[13] 16. Die Hofgarbe und der Hotteschimmel.

Mündlich.


Bis auf den heutigen Tag müßen gewisse Höfe, namentlich zu Kirchdorf, bei der Ernte eine sogenannte Hofgarbe an das Amt zu Uchte geben. Es ist nämlich einmal ein Amtmann zu Uchte gewesen, den die Bauern gern gemocht haben, da er ihnen manches Gute erzeigt hat und stets freundlich zu ihnen gewesen ist; darum haben sie denn an einem Tage beschloßen, sich zusammen nach Uchte auf den Weg zu machen und dem Amtmann jeder eine Gabe zum Geschenk zu bringen. Zu dieser Zeit lebte nun in Kirchdorf ein Bauer auf Rüter's Hofe, der war, was man so wol einen dråemelaer zu nennen pflegt, und darum kam er immer zu spät; als daher alle versammelt waren, fehlte Rüter noch, und als sie bei seinem Hofe vorüberkamen und ihn aufforderten mitzukommen, sagte er ihnen, sie sollten nur voranfahren, er wolle schon nachkommen. Damit fuhren sie ab; Rüter aber hatte erst noch dies und das am Wagen und Geschirr ins Geschick zu bringen und erst als alles in Ordnung war, brach er auf. Er hatte noch nicht die Hälfte des Wegs nach Uchte zurückgelegt, da kamen schon die andern zurück und erzählten ihm, wie gar freundlich der Amtmann gewesen und wie sie alle noch zuletzt einen Schnaps erhalten hätten. Rüter hörte das alles ruhig mit an und fragte endlich nur: »Hätter't denn ôk upskrêwen?« – »Jåwal hätter't upskrêwen«, riefen sie. Da rief Rüter: »Hotteschimmel«, machte mit seinem Wagen kehrt und fuhr mit den übrigen Bauern heim. Seitdem wurde aus der freiwilligen Gabe eine Zwangsabgabe und nur Rüter [14] ist davon bis auf heute noch frei; darum nennt man seine Nachfolger wol auch jetzt noch Hotteschimmel.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. 16. Die Hofgarbe und der Hotteschimmel. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-D003-B