fräulein aufhilt, zukommen Gelegenheit suchte, und ihr nebenst Uberlieferung des Fürstlichen Schreibens und etlicher kostbahren Kleinodien, das Fürhaben des Fürsten Prtzetislauens weitläuftig entdeckte. Ich weis nicht durch was für Verhängnüß diese tugendhaffte und sonst vorsichtige Fürstin, der Nahmen, die Beschreibung, und das Begehren Prtzetislauen so unverhofft übermeisterte, daß sie die überreichten Geschencke nicht anders als freudig annahm, sich auch neben beantwortung gedachten Schreibens, seine allezeit getreue Freundin zu verbleiben erklärete. Erwehnter Hofemeister säumete nicht diesen unverhofften Bericht seinem Herren zurück zubringen, welcher dann über diesem Glück gleichsam aus sich selbsten die schöne Fräulein allbereit in seinen Armen zu haben sich bedüncken ließ. Einen Augenblick zuverschieben, schien ihm auf ein gantzes Jahr seine Liebesgeniessungen zuverliehren. Eilete dessentwegen nebenst seinem getreuen Hofemeister und etlich wenigen der witzigsten seiner Leuthe nach Regenspurg, und ließ ihm angelegen seyn die meisten Stiffter daselbsten zu besichtigen, [20] und zu beschencken. Der Ruff kam endlich auch in das Kloster, wo sich das Keyserliche Fräulein aufhilt, und die gute Aebtissin, so mehr Frömmigkeit als Nachdencken hatte, hofte allbereit auch ihr vertrauetes Gestiffte durch dieses Fürsten Freygebigkeit mercklich zubereichern. Przetislaus unterließ nicht diesen heyligen Ort so bald ihm möglich zu besuchen, und die Aebtissin empfieng ihn mit Thränen in den Augen vor freuden, in gäntzlicher Meinung, daß der Stern ihres Glückes nunmehr recht erschienen wehre. Sie zeigete ihm alle daselbst sich befindliche Sachen, und führete ihn endlich ohne bedencken der Fräulein Hände zu küssen. Beyde verliebten verhöleten im Anfang ihre Regungen so viel möglich, und weil der Hofemeister immittelst offtgedachte Aebtissin mit Gespräche unterhilt, so hatte der Fürst Gelegenheit, seine Liebe bey der Fräulein zuerfrischen. Der Innhalt ihrer Worte ist zu weitläufftig hier beschrieben zu werden. Doch ist dieses gewiß, das offt erwehnte Schöne, wohin sie auch der Fürst zu führen begehret, zu folgen sich erklähret, und die Reise auf folgenden Tag unter ihnen abgeredet worden ist. Wie nun nach Abrede dessen Przetislaues gleich umb die Zeit, als die anderen Jungfrauen sich im Gebethe aufhilten, in das Kloster kam, also unterließ die Fräulein nicht nebenst einer alten Nonne, so ihr zugegeben war, dem Fürsten entgegen zu gehen, und nach genommenen Abschiede ihn biß für das Thor zu begleiten. In deme nun diese einfältige Jungfrau einen Brief aus der Cammer zu holen sich überreden ließ, läßt sich die Fräulein schleunig zu Pferde setzen, und eilet mit ihren Geliebten in Böhmen, da sie dann Christlicher Verordnung nach zusammen gegeben worden seyn. Die wunderbahren Zufälle, so wegen dieser Entführung endlich entstanden, ferner zubeschreiben, wäre nichts anders, als den Anfang zu einer neuen Geschicht zumachen. Ich wende mich zu meinen Briefen und höre hier auf.
