388. Spuk am Heukenberge.

Mündlich.


In dem Grunde vor dem Heukenberge bei Merxhausen fließt ein kleines Waßer, in dem hat man schon oft einen großen Fisch mit Schlüßeln um den Hals gefangen; aber so oft man ihn hat zubereiten wollen, hat man ihn wieder an seine Stelle zurückbringen müßen.

Ein anderer erzählte: Vor vielen Jahren hat sich zu Merxhausen bei Dassel auf Lindemann's Hofe ein Spuk (speukeding) aufgehalten, das dort gewaltigen Unfug angerichtet. Es hat in einer finstern Bodenkammer geseßen, die niemand hat öffnen dürfen, und oft hat man es abends rufen hören: »Hänsken låt anchån«; dann sind plötzlich Steckrüben, Kartoffeln und was sonst im Keller gelegen hat, daraus hervorgeflogen, die sind ganz glühend gewesen; hat aber einer etwas davon aufgehoben, so hat er sich nicht nur nicht verbrannt, sondern auch weder Rüben noch Kartoffeln, sondern Pferdemist oder dergleichen in den Händen gehabt. Die Leute auf dem Hofe haben es endlich vor allen den Plackereien [349] nicht mehr aushalten können und sind nach Heßen's Hofe gezogen, haben gemeint, sie würden das Speukeding da loswerden, aber bald ist die alte Wirthschaft wieder losgegangen, sodaß sie's auch da nicht mehr haben ertragen mögen und nach Hainade, dem nächsten Dorfe, gezogen sind. Wie sie nun mit ihrem ganzen Hausrath unterwegs sind und Gott danken, daß sie das böse Ding einmal los seien, da sehen sie es auf einmal lustig hinter dem Wagen hertrotten und haben nun wol eingesehen, daß sie seiner auf gewöhnliche Weise nicht loswerden könnten. Darum haben sie einen Pater kommen laßen, der hat es in den Bach, der die Papiermühle unter dem Heukenberge treibt, als Fisch bannen müßen, und da sitzt es heute noch. Mancher hat ihn schon dort gefangen, aber er hat stets, sobald man ihn fortgetragen, ein gewaltiges Toben erhoben und gewaltig gedräut, wenn man ihn nicht zurückbringe, werde es schlecht gehen u. dgl. m. Darum ist er immer wieder zurückgebracht worden und man kann ihn sehr leicht erkennen, da er einen rothen Ring wie einen Kragen um den Hals trägt.


Heukenberg ist Häukenberg oder Hödekenberg, führt also offenbar von dem Kobold Hütchen, Hödeken, Häuken seinen Namen; er ist demnach als der ursprüngliche Sitz desselben anzusehen; vgl. den hildesheimschenHans met häutken, Norddeutsche Sagen, Nr. 282 mit der Anm., und Seifart, Hildesheimer Sagen, Nr. 23, und über den Kobold Hütchen noch Simrock, Mythologie, S. 481 fg.; über häuken = hütchen vgl. noch Woeste, Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, II, 209. Zum Mitzuge des Kobolds vgl. Norddeutsche Sagen, Nr. 86, 3. 4.; Grimm, Mythologie, S. 480; Simrock, Mythologie, S. 484; zum Fisch Norddeutsche Sagen, Nr. 87; auch Robin Goodfellow wandelt sich in einen Fisch, vgl. The ignis fatuus, S. 10. Die Bedrohung dessen, der ihn fortträgt, stimmt zu Nr. 362-364 und den dort angeführten Sagen; die Schlüßel finden sich auch beim Welthunde, Norddeutsche Sagen, Nr. 287; vgl. Colshorn, [350] Märchen u. Sagen, Nr. 35, und bei der weißen Frau, vgl. namentlich oben zu Nr. 383, 384. Aehnliche Koboldsagen noch bei Meier, Schwäbische Sagen, Nr. 85, 298. Ein Fisch bei Baader, Nr. 80, trägt Schlüßel um den Hals, welche zu der Kiste gehören, in der der Schatz sieben unschuldig verbrannter Jungfrauen verborgen ist; ein Hecht trägt den Schlüßel am Bande, mit dessen Hülfe die im Pfrentschweiher versunkene Stadt wieder emporgehoben werden kann, Schöppner, III, 1095. Ein großer Fisch, bald Karpf, bald Hecht, in der Naab bei Pfreimdt, hat den Schlüßel zum größten Schatz in Europa, welcher in Abelrang, einem Fels zwischen Pfreimdt und Nabburg verborgen ist, Panzer, II, 191, Nr. 329. Einem Hecht von ungewöhnlicher Größe im Egelisee bindet der fischende Müller einen rothen Faden um den Hals und läßt ihn wieder schwimmen, worauf er in der Reuß wieder zum Vorschein kommt, Rochholz, I, Nr. 8. – In dem letzten Zuge, daß nämlich der als Fisch gefangene Kobold wieder zurückgebracht zu werden verlangt, schließt sich die Sage an die von dem einäugigen Hecht, oben Nr. 362-364, und die in der Anmerkung beigebrachten andern Versionen dieser Sage.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Erster Theil. Sagen. 388. Spuk am Heukenberge. 388. Spuk am Heukenberge. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C6BC-F