[159] [161]Sonnwende und Entsagen

[161][163]

Ich hab in kalten Wintertagen

Ich hab in kalten Wintertagen,
In dunkler, hoffnungsarmer Zeit
Ganz aus dem Sinne dich geschlagen,
O Trugbild der Unsterblichkeit!
Nun, da der Sommer glüht und glänzet.
Nun seh ich, daß ich wohlgetan;
Ich habe neu das Herz umkränzet,
Im Grabe aber ruht der Wahn.
Ich fahre auf dem klaren Strome,
Er rinnt mir kühlend durch die Hand;
Ich schau hinauf zum blauen Dome –
Und such kein beßres Vaterland.
Nun erst versteh ich, die da blühet,
O Lilie, deinen stillen Gruß,
Ich weiß, wie hell die Flamme glühet,
Daß ich gleich dir vergehen muß!

Notizen
Aus der Sammlung »Neuere Gedichte« (1851/54), dort unter dem Titel »Aus dem Leben I« (1851) bzw. »Aus der Brieftasche I« (1854).
Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Keller, Gottfried. Ich hab in kalten Wintertagen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-9CB3-9