Przetislaues an Juthen
Przetislaues an Juthen
Juthe an Przetislauen
Liebe zwischen Rudolphen Königen in Burgundien und Einer fürnehmen Marckgräfin Ermegarden
Damals als es wegen Regierungs Sachen in Italien oder vielmehr in Lombardien ziemlich verworren hergieng, und einer dem andern entweder mit Gewalt oder mit List von dem Throne drang, geschahe es, daß nach Königs Berengars Tode, so vom Flamberten jämmerlich ermordet worden, Rudolph König in Burgundien, wie er albereit einen guten Anfang gemacht, sich des Reiches anmassete. Es lebete dazumahl eine junge Wittib, eines mächtigen Marckgrafens hinterlassene Gemahlin, eine von den anmuthigsten ihrer Zeit, und die ihr hochangelegen seyn ließ den Scepter der Liebe und des Regiments zugleich in ihren Händen zu führen. Die Großen, gegen die itzt gedachte Heldin nicht zu unbarmhertzig war, hielten es vor eine Ehre aus derselben Munde Gesetze zuempfangen, den sie so offt mit Liebligkeit zuvor geküst hatten, und der gemeine Mann billichte das Urtheil der Fürnehmen, wie dann auch mehr gedachte Marckgräfin sich allbereit der Hauptstadt in Lombardi Paviens bemächtiget, und in wenig anderer Beschaffenheit als Königin darin Hof hielt. Rudolphen, der wegen hochwichtiger Geschäfte auf etliche Zeit in sein voriges Königreich Burgundien gereiset war, gefiel diese Gefährliche Neuerkeit über die massen übel, wie er dann auch schleunig mit einer ziemlichen Kriegesmacht nach Italien rückte, und mit denen Völckern, [27] so ihm der Bischoff von Meilandt zugesendet, sich vor Pavie legte, in Meinung die Löwin nunmehr in ihren Lager zubesuchen. Ermegarde, so kein Mittel mehr übrig sahe, sich gegen diesen strengen Feind zuschützen, vertrauete endlich die Sache der Feder, und schrieb an Rudolphen durch eine gewisse Person einen Brief, der ihm auch, ich weiß nicht durch was verborgene Kraft, dahin trieb, das er die seinigen zuverlassen, und zu dieser süssen Feindin zu fliehen ihm fürnahm. So muß, wann das Verhängnüß will, der Harrnisch zu einem Hochzeitkleide, und der Wall zu einem Brautbette werden. Rudolph gieng selbige Nacht, als er ihm seine Flucht fürgenommen, zeitlich schlaffen, wenig Stunden hernach machte er sich auff, und flohe nebenst einen abgeordneten, der ihm den Weg zeigete, eilend auf Pavie. Wie ihn allda die hitzige Ermegarde wird empfangen haben, gebe ich diesen zuerwegen, so in dergleichen Sachen nachdencklicher als ich seyn. Dieses melden die Geschichtschreiber, daß seine Obersten bey angebrochenen Tage etliche Stunden nicht gewust, was sie wegen so langer Ruh ihres Königes ihnen gedencken solten, endlich aber aus Argwohn, daß er nicht etwa wie ein Holofernes ermordet seyn möchte, die Cammer eröffnet und ein leeres Bett angetroffen haben. Da denn auch bald erschollen, daß Rudolph sich nach keiner Judith, sondern einer Helenen umgesehen, weßwegen denn und aus Furcht eines geschwinden Uberfalles sich das gantze Läger verlauffen, diese zwey Liebhabende aber von diesem Reiche endlich nichts mehr genossen, als die liebreiche Hoffnung, das Sie haben regieren wollen.
Ermegarde an Rudolphen
Rudolph an Ermegarden
[33] Liebe zwischen Aleran, einem Deutschen jungen Fürsten, und Adelheiten Keyser Ottens Fräulein Tochter
Nach Gewohnheit damahliger Zeiten, daß junge Fürsten und Herren, wenn sie ein wenig zu Kräften und Verstand kommen, sich in die Welt machten, und fürnehme Höfe besuchten, begab es sich gleichfalls, das Aleran, eines vornehmen deutschen Fürsten Sohn, in Keyser Ottens Hofe angelanget, seiner Jugendt eine gute Wissenschafft von allerhand Ritterspielen und höheren Tugenden beyzulegen. Sein Fürsatz war nicht ohne glücklichen Fortgang, und seine Vollkommenheit wuchs endlich der gestalt, daß Aleran vor ein Wunderwerck des Hofes, ja vor die Crone der Ritterschafft von männiglich gehalten ward. Wie aber alles den veränderlichen Zufällen unterworffen, so ward auch hier das Glück zu einem Springbronn tausenderley Ungemachs. Aleran, dessen Hand nichts wiederstreben konte, vermeinte unvollkommen