248. Zwerglöcher.

Mündlich.

1.

Wenn man den Fußsteig von Hermerode nach Wippra geht, kommt man zwischen zwei hohen Steinklippen hindurch, in denen sich kleine, fast viereckige Löcher befinden, die in den Fels tief hineingehen; das sind die Zwerglöcher, in denen ehemals die Zwerge gewohnt haben, die von dort aus auch einen Gang nach Popperode durchgearbeitet [223] haben, auf welchem sie die Brote und anderes, was sie den Popperödern wegnahmen, in Sicherheit brachten. Auch am Bucksberg bei Derenburg zeigt man ein solches Zwergenloch, worin ehedem ein Zwerg gewohnt, der von dort einen Gang bis auf den Quedlinburger Markt gehabt.

2.

In den Kalklöchern zwischen Sachsa und Walkenrieth haben ehemals auch Zwerge gehaust, die haben den Menschen die Kinder gestohlen und sie dann gebraten, und ihnen auch sonst vielen Schaden sowohl an den Feldern als am Vieh gethan. Man hat sie aber nie sehen können, weil ihre Nebelkappen sie unsichtbar machten. Namentlich haben sie auf den Mühlen ihr Wesen getrieben und das Mehl und Brot weggeschleppt, bis man endlich angefangen, Kümmel zu mahlen und in's Brot zu backen, da sind sie fortgeblieben. Das ist aber so gekommen.

Eines Sonntags Morgens geht mal ein Bauer an seinem Erbsenfeld entlang und sieht, was ihm die Zwerge wieder für Schaden gethan haben, und wie er so mit seinem Stocke unter den Erbsranken umherstöbert, steht auf einmal ein Zwerg vor ihm, dem er die Nebelkappe abgeschlagen hat. Der bittet ihn ganz jämmerlich, er möge ihm doch das Leben schenken, er wolle ihm auch sagen, wie man die Zwerge los werden könne; sie sollten nämlich Kümmel in's Brot backen, das könnten jene nicht vertragen und würden abziehen. Dann solle er auf der Straße nach Sachsa eine große Braupfanne aufstellen, in die würde jeder Abziehende etwas hineinwerfen, da könne man denn sehen, wie viel ihrer seien. Das hat der Bauer alles gethan, und als er am Abend die Braupfanne aufgestellt, ist sie andern Morgens bis zum Rande mit kleiner Münze angefüllt gewesen.


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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. 248. Zwerglöcher. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C514-F