[229] Die Bestattung

Eine Rose, gepflückt vom liebenden Mädchen, das Thränen
Trübeten, lag, und welkte dahin,
Auf den bestäubten Blumen des Grases. Das bebende Mädchen
Liess sie fallen, die doch
Eine der mosigen war, und nur erst Knospe. Ach jetzo
Lag sie, und starb!
Blumen versammelten sich um sie, und Standen, und Bäume,
Dass sie sterben sie sähn,
Und der eigenen Sterblichkeit sich erinnerten; dann sie,
Wären die Blätter ihr alle gedort,
Mit dem Laube bestreuten der Beberesche. Am Grabe
Sollte, mehr noch zu weinen, ihr dann
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Bleiben die Jüngferliche. Die Traurenden nahten der Stäte
Bald, wo die welkende lag.
Grübling eilte voran, und mit erzitterndem Blatte
Folgte Weichling von fern.
Göttergeruch begann: So lieget sie denn, und so früh schon!
Hätte das liebliche Mädchen ihr doch
Aus der Quelle geschöpft, aus der es die Lerche sich tränket,
Und die Nachtigall, dann
Ihren Stamm in die Kühle gesenkt, und dort sie gelabet:
Ach so stürbe sie nicht!
Schwebete nun noch nicht zu den Rosenschatten hinunter
In Elisiens Thal.
Also Göttergeruch. Wenn der West schwieg, wurd' ihm die Stimme
Rede nur, wenn er wehte, Gesang.
Röthe, die trägt Herzblätter, Vernunft, und die Tochter des Maies,
Und Goldlilie klagten ihm nach,
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Flamm', und Mädchen im Busche, und Himmelskerze, und Ringel-
Blume, die heilige, nach.
Aber itzt kamen in Eil herbey die wild und die schwarze
Natterwurzel, herbey.
Eisenherz, mit ihm Löwenfuss, und der Wolfsgesichter;
Also ruften sie aus:
Thörichte, dass ihr da so wehklagt um Eine der Rosen;
Und zu tausenden werden sie doch
Unter Galliens Wilden, von Menschenblute beströmet,
In dem elisischen Felde verschwemt!
Aber die weinende Weide vernahm mit Entsetzen die dumpfen
Töne, begann:
Und du kamst, Zipresse, nicht auch, du grausame, kamst nicht!
Lässest allein
Über sie mich die Zähre des Grams hinträufeln; und doch ist
Sie, kaum Knospe, gewelkt!
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Wird zu den Schemen nun bald der Pfirsichblüthen hinabgehn,
Wird zu der Veilchen hinab,
Und Elfranken gehn. Sie sang es, säuselte, senkte
Tiefer den schwebenden Zweig.
Aber die Traurenden wendeten sich. Da blieb an dem Grabe
Schweigend die Jüngferliche zurück.

Notes
Entstanden 1795. Erstdruck in: Klopstocks Werke, 2. Bd., Leipzig (Göschen) 1798.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Die Bestattung. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B2EE-8