[204] 228. Der Mönch.

Mündlich.

1.

In Quedlinburg auf dem Schloß ist früher der Mönch viel umgegangen, der hat überall auf Ordnung gesehen und bald hier, bald da das Hauswesen revidirt, aber niemandem, der seine Pflicht gethan und ihm nicht in den Weg gekommen, hat er etwas zu Leide gethan. Ein alter Kuhhirt erzählte, wie sie mal eine Viehmagd gehabt hätten, die habe immer früh Morgens die Augen voll Schlafs gehabt und hätte sich gar nicht recht ermuntern können, da habe er sie denn mal, als sie zusammen in den Kuhstall gegangen, vorangehn laßen und wie sie mit halb offnen Augen so hingetaumelt sei, habe sie eine Ohrfeige bekommen, daß ihr die Zähne gewackelt hätten. Da habe er ihr gesagt: »siehst du, thu die Augen auf, dann kommst du dem Mönch nicht in den Weg.«

2.

Auch in der Gegend von Abberode spukt der Mönch vielfältig umher, und seine Neckereien treffen namentlich faule Knechte und Mägde; denen zieht er bald die Decken ab, wenn sie im Bett liegen, oder er trägt sie im Schlaf auf den Heuboden oder spielt ihnen andre Poßen. – Im alten Kloster in Ballenstädt läßt sich auch oft einer mit gewaltigem Poltern hören, dann wird gewöhnlich die Milch sauer.

3.

Im Querfurter Schloß spukt auch oft ein Mönch umher, namentlich aber in der Fastenzeit, der spielt den Leuten allerhand Poßen und sie sehn ihn in seiner Kutte [205] bald hier, bald da zum Vorschein kommen; eine Magd, die nicht recht gutes thun wollte, hat er mal unter seinem Arm hindurch in die Küche gehen laßen, das hat sie nie vergeßen. Er hat auch seine Kuh oben im Schloß und das ist allemal die fetteste im ganzen Stall.

4.

Vom Petersberg bei Halle nach Krosigk soll ein unterirdischer Gang führen, deßen Thür zwar jetzt vermauert ist, aber auf dem Hofe zu Krosigk ist's darum doch nicht recht richtig. Da sieht man oft einen Mönch umherwandeln, der thut niemandem etwas zu Leide, sondern striegelt sogar die Pferde und melkt die Kühe, neckt auch die faulen Mägde bisweilen, Nachts aber setzt er sich auf ein Pferd und wählt besonders gern einen Schimmel dazu aus. Den findet man dann am andern Morgen mit Schweiß und Staub bedeckt; er hat auf der Spitze des Petersbergs mit ihm umhergejagt, wo ihn schon mancher im hellen Mondschein dahinreiten sah.


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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. 228. Der Mönch. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-BEFF-4