Erster Schnee

Wie nun alles stirbt und endet
Und das letzte Lindenblatt
Müd sich an die Erde wendet
In die warme Ruhestatt,
So auch unser Tun und Lassen,
Was uns zügellos erregt,
Unser Lieben, unser Hassen
Sei zum welken Laub gelegt.
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Reiner weißer Schnee, o schneie,
Decke beide Gräber zu,
Daß die Seele uns gedeihe
Still und kühl in Wintersruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
Die allein die Liebe weckt,
Wo der Haß umsonst die Hände
Dräuend aus dem Grabe streckt.

Notes
Aus der Sammlung »Neuere Gedichte« (1851/54).
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Keller, Gottfried. Erster Schnee. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-9F05-C