[200] Breslauer Schillerfest

10. Nov. 1839.


Ich habe einst die Philister leben lassen,
Aber ich müsste jetzt das Leben hassen
Und die Sonn' und den Regen, die die Reben nähren
Und uns das Schön're zum Leben gewähren –
Sollt' ich mich zu solchen Dingen zwingen
Und ein Lob den Philisterlingen bringen.
Ich will nicht beehren mit einem Tropfen die Tröpfe
Und werf' ihnen lieber den Pfropfen an die Köpfe.
Doch will ich heute herauf beschwören
Was unter Schillers Denkmal liegt wie im Grabe,
Ich will es zu meiner eigenen Schande hören,
Wie ich damals die Philister bedichtet habe:
»Es leben die Philister,
Ihre Gevattern und ihre Geschwister!
Die Poetenverachter,
Monetenbetrachter,
Die Luchser, die Muckser,
Die Pfennigfuchser,
Die Mucker und Achselzucker,
Die Agio- und Taxenkucker,
Die Linsenleser
Und Zinsenzähler,
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Die Couponsschneider
Und Hungerleider,
Die, wo andre vor Freude weinen,
Gleich mit dem Regenschirm erscheinen;
Und wo die Freude droht einzuschlagen,
Den Blitzableiter in der Tasche tragen;
Die den Teufel scheuen
Und sich wie Teufel freuen;
Die nicht mehr mit dem Zopfe prangen
Und doch an dem Zopfe hangen;
Die Pantoffelgedrückten,
Kartoffelentzückten,
Wasser-Verprasser,
Die sich mit der Schlinge der Mäßigkeit schnüren,
Und doch die Klinge der Gefräßigkeit führen;
Die in lauter Formen und Normen sich bewegen,
In lauter Schmiegen und Biegen sich regen;
Die auf dem Stuhle des Schlendrians sitzen,
Und in der Schule des Bocksbeutels schwitzen.
Es leben die Philister,
Ihre Gevattern und ihre Geschwister!
Denn –
Wenn
Die Philister nicht mehr leben,
So wird es auch keine Poeten mehr geben!«
Nun aber seh' ich, wie die Philister hecken,
Wie sie die Lande mit Schauder und Schrecken bedecken
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Geld und Brot, und Brot und Geld!
So schreit die Welt;
Das ist die einzige Mannigfaltigkeit
In dem langweiligen Liede unsrer Zeit.
Brot ist das einzige Universelle
Unserer Universitäten –
Das reimt sich nicht, ist aber doch wahr,
Und wer's nicht glaubt, dem wird's mit der Zeit noch klar
Auf Brot gerichtet ist der Knabe
Und verfolgt das Brot wie ein Rabe,
Brot ist des Jünglings Preisaufgabe,
Und der Mann studiert es bis zum Grabe;
Und alle jagen, haschen, streben, ringen,
Wollen es zum Brote, zum Leben bringen.
Und was ist Geld?
Ach, leider, ach es gilt –
Das ist ein treues Bild
Von der Philisterwelt.
Wir wollen unsre Schwerter und Schilde rühren
Und ein anderes Bild im Schilde führen.
Wir wollen Schiller als Reichspanier tragen
Und mit Schillern die Philister schlagen.
Man sollte eigentlich mit dem Esels-Kinnbacken
Wie Simson weiland auf sie hinhacken
Immer tapfer, lustig und munter.
Aber es sind vornehme Leute drunter,
Und die würden es gar übel nehmen,
Wenn wir mit so grobem Knübel kämen.
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Drum wollen wir es stiller treiben
Und wollen lieber bei Schiller bleiben.
Wir, die wir die Poesie ins Leben trugen,
Und uns für Ideen zankten und schlugen,
Mit unsrer Begeisterung ausgepfiffen,
Wir, von des Lebens Ernst ergriffen,
Von seinem Leid und seiner Kläglichkeit,
Von Haß und Neid und mancher Unerträglichkeit,
Wir wünschen, daß Schiller auf Oberons Hifthorn blase,
Daß das Philistervolk wider Willen tobe und rase,
Und mit uns singe im lustigsten Triller:
Hoch lebe! hoch, hoch Schiller!

Hiemit ich scheid: Will mengen baß die Karten, Bin unverzagt, Ich hab's gewagt, Und will des Ends erwarten.

Ulrich von Hutten. [204]


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich. Breslauer Schillerfest [3]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7414-2