[146] 175. Schöppenstädter Streiche.

Mündlich.

1. Wie die Schöppenstädter ihren Herzog empfangen.

Der Herzog ließ mal den Schöppenstädtern ansagen, er wolle kommen; da war große Freude und ward beschloßen, ihn feierlich zu empfangen. Zu dem Ende gingen Bürgermeister und Rath hinaus vor's Thor in Feierkleidern, um ihn da zu erwarten, stellten auch weiter hinaus einen Posten aus, der ihnen die Ankunft des Herzogs eiligst melden sollte. Nun war's aber an dem Tage gerade sehr heiß und die Schöppenstädter bekamen Lust, sich erst noch etwas abzukühlen und ein Bad zu nehmen, dachten, gleich wird der Herzog ja wohl nicht kommen. Sie entkleideten sich daher und sprangen in's Waßer, aber im selben Augenblick kam auch schon der ausgestellte Posten gelaufen, rief, der Herzog komme. Schnell sprangen sie aus dem Waßer und nun war guter Rath theuer; ankleiden war nicht mehr möglich, und sie beschloßen daher, wie die Natur sie geschaffen, sich in zwei Reihen aufzustellen und so den Herzog zu begrüßen; der Bürgermeister sagte noch: »Kinder, wie ich thun werde, so thut mir alle nach, wenn der Herzog vorbeifährt!« Indem kam derselbe auch schon daher und fuhr durch die stattlichen Reihen, aber da traf sich's grade, daß den Bürgermeister eine Bremse am Allerwerthsten stach, und da schlug er sich eiligst mit der Hand auf den gefährdeten Theil, und die Rathmänner, welche glaubten, das sei die übliche Begrüßung für hohe Personen, machten's ihm alle nach, und das gab ein Klatschen, daß die Pferde fast scheu wurden. So empfing man für das mal den Herzog.

[147] 2.

Ein andermal hat der Herzog auch nach Schöppenstädt kommen wollen, und man hat daher anfragen laßen, womit man ihm aufwarten könne, da hat er gesagt, er wünsche ein kleines refraichissement zu haben. Da war Schöppenstädt in Noth, alles wurde herbeigeholt, was einigermaßen gelehrt war, aber keiner konnte das Räthsel lösen, endlich fiel einem klugen Kopf ein, es möchte ein französisch Wort sein, darum schickte man nach Wolfenbüttel und ließ in aller Eile ein Wörterbuch holen, und da ergab sich, daß das Wort »Abkühlung« bedeute. Nun war großer Jubel, und als der Herzog zur Stadt kam und eben um die Ecke nach dem Markt biegt, da sprützen ihm drei große Feuersprützen ihre volle Ladung entgegen, und die Schöppenstädter jubelten und freuten sich und meinten, ein so schönes refraichissement möchte er wohl noch nicht bekommen haben.

3. Die Schöppenstädter machen eine neue Entdeckung.

Die Schöppenstädter sahen einmal, daß ein Sperling einen Strohhalm der Quere nach im Schnabel hatte und damit zum Thore hineinflog, und weil das nun so leicht ging, meinten sie, es liege daran, daß er den Halm in der Quere in's Thor gebracht, und merkten sich das. – Nicht lange danach kam die Heuernte, und als nun der erste Wagen beladen war, banden sie den Bindebaum in der Quere auf den Wagen, und freuten sich und jubelten: »Nun wird's uns nicht mehr so viel Mühe machen, mit dem vollen Heuwagen in's Thor zu kommen!« und vorwärts gings nach der Stadt. Als sie nun gegen das Thor kamen, schlugen sie wacker auf die Gäule los, und die zogen auch, was die Riemen halten wollten, und [148] krach! zerbrach der Bindebaum und die ganze Fuhre lag am Boden.

4. Bürgermeister und Superintendent zu Schöppenstädt werden sparsam.

Der Bürgermeister und Superintendent zu Schöppenstädt haben auf eine Zeit ein Pferd zusammen gehabt, weil sie fanden, das käme ihnen viel billiger zu stehen als zwei, denn das fräße doch nur Hafer und Heu für eins, und wenn sie jeder eins hätten, so fräßen doch die für zwei. Und da hatten sie ganz recht. Die Sache ging auch ganz gut; denn wenn der Superintendent zur Kirche wollte, so kam er erst während des Lieds, und der Bürgermeister ritt voran und schickte ihm das Pferd zurück; und wenn der Bürgermeister zu Rathhaus ritt, saß der Superintendent zu Hause und brauchte kein Pferd. Nun kam's aber mal, daß beide auf einen Tag nach Braunschweig mußten, da war guter Rath theuer; lange sannen sie hin und her, aber endlich fiel doch dem Bürgermeister ein Ausweg ein und der wurde sogleich betreten; er stieg nämlich mit dem rechten, der Superintendent mit dem linken Fuß in den Steigbügel, sie gaben sich die Hände über's Pferd hinüber und ritten so mit einem Fuß im Bügel nach Braunschweig, während ihr anderer Fuß lustig im Kothe neben her trabte. Und das war sehr weise, denn so wurde jedem nur ein Stiefel beschmutzt, während, wenn der eine gelaufen, der andere geritten wäre, jenem doch beide Stiefel kothig geworden sein würden.

5. Wie die Schöppenstädter schnell Pantoffeln machen.

Ein Fußwanderer hatte einmal einen weiten Weg gemacht und kam Abends nach Schöppenstädt; da ihm die Füße nun etwas schmerzten, zog er im Gasthause die [149] Stiefel aus, gab sie dem Hausknecht zur Reinigung und fragte ihn, ob er nicht ein Paar Pantoffeln haben könnte. Der sagte auch, die könnte er gerne haben, ging mit den Stiefeln fort, und brachte ihm nach kurzer Weile ein Paar schöne Pantoffeln und dazu noch die Schäfte seiner Stiefeln wieder.

