[147] Wenn kühl der Sommermorgen

Wenn kühl der Sommermorgen graut,
Vom Himmel rosig wie Heidekraut,
Wie rosige Blüte von Heidekraut
Die blasse Sichel niederschaut:
Dann gehen auf silbernen Sohlen da
Aus ihres Gartens Tor
Umgürtet mit Schönheit und Schweigen ja
Die jüngsten Träume hervor.
Sie gehen durch eine blasse
Leisrauschende Pappelallee,
Durch eine Heckengasse
Und durch den duftigen Klee,
Sie öffnen mit feinen Fingern leis
Am dämmernden Hause das Tor
Und gehen die kleine Treppe leis
Zu deiner Kammer empor,
An deinem Bette sie stehen lang
Und haben keinen Mut,
Auf deine Seele sie horchen bang,
Die siedet und nicht ruht.
Sie sind für dich gekommen, weh!
Du atmest allzu schwer,
Rückgehen sie beklommen, weh!
Hin, wo sie kamen her,
Hin, wo der Sommermorgen graut
Wie rosig Blühn von Heidekraut.

Notizen
Entstanden 1893. Erstdruck in: Die Neue Rundschau, Berlin 1930.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Hofmannsthal, Hugo von. Wenn kühl der Sommermorgen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7984-D