zu seyn, wann er nicht auch ein Meister der Gemüther, und ein Beherrscher der schönen Adelheide seyn solte. Seine Blicke waren in nichts so sehr bemühet, als einen freyen Geist zubestricken, und seine Zunge bearbeitete sich auf das höchste ein ungebundenes Hertz in ein schlüpfriges Garn zuversetzen. Der Anschlag war nicht ohne fürgebildeten Außschlag. Es ging aber dem Aleran wie einem guten Fechter, der oft mit seinem Gegentheile zugleich fallen muß. Aleran überwindet Adelheiden, aber Aleran wird zugleich zu der Adelheiden Knecht gemacht, und beyde seuffzen bey ihren Wunden, die nunmehr ohne Rath und Hülffe zuseyn schienen. Wie aber das dürre Holtz am besten zum Kohlen dienet, das grüne damit zu entzünden, so begiebt es sich auch offt, daß die verlebtesten Weiber die Jugend durch ihre Listigkeit am meisten anstecken können. Dieses geschahe auch eben bey dieser Gelegenheit. Eine alte Hofmeisterin leitet den verliebten Fürsten in der Fräulein Schlafgemach, wird Zeugin ihres Ehegelübdnüßes und läst solches alsobald auch fleischlich versiegeln. Nach weniger Zeit betrauerte die Fräulein den Verlust ihres besten Schatzes, empfindet etliche ihr unbekante Zufälle, und verwilliget, wiewohl sie fast mit gewisser Bedingung dem damals regierenden König in Ungarn versprochen war, durch Aleran aus ihres Vatern Landt und Augen geführet zu werden. Ihr Weg ging nach Italien, ihre Reise war voll [34] Ungelückes, ihr Armuth zwang sie Kohlen in der Wildnüs zu brennen, und die Zeit ihrer Pilgramschafft wehrete zwantzig Jahr; Da sie durch einen ihrer Söhne, derer sie unterschiedliche in diesem Waldleben gezeuget, der sich ohngefehr unter das Keyserliche Heer, so damals in Italien stund, begeben, dem Vater entdecket, und mit Freuden wiederumb in ihren vorigen Stand gesetzet worden seyn.
Adelheid an Aleran
Aleran an Adelheiden
Liebe zwischen Graf Ludwigen von Gleichen und einer Mahometanin
Folgende Geschicht ist nicht eine von den jüngsten, und ich muß nur bekennen, daß ich gar vor einen andern diese Stelle meiner Helden Briefe gewidmet habe. Aber ein Bedencken, und besonders die richtgierige Zeit, darinnen wir leben, hat mich von meinen ersten Gedancken abgezogen, und dieses, was im Anfange nicht meine Meinung gewesen, hier aufzusetzen angeleitet. Doch will ich von diesem nichts ferners melden, sondern die Sache so gut sie ist zu Pappier bringen. Graf Ludwig von Gleichen brachte etliche Zeit mit seiner Gemahlin im Ehestande zu. Die damahls angesponnene Türcken Kriege nötigten auch diesen Helden sein [40] Heil unter den Christlichen Fahnen zuversuchen, aber dieser Anschlag gerieth nicht der Seinigen Wunsch und seinem eigenen Fürsatze nach. Er ward in einen Treffen von dem Alcairischen Sultan gefangen. Des Vortheils seiner Geburth ward damahls gäntzlich vergessen, an statt der goldenen Sporn legte man ihm mehrentheils Fessel an, und ward gezwungen an stat der muthigen Pferde, so er zuvor beschritten, die Ochsen zutreiben, und dem Pflug zuführen. Waß ingemein gesagt wird, daß ein annehmlich Auge, und ein gerader Leib die beste Empfehlungs Briefe seyn, das ward hier wiederumb aufs neue wahr gemacht. Eine junge Tochter gemeldeten Sultans, so ihrer Ergetzung halber auf dem Felde gieng, erblickte auch diesen Fremdling mit Staub gefärbet, und alten Lumpen überzogen. Sie begunte aus etzlichen Blicken seiner Augen, und auch etzlichen Wendungen seines Leibes leicht zu urtheilen, daß etwas würdigers an ihm were, als daß er zu einem Ochsentreiber gebrauchet werden solte. Es zog eine ungewisse Kraft ihr Auge auf daß seinige, und sie fühlte eine Regung von Wehmuth, und Belustigung zusammen vermenget. Kürtzlich, sie verspührte leichtlich, daß hier unversehens eine Perle auf den Mist kommen, und der Purpur zufälliger weise unter Kutzentuch geworffen worden. Diß was sie des Tages erblickt, erfrischten ihr die Gedancken, als sie nach Hause gelanget, und die Träume, als sie sich zur Ruh begeben hatte. Es nöthigte sie endlich ein ungedultiger Fürwitz sich alleine auf