310. Der Helljäger und das Hellhaus.

Mündlich.

1.

Früher hat man in den Gegenden zwischen Weser und Elbe noch oft den Helljäger durch die Luft ziehen hören, und zwar besonders in der Zeit zwischen Weihnachten und Großneujahr; man hat dann besonders dafür gesorgt, daß am Christabend nach Sonnenuntergang das Haus geschloßen und namentlich das große Thor an der Diele zugemacht war, und selten wagte es einer noch nach Sonnenuntergang hinauszugehn.

2.

In Ostenholz steht ein Haus, das nennt man ringsum in der Gegend das Hellhaus; da hatten sie mal am Christabend nach Sonnenuntergang die Thore zu schließen [275] vergeßen, und als nun der Helljäger drüber fortzog, lief einer seiner Hunde hinein, und legte sich unter die Bank am Heerd und war durch nichts fortzubringen. Hier hat er ein ganzes Jahr gelegen und hat nichts gefreßen; nur alle Morgen hat er die Asche vom Heerde abgeleckt. Als aber das Jahr um gewesen und die Zwölften wieder da waren, da hat man, als der Helljäger wieder vorüberzog, das Thor aufgemacht und der hat den Hund wieder mitgenommen.

Auch an vielen andern Orten in den Wesergegenden erzählt man diese Sage von dem Hunde; so heißt es in Hoya, der Hund hätte, wenn sich die Leute gewaschen, schwarze, wenn sie es aber nicht gethan, glühende Kohlen gefreßen, und in Stöckse bei Nienburg erzählt man, wenn der Hund ins Haus laufe, so werde er, sobald die Zwölften vorüber seien, zu Stein und bleibe es bis zum nächsten Jahr um dieselbe Zeit. Auch in Moorhausen bei Oldenburg erzählt man dasselbe, und sagt, wenn nun der Helljäger nach Jahresfrist wieder komme, so pfeife er und auf springe der Hund und ziehe im Augenblick wieder mit der wilden Meute weiter.

3.

Da wo jetzt das Hellhaus in Ostenholz steht, hat vor langen Jahren einer gewohnt, dessen Sohn ist mit andern am heiligen Christabend auf einer großen Jagd gewesen; da hat er ein Reh verfolgt und gesagt, wenn er das schießen thäte, so wolle er ewig alle Christabend jagen. Da hat er's denn auch geschoßen, aber er hat auch nach seinem Tode alle Christabend jagen müßen und das ist der Helljäger, und das Haus, in dem er bei seinen Lebzeiten gewohnt, ist das Hellhaus. Wenn nun aber der Christabend herangekommen und der Helljäger umgezogen ist, hat der Wirth des Hellhauses jedesmal eine Kuh hinauslaßen [276] müßen und die ist, sobald sie nur draußen war, verschwunden gewesen; welche Kuh das aber jedesmal sein mußte, hat man schon vorher ganz genau wißen können, denn wenn es so um den Michaelis- oder Martinstag gekommen, hat sich die Kuh, welche an der Reihe war, zusehends vernommen und ist endlich bis zum Christabend die fetteste im ganzen Stall geworden. Das hat man denn so die ersten vier oder fünf Jahre nach dem Tode des Wirthssohnes gehalten, und hat jedesmal am Christabend die Kuh hinausgelaßen, aber endlich ist es ihnen doch zu lästig geworden und sie haben es nicht mehr thun wollen. Als nun der Helljäger am Christabend des nächsten Jahres wieder vorbeigekommen, haben sie das Haus fest zugemacht; aber da ist ein Lärmen und Toben um dasselbe herum entstanden, das ist fürchterlich gewesen, die Hunde des Helljägers sind heulend und schnuppernd um und um gelaufen, und die Kuh, welche an der Reihe war, ist im Stall wie rasend geworden, und hat sich mit den Vorderfüßen hoch aufgerichtet und ist die Staken hinaufgesprungen, und soviel sie sie auch geschlagen, es hat alles nichts geholfen, sie hat sich nicht zur Ruhe begeben wollen. Da haben's die Leute im Hause nicht länger aushalten können, haben das Thier los und das Thor aufgemacht und gesagt: »na so lauf in Dreiteufels Namen!« und da ist sie sogleich fortgewesen; aber seit der Zeit ist auch der Helljäger nicht wieder gekommen.

4.

In Moorhausen bei Oldenburg erzählt man, der wilde Jäger sei auch schon bei seinen Lebzeiten ein großer Jäger gewesen und habe gesagt, wenn der liebe Herrgott ihm die Jagd ließe, so wolle er ihm seinen Himmel laßen, und so müße er denn nun ewig jagen. Früher [277] erzählte man noch viel von ihm, auch daß ihm einer einmal nachgeschrieen, und er dem einen Pferdeschinken herabgeworfen habe.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. 310. Der Helljäger und das Hellhaus. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-CABD-F