[195] 220. Der Bergmann bei den Geistern im Berge.

Mündlich aus Clausthal.


Von den Berggeistern wußte man vor alten Zeiten noch viel zu erzählen, aber heut zu Tage kommt's immer mehr ab. So war auch einmal ein Bergmann im Schacht beschäftigt, da tritt ihm ein kleines weiß gekleidetes Männchen entgegen mit einem Licht in der Hand und winkt ihm zu folgen. Da thut er's und sie kommen endlich in einen großen Saal, in dem sitzen lauter Bergoffizianten, alle so gekleidet, wie das Männchen, und eßen und trinken. Auch dem Bergmann wird ein Becher mit Wein gereicht und als sie ihn ordentlich bewirthet haben, gibt ihm das weiße Männchen eine Goldzacke und sagt, wenn sie ihm jemand fortnehmen würde, so solle er es ihm nur sagen, dann werde er dem, der sie ihm genommen, den Hals umdrehen und ihm die Zacke schon wiederschaffen. Als er ihm das gesagt, führt er ihn wieder hinaus aus dem Berg und verschwindet. Als nun der Bergmann nach Hause kommt, da ist ihm alles so fremd, er kennt keinen derer, die ihm begegnen, und keiner kennt ihn, so daß er endlich zum Prediger geht, der muß das Kirchenbuch nachschlagen; da ergibt sich, daß er drei Menschenalter unten im Berge bei den Geistern gewesen, und ihm war's doch nur wie wenige Stunden vorgekommen. Der oberste der Bergoffizianten aber, als der von der Erzählung des Bergmanns hörte, bekam Verlangen nach der Goldzacke und ließ sie dem Manne, als er sie gutwillig nicht geben wollte, endlich mit Gewalt fortnehmen. Da ist der Bergmann wieder in den Schacht gegangen und hat's dem weißen Männchen geklagt; da ist es hingegangen, hat dem Ofizianten den Hals umgedreht und dem Bergmann [196] seine Zacke wieder gebracht, davon ist er denn so reich geworden, daß er sein Leben lang genug gehabt.


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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. 220. Der Bergmann bei den Geistern im Berge. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C0B2-4