das Feld zu machen, und diesem Frembdling ohne Nebenaugen zubeschauen. Der nechste Tag darauf ward zu dieser Sache gewidmet; Sie machte sich durch eine verborgene Tühre aus der Stadt, und erkühnete sich unsern Grafen um seine Geburth, Stand und Gelegenheit zufragen. Die anmuthige Antwort, so er ihr ertheilte, war in den Hertzen der Mahometanin wie ein Funcke, der auf einen dünnen Zunder fället. Sie ließ erstlich ein paar heisse Thränen über die Wangen rollen, entdeckte mit kurtzen und halbverbissenen Worten ihr hohes Mitleiden, und versprach mögliche Hülfleistung und Rettungs Mittel. Sie unterließ folgende Zeit nicht so oft es sich nur fügte ihren Frembdling heimlich zubesuchen, und die Vertrauligkeit kam endlich so weit, daß sie ihn oft mit ihrer Hand speisete, ihm die Ochsen treiben halff, und den Schweiß mit ihren Fürtuche von seiner Stirnen wischete. Dieses alles war nur ein Erleichterungs-doch kein Heylungs [41] Mittel. Die inbrünstige Liebe zwang sie endlich, Ihm, dafern er ihr die Ehe zusagen, und sie mit sich in sein Land führen wolte, Erlösung aus den Banden zuversprechen, auch ihn, als den die Christlichen Gesetze schreckten, über vorige Gemahlin noch eine beyzufügen, auf allerhand Art zu solchem Fürnehmen zu ermuntern. Mit einem Worte, der Handel ist leicht geschlossen, wann die Waare schön ist, und Kauffer und Verkauffer einig seyn. Ein Handschlag und ein Kuß verknüpften ihre Hertzen, sie eileten nach den Christlichen Landen. Der Graf verständigte seine Gemahlin seiner Erlösungs Freundin Ankunfft. Der Pabst ließ diesen ungemeinen Fehl ohne Buße geschehen. Sie kamen glücklich nach Hause, die Gemahlin empfing die Mahometanin freundlich, und räumete ihr Bett und Hertz ein. Einigkeit und Seegen, wiewohl ohne Leibes Erben, schwebeten über dieser Liebe, und das Grab zu Erfurth, da sie alle drey die Asche unter einem Stein vermischet haben, zeiget gnugsam wie edel ihr Feuer hat müssen gewesen seyn.
Graf Ludwig an seine Gemahlin
Die Gemahlin an Ludwig
Liebe zwischen Graf Balduin und Judithen, König Carls in Franckreich Tochter
Balduin, sonst Eisern Arm genennet, Graf oder nach der Alten Arth, Forstmeister in Flandern, war nicht allein wegen seiner Leibesgestalt, sondern auch wegen seiner Fürtreffligkeit in [47] Rittermässigen Ubungen, einer von den Berühmtesten seiner Zeiten. König Carl in Franckreich, ingemein der kahle geheissen, wie auch sein Sohn Ludovic, bedienten sich gedachten Heldens Tapfferkeit, in dem Krieg gegen die Nordmänner; und die Saracenen erfuhren, daß er nicht minder wieder Auß- als Inländische Glück hätte. Bey dieser Gelegenheit konte er sich der Liebe nicht erwehren, wiewohl er seiner angebohrnen Hohheit nach, Augen und Hertz allezeit nach dem Purpur wendete, und ihm die Königs Farbe der brennenden Liebe am meisten gefallen lies. Die gröste Meisterin seiner Seelen war Judith, hochgedachten Königs Carls Tochter. Er liebete sie als Fräulein in ihres Vatern Hofe, wiewol in höchster Behutsamkeit, konte aber ihrer nicht eher theilhafftig werden, biß Adolph König in Engelland sie zu einer Frau, und der Tod ihres Gemahls sie zu einer Wittib gemacht hatte: Da denn die alten Funcken, bey Balduin wieder herfür brachen. Wie er nun sein Anliegen schriftlich erfrischet, also erkühnte er sich diese verwittibte inbrünstig zuersuchen, sich mit ehester Gelegenheit nach ihres Vatern Reich zumachen, da er dann, dafern es ihr nicht gäntzlich entgegen, Sie zuentführen sich entschlossen. Judith beantwortet seine Gedancken ziemlich kaltsinnig, redet von ungleichen Regungen Balduins und aller Männer, entschuldiget sich daß sie ihm als ihrem alten Freunde besonders in diesem Wittben Stande, nicht mit mehrer Höfligkeit entgegen gehen könte, und gibt, wiewohl in etwas tunckeler Arth zuschreiben, genugsam zuerraten, daß sie ihm, und seinem Vornehmen nicht gäntzlich zu wiederstreben gesonnen, massen dann sie sich auch bald darauf nach Franckreich aufmacht, und ohne grossen Wiederstandt entführet, und Balduin vermählet worden ist.
