314. Das Oldenburger Horn.

Mündlich.


Mal ist Graf Anton Günther auf die Jagd geritten, hat sich im Eifer der Verfolgung etwas weit von seinem Gefolge entfernt und ist zum Osenberge unweit Oldenburg gekommen. Der schnelle Ritt hatte ihn dürsten gemacht, und da mußte es sich auch grade treffen, daß sich, als er vor dem Berge stand, derselbe offen that und eine Jungfrau heraustrat, die ihm aus einem prächtigen Horne zu trinken bot. Der Graf aber hat das Horn mit der Rechten ergriffen, sich mit der Linken schnell in den Sattel geschwungen, hat das Getränk ihm über das Haupt weg rückwärts verschüttet und ist eilig davongeritten. In der Ferne hat er noch das Klagen der Jungfer gehört, hat noch einmal umgeschaut und gesehen, wie sich der Berg wieder geöffnet und die Jungfer verschwunden ist. An der Stelle aber, wo der verschüttete Trank sein Pferd getroffen, sind alle Haare wie fortgesengt [280] gewesen. Das Horn hat er mit sich genommen und es ist lange zum ewigen Andenken an die wunderbare Begebenheit in Oldenburg bewahrt worden, bis es später in die hannoversche Kunstkammer gekommen; besonders wunderbar ist aber noch an demselben, daß die Spitze desselben abgebrochen ist und alle Gold- und Silberschmiede sich vergeblich bemüht haben, sie wieder anzusetzen, denn es ist von einem Metall, das kein Mensch kennt.


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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. 314. Das Oldenburger Horn. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-CDDC-4