6. Die Schöppenstädter verschreiben ein Gewitter.

In einem Sommer hatte es mal gar lange nicht in Schöppenstädt geregnet, so daß den Bürgern bange wurde, die Ärnte möchte mißrathen, und sie beschlossen daher, nach Braunschweig zu schicken, denn da wüßte man doch Rath für alles, um sich ein Gewitter zu verschreiben. Zu dem Ende schickten sie eine alte Frau ab, die auch glücklich nach Braunschweig kam und dort von den Braunschweigern, die ihre Leute kannten, eine Schachtel erhielt, in welcher, wie sie ihr sagten, das Gewitter wäre. In dieser Schachtel aber, die ziemlich groß war, befand sich ein ganzer Bienenschwarm, und als sie nun mit derselben nach Schöppenstädt zurückging, fingen die Bienen, da es sehr heiß war, in der Schachtel gewaltig an zu summen, und der Frau wurde ganz angst und bange, denn sie hatte oft genug gehört, daß das Gewitter auch zuweilen einschlage, und sie fürchtete jetzt, daß es auf einmal losbrechen und sie erschlagen könnte. Als sie daher auf die Höhe vor der Stadt kam, öffnete sie die Schachtel ein wenig, um dem Gewitter, dem es, wie sie dachte, drinnen zu heiß sei, etwas Luft zu machen; denn sie meinte, es wird ja wohl für Schöppenstädt genug übrig bleiben, wir sind ja dicht vor. Aber kaum hatte sie den Deckel etwas gehoben, da flog der ganze Schwarm heraus und zurück nach Braunschweig, und so viel sie auch rufen mochte: »Gewitter, Gewitter! hierher nach [150] Groß-Schöppenstädt,« das Gewitter flog fort und kam nicht wieder.

7. Wie die Schöppenstädter ein verlorenes Wort wiedersuchen.

Als die Schöppenstädter an ihrer Stadt, wie sie es anderwärts auch gesehen hatten, ein Thor bauten und nun damit fertig waren, da wußten sie nicht, wie sie das Ding nennen sollten, denn sie hatten wohl die Thore anderer Städte gesehen, aber es war ihnen nie eingefallen, zu fragen, wie man ein solches nenne. Da fiel ihnen denn ein, daß die klugen Braunschweiger ihnen wohl würden helfen können, wie sie es schon manches mal gethan, und sie schickten daher einen Boten dahin, um das Wort zu bekommen; damit er es aber nicht etwa unterwegs vergeße, trugen sie ihm auf, es sich nicht allein sagen, sondern auch auf einen Zettel schreiben zu laßen. Das geschah denn auch und der Bote trabte fröhlich nach Schöppenstädt zurück. Indeßen war es Abend geworden, und als er nahe an die Stadt kommt und das erste Licht sieht, da freut er sich so sehr, daß er das Wort vergißt; aber für den Fall hatte man sich ja vorgesehen, der Zettel war ja dazu da, und sogleich griff er nach demselben; aber o Jammer! den Zettel hatte er auch verloren. Da ging er denn betrübt nach der Stadt und verkündete seinen Unfall, und es wurde sogleich ausgerufen, der Zettel wäre fort, alles sollte sich aufmachen, ihn zu suchen. Da lief ganz Schöppenstädt mit Heugabeln und Mistforken herbei, um, da es bereits ganz finster geworden war, das verlorene Wort vielleicht wieder aufzugabeln. Aber lange stachen sie vergebens auf dem ganzen Wege umher, und der Bote mußte vorangehen und den Weg zeigen, den er genommen hatte, und von links und rechts stachen sie mit den Forken um ihn[151] herum, daß die Funken stoben. Da wollte es das Glück, daß in der Finsterniß einer dem Boten mit der Heugabel durch den Fuß stach, daß er laut aufschrie und die Schöppenstädter meinten, er habe das Wort oder den Zettel gefunden; aber bald sahen sie, daß es sich anders verhielt, und einer fragte mitleidig: »isset denn dôr?« (ist es denn durch). – »Dôr, dôr, dôr!« rief er vor Freuden und sein Schmerz war vergeßen, »so hieß das Ding!« und fröhlich kehrten die Schöppenstädter nach Hause zurück.

8. Wie die Schöppenstädter einen schiefen Kirchthurm bekommen.

Schon lange hatten die Schöppenstädter mit Freuden bemerkt, daß an dem Kirchthurm hoch oben das Gras mächtig zu wachsen beginne, und da sie gute Wirthe sind, beschloßen sie, es nicht umkommen zu laßen und es abzuweiden. Aber weßen Kühe sollten zuerst hinauf? das war ein schwieriger Punkt, darum machte einer den Vorschlag, man möge den Stadtbullen hinaufziehen, der solle sich einmal an dem Gräsig recht gütlich thun, so würden die Kälber im nächsten Jahre noch einmal so kräftig. So einen guten Vorschlag hatte noch keiner gemacht und augenblicklich legte man Hand an's Werk. Stricke wurden oben an der Spitze des Thurmes befestigt und unten dem Bullen um den Hals gelegt und nun zog alles was Hände hatte, und wie der Blitz war der Bulle oben und streckte die Zunge weit aus dem Maule. Da riefen sie freudig: »hei leckt schan! hei leckt schan!« aber er hatte auch zum letzten Male geleckt, denn er regte kein Glied mehr. Von dem gewaltigen Ziehen aber ist die Thurmspitze ganz schief geworden, und wer's nicht glauben will, der gehe hin und sehe selber zu.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. 175. Schöppenstädter Streiche. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C325-A