Balduin an Judith
Judith an Balduin
Liebe zwischen Siegreich und Rosemunden
Die Art der meisten von meinen bißher aufgesetzten Briefen und Geschichten ist verhoffentlich so klar und offenbahr, daß niemand einer Verstelligung mit recht mich beschuldigen wissen wird. Nunmehro aber muß ich aufs neu wieder meinen Willen hinter den Fürhang, und werde gleichsam gezwungen, mich der Maßque auf kurtze Zeit zu gebrauchen; Wann alle Welt so urtheilen wolte, wie sie billich solte, und man nicht bißweilen Gemüther antreffe, so auch aus den besten Bluhmen Gifft zusaugen sich bemüheten, würde ich niemahls von meinem ersten Wege abzuweichen mich unterfangen haben. Es seyn aber die Laster der Welt bekannt, und dieses eben nötigt mich etwas verdeckter zu spielen. Aber zum Zweck! Siegreich, einer der fürtrefflichsten Helden, unsers deutschen Landes, dessen Leben ein rechtes Ebenbild Menschlicher Vollkommenheit gewesen, befand sich einmahl in einer fürnehmen Stadt, derer Nahmen allhier aufzusetzen unnötig ist. Etzliche schwere Händel verunruhigten selbes mahl sein Gemüthe, und die Räthe waren höchstbemühet, ihn so viel möglich davon abzulencken. Durch sonderbahre Schickung füget es sich, daß hochgedachter Heldt ohngefehr eine Schönheit erblickte, die theils wegen ihrer sonderbahren Gestalt, theils wegen ihrer lieblichen Stimme, welche sie doch mehr zu ihrem eigenen Zeitvertreib als anderer Uppigkeit gebrauchte, ein Wunderwerck genennet zuwerden würdig war. Eine gewisse Regung nötigte diesen grossen Herren Gelegenheit zu suchen, derselben Stimme zuhören, derer Augen ihm so lieblich zuseyn geschienen; Und diese junge Heldin, so wir Rosemunden nennen wollen, wird durch ein Schreiben, so bald folgen soll, nach Hofe gefodert, Sie stellet sich nach vorhergegangener schrifftlicher Beantwortung dienstschuldigst ein. Siegreich siehet, höret, verliebet sich, und weil die Stege der Liebe schlüpffrig seyn, gleitet er nicht allein in fleischliche Gedancken, sondern auch dergleichen Wercke, darauß nachmahls ein berühmter Held, durch dessen Hand sich das Meer mit Türcken Bluth gefärbet, [54] und für dem die Mohren sich bücken müssen, entsprungen ist. Erkennet nun iemand durch diese dicke Maßqve, was ich verbergen wollen, der entschuldige meine Kühnheit, und ich hoffe, es wird mir eine Sache tunckel zumelden nicht verarget werden, die albereit in offene Geschichtbücher kommen, und auch darinnen geduldet worden ist. Der Mensch ist nur wie der weisse Atlas, es muß wunderlich zugehen, daß man nicht einen Flecken darinnen sehen solte: Wiewohl gedachten hohen Heldens Abtritt so bewand ist, daß er seinen hohen Tugenden, und reinem Leben keine Vertunckelung wird bringen können.
