[181] Das Neue

Neues gescheh nichts unter der Sonne? und die Verfolger
Jener Freyheit, wie sie noch die Geschichte nicht kent,
Feyren gleichwohl ein Siegesfest, dass die himmelgeborne
An der Kette, die sie sinnlos ihr ringten, verstumt,
Singen, den Ton volksbühnisch, am Fest der Sanscülottiden,
Hottentottade: »U – amp Marat, wir beten dich an,
Der du in dir die Götter des siebenarmigen Stromes,
Diese der lehrenden Welt unsrer gelehrigen zeigst,
Dich, dem Mirabau sank, und der sie alle noch wegstrahlt
Aus dem Tempel, Nu – ap Marat! Marat Hir – op!
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Pandämonion war der Tempel, eh, Marat, du einzogst;
Aber du kamst! und er ward Pantheon, Marat Gha – ip!
Lebe die Klubbergmunizipalgüllotinoligokra-
Tierepublik! und Ghu – ip schütz uns vor Hunger und Pest.«
Auch Verwünschungen sprechen sie aus; die Verwünschenden brüllen:
La Fayette! und ihr, Roland! la Rochefoucauld!
Bailly! du von Etampes! Gesegnet sey uns, o Jourdan!
Sey dein Ronsin, und sey ... Aber mir sinket der Laut,
Weigert sich fortzunennen. Wie viel, und welche Verbrechen
Gräbt, für der Nachwelt Spruch, einst die Geschieht' in ihr Erzt!
Doch die jetzige Welt ist Nachwelt, setzet sich, richtet
Gleiches Gericht; wenn die That nakt vor das Auge sich stellt.
Nakt steht: Herschende Buben sie brauchen, wer von der Herschsucht
Glühet, wie sie: gebraucht, wandert er auf das Schasot.
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Jene kennen das Volk: Es will Despoten! und Schauspiel!
Fliegt zu der Bühne, so bald einer den anderen würgt.
Marat entrann dem Schafot; nun sollt' er, selbst nach dem Tode,
Ihnen noch fröhnen: und so machten sie ihn zu 'nem Gott.
Nakt steht da die Rache an Toulons Bürger. Dem Tode
Schon zum Opfer gekränzt, duldet' er feindlichen Schutz.
Bürgerpflicht war nicht, dass er schlachten sich liess', und erlaubt nicht
Selbstmord: aber erlaubt Leben im rettenden Arm.
Nakt steht da, was geschah: Als Stellvertreter zu Kerker
Gehen sollten! Als roth strömte der Rhodan! Als sie,
(Scheusslich nakt steht dieses da, mit zischenden Schlangen-
Haaren, blauem Gesicht, sengenden Augen) als sie,
Welche Befreyung hiess, und Eroberung war, nach des schönsten
Wortes Bruche, ihr Haupt, Allen Entsetzen! ihr Haupt
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Aus der Höll' erhub, und die Völker zwang, den geliebten
Namen Freyheit, den auszusprechen mit Gram.
Aber wer kann sie zählen die Thaten der ehernen Unscham?
Und wer möcht es? Ihr seht lieber vom Schrecklichen weg.
Einsame Bäume verbergen sie nicht die unendliche Waldung,
Etliche gute das Heer schwarzer Handlungen nicht.
Ganze lange Jahrhunderte sind vorübergegangen,
Eh das gehende diess, ach diess Neue gebar;
Eh, nach solcher Brüderlichkeit, so traulichen Festen,
Wo die Freud' und der Tanz Mädchen und Liebender war,
Sich herwälzete unter der Sonne die grässliche, blinde,
Blutige Missgeburt, schaffend den Schauer zum Stein,
Und den Stein zum Erbarmer! O weint nicht zu bittere Thränen;
Denn die Freyheit trägt Ketten nur, ist nicht entflohn.
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Wisst ihr, auf welche Rettung sie wieder sinnet? und wisst ihr,
Ob es mit dieser ihr nicht mehr wie der ersten gelingt?
Ach, sie kennen mich nicht, so dachte sie; doch wie vermögen
Ferne Menschen zu sehn, wer die Unsterblichen sind.
Darum send' ich ihnen, statt meiner, dass sie mich kennen!
Eine Sterbliche. »Geh, Arria Kordä!« Sie ging.

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TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Gedichte. Oden. Zweiter Band. Das Neue. Das Neue. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B3DE-2