[124] Der Prophet

In einer Halle hat er mich empfangen,
Die rätselhaft mich ängstet mit Gewalt,
Von süßen Düften widerlich durchwallt:
Da hängen fremde Vögel, bunte Schlangen.
Das Tor fällt zu, des Lebens Laut verhallt,
Der Seele Atmen hemmt ein dumpfes Bangen,
Ein Zaubertrunk hält jeden Sinn befangen
Und alles flüchtet hilflos, ohne Halt.
Er aber ist nicht wie er immer war,
Sein Auge bannt und fremd ist Stirn und Haar.
Von seinen Worten, den unscheinbar leisen,
Geht eine Herrschaft aus und ein Verführen,
Er macht die leere Luft beengend kreisen
Und er kann töten, ohne zu berühren.

Notes
Entstanden 1891. Erstdruck aus dem Nachlaß in: Briefwechsel zwischen George und Hofmannsthal, Berlin (Georg Bondi) 1938.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hofmannsthal, Hugo von. Der Prophet. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-77F4-3