Siegerich an Rosemunden
[57] Rosemunde an Siegreichen
Liebe zwischen Hertzog Tugenand, und Zuchtheiminen
Hertzog Tugenand, ein Herr wegen gutes Gemüthes und Schönheit des Leibes bey männiglich berühmt, hielt sich eine ziemliche Zeit zu Keysersburg auf. Mir ist unwissende, durch was vor Gelegenheit er, unter andern einer schönen jungen Geschlechterin, mit Namen Zuchtheimine, ansichtig war, und in selbte, als bey welcher der Grundt der Tugend der Jugend Annehmligkeit nicht wenig vergrösserte, sich dermassen verliebete, daß er ihm ohne sie Augspurg zuverlassen nicht wohl getrauete. Auf andere Arth als [60] durch zuvorhergehendes Eheverbündnüß dieser Schönheit theilhafftig zu werden, ließ die Eigenschafft dieses grossen Herrns, und der erbahre Wandel des berühmten ehrliebenden Geschlechtes nicht wol zu. Weßwegen er dann auch ordentlich umb sie anhielt. Wiewohl nun theils bey der jungen Tochter, theils bey deroselben lieben Eltern, dieses unversehene Ansuchen allerhand Verdacht nach sich zog, so erfolget doch endlich, in Betrachtung des Hertzogs untadelhafften Wandels, ein schuldiges Jawort, und oft erwehnte berühmte Geschlechterin, ward diesen grossen Helden, zwar mit Mißbehagen seines Herrn Vatern verehlichet. Ihre Ehe ward glückseelig, fruchtbar, und langwierig, wie sie dann in anmuthiger Einbahrung der Gemüther zwantzig Jahr zusammen gelebet, und unterschiedene Kinder gezeuget.
Tugenand an Zuchtheiminen
[63] Zuchtheimine an Tugenand
Liebe zwischen Graf Friedenheim und Fräulein Sittenoren
Graf Friedenheim ward von seinem Herren Vater ziemlich jung in eines vornehmen Königes Hof gethan, dessen hohe Gunst er alsbald wegen seiner Tugend und sonderbahren Geschickligkeit in damahls üblichen Ritterspielen ihm zu eigen machte. Wie nun freudige Gemüther der Liebe mehrentheils etwas näher, als andere zugräntzen pflegen, also begab sich gleichfals, daß Graf Friedenheim sich in Sittenoren des Königs Fräulein Schwester verliebte, [66] die dann auch ziemlich merckliche Gegengewogenheit blicken zulassen nicht Bedencken trug. Weil denn dazumahl der König entschlossen, sich aus seinen Erblanden nacher Sicilien seiner Regierung halben zuerheben, als schien Graf Friedenheim diese wenige Trennung, besonders weil ihm ein absonderliches Schiff zu seiner Reise angewiesen worden, unerträglich zu seyn. Welchen Schmertz dann die unterschiedlich erschollenen Reden nicht wenig vermehreten, als wenn hochermeldte Fräulein dem verlebten König Erimal in Silutanien vermählet werden solte. Weswegen dieser junge Fürst aus Trieb seiner inbrünstigen Liebe einen Brief an die Fräulein abgehen ließ, darin er sich über sein Unglücke beklaget, der Trennung auf der See schmertzlich gedencket, vor andern aber seinen Eyfer gegen obgedachten König klar an Tag giebet, mit angehengter Bitte, daß sie ihren Zustand wohl überlegen und reifflich erwegen sollte, ob es nicht thulicher were, mit ihm in Deutschland zuverbleiben, als sich der Reise und viel daraus erwachsenden Ungelegenheit zu unterwerffen. Die Fräulein so bald sie den Brief überkommen, stecket sie ihn schleunig zwischen die Brüste, nichts mehr wünschende, als eine bequeme Gelegenheit, solchen mit guten Nachdencken zuüberlesen. Ich weiß nicht wie solches Beginnen eine fürnehme Cammer-Frau, mit Namen Theisa, der sonst die Fräulein die geheimsten Sachen zuvertrauen pflegte, innen worden, so solches alsobald dem Herren von Sifer, unter welchen König Carl gäntzlich aufgewachsen, und dieser mit vielen Umständen, was aus sothaner Vertrauligkeit endlich werden würde, dem Könige selbsten, als der Fräulein Herrn Bruder zuwissen machte. Der König gehet alsobald zu der Fräulein Schwester Zimmer, reist ihr den Brief von den Brüsten hinweg, überlieset ihn, und würde, wenn er nicht mehr Vernunfft, als Eyfer gehabt hätte, wunderlich in der ersten Hitze verfahren seyn. Nach reiffer Erwegung aber, daß nichts verfängliches in gedachten Schreiben enthalten, und alles in den Schrancken ehrlicher Liebe geblieben, ward dem Grafen, iedoch mit gutem Glimpf, der Abschied gegeben, das Fräulein aber in Spanien geführet, da sie ihres so hochgeliebten Grafen vergessen, auch erstlich dem König Erimal, und hernach dem König in Ligalen vermählet worden ist.
[67] Friedenheim an Sittenoren
Sittenore an Friedenheim
Liebe zwischen Hertzog Tibald und Lettire von Hort
Unter Hertzog Tibalds Frauen Zimmer, mit welchen seine Gemahlin zum Uberfluß versehen war, befand sich auch eine Adeliche Jungfrau, mit Nahmen Lettice von Hort; Sie war die Sonne unter den andern, die blödesten Augen erkieseten hier etwas sonderbahres, und es schien, die Natur hätte versuchen wollen, was ihre Hand, wann sie alle ihre Kräften darstrecket, hervorzubringen vermöchte; Der Hertzog fieng selbst etliche gefährliche Funcken, und es wehrete nicht lange, daß er sich mit der hitzigen Kranckheit angesteckt befand, so wir den erfahrnesten Aertzten und besten Freunden nicht leichtlich zuentdecken pflegen. Er eröffnete sein Anliegen derjenigen so es verursachete, und es ließ sich ansehen als wann solche allbereit eine Ehre suchete, ihre Hertzogin bey guter Gelegenheit zuvertreten. Für den Augen des Hofes, besonders der Gemahlin merckte der Hertzog leicht, das es unmöglich sein würde, sonder bösen Nachklang, seinen Flammen ferner freye Luft zugeben; solche aber auch in dem engen Behältniß des Hertzens länger zubeschlüssen, war ihm ein wenig erträglicher, als die Höllen Pein. Wie sinnreich ist aber die Liebe? Auf gutachten des Hertzogs bittet obgenente Jungfrau Erlaubnüs ihre liebe Eltern zu besuchen; Pferd und Wagen werden fertig gehalten. Sie machet sich auf die Reise, wird aber alsobald, ohne [73] iemahls ihrer Eltern Hauß zuberühren, in ein Fürstliches Schloß auf dem Lande gebracht. Der Hauptmann selbigen Orthes, der schon gewissen Befehl dessentwegen überkommen, empfähet sie freundlich, und ordnet ihr etzliche vertraute Frauen zu. Es ward aber kurtz zuvor aus Schnitz Werck ein Bild zugerichtet, so an Augen, Hals und Brust der krancken vollkommen ähnlich sahe. Das übrige theil so Leib seyn solte, war nichts anders als ein Hembde mit Wolle und andern Zeuge künstlich ausgestopft. Dieses Bild, so ich itzt beschrieben, wird, als sich niemand fremdes bey der Krancken befindet auf die Erde geleget, und zum Uberfluß bald ein Geschrey gemacht, Lettice von Hort, welche sich unterdessen in einem verborgenen Zimmer verschlossen, sey plötzlich verschieden; Der Schloß Haubtmann, so Meister des gantzen Spiels war, befiehlet schleunig einen Sarg zubestellen, und die vermeinte Leiche, als man sie zuvor wohl geräuchert, und den Fürwitz zuverjagen, außgesprenget hatte, die Todte were in der Pest gestorben, wird auf die Bahre gebracht. In allen Hertzoglichen Schlössern werden Leichgepränge ansehnlich gehalten, wie dann auch der Hertzog zusamt der Gemahlin und gantzen Hofstadt sich in Leidkleidern sehen lassen. Unterdessen, weil dis, was nicht gestorben, zur Erden bestattet wird, beginnet obgemelte Schöne erst recht zuleben. Ihr Hertzog nimt Gelegenheit seiner Geliebten kräftiglich die Flammen zuentdecken, und wiewohl die Gemahlin, wie verborgen auch dieses Spiel geführet war, mit Unwillen endlich diesen Handel verstanden, hat sie doch nicht erwehren können, daß der Hertzog die vielmahls gedachte Schönheit, mit welcher er nach und nach sieben Kinder erzeuget, iemahls verlassen.
Tibald an Lettice von Hort
Lettice von Hort an Tibalden
- Notes
- Erstdruck in: C.H.V.H. Deutsche Übersetzungen und Getichte, Breslau (Jesaja Fellgiebel) 1679 (Neue Ausgabe, die als Ausgabe letzter Hand zu betrachten ist). Druck als eigenständige Sammlung: Heldenbriefe, Leipzig und Breslau (Jesaja Fellgiebel) 1680.
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- Citation Suggestion for this Edition
- TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Sinnreiche Heldenbriefe. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6BE9-D