[336] 10. Die beiden gleichen Brüder.

Mündlich aus Nordhausen und Lautenthal.


Es ist einmal ein Fischmeister gewesen, der ist hinausgegangen an den Teich, um zu fischen, und wie er sein Netz hinunterläßt, da wird's auf einmal so schwer, daß er meint, es habe sich ein großer Fisch gefangen, und es in die Höhe zieht; da ist aber kein Fisch drin, sondern ein verdecktes Töpfchen. Das kömmt ihm doch wunderlich vor und er nimmt das Töpfchen heraus und den Deckel ab, da steigt daraus ein dicker rother Nebel hervor, und ehe er sichs versieht, steht ein großer, allmächtiger Kerl hinter dem Nebel, der sagt: »Fischmeister, thu mich wieder ins Töpfchen, sonst geht's nicht gut!« Aber der Fischmeister sagt: »Wie kann ich dich denn in's Töpfchen hineinbringen, du bist ja so groß und das Töpfchen ist doch nur ganz klein?« Doch der große Mann sagt: »Versuch's nur, es wird schon gehen und soll dein Schade nicht sein; und bringst du mich hinein, so sollst du nachher so viel Fische fangen, wie du noch nie gefangen hast, und in dem Netz wird auch ein Kästchen liegen, das theile in sechs Theile und gib einen deiner Frau, einen deinem Pferde, einen deinem Hunde und die andern drei vergrab' unter der Dachtraufe. Hüte dich aber, daß du, ehe du daheim bist, ins Kästchen siehst!« Da packte der Fischmeister in den Nebel und drückte ihn mit beiden Händen nieder, und wie er so recht drückte, war er auf einmal wieder im Töpfchen und da nahm er schnell den Deckel, deckte es wieder zu und warf es in's Waßer, wie ihm der Mann gesagt hatte.

Als er nun aber sein Netz wieder in die Höhe zog, da fing er soviel Fische, ach! soviel, daß er das Netz kaum heraufziehen konnte und ganz unten war auch das [337] Kästchen drin. Da war er denn sehr froh und ging nach Hause, aber wie er so eine Weile fortgegangen war, konnte er seine Neugierde kaum noch bezähmen und dachte: »'s Leben wird's ja wohl nicht kosten, willst einmal hineinsehen«; und wie er das gedacht hatte, da hatte er die Hand auch schon am Deckel und klappte ihn auf, aber wie er hineinsehen will, ist er auf einmal blind. Da war er denn gar betrübt und tappte sich auf dem Wege, den er wohl hunderttausendmal gegangen, glücklich nach Hause, und hier erzählte er seiner Frau alles, was ihm begegnet war, und wie's ihm zuletzt, da er gemeint, recht glücklich zu sein, so gar schlimm ergangen. »Aber wie der Mann es geheißen, müßen wir doch alles thun, sagte er, sonst möcht's zuletzt noch schlimmer kommen.« Drauf theilt er das Kästchen in sechs Theile, gibt einen seiner Frau, einen seinem Pferd und einen sei nem Hunde, die andern drei aber vergräbt er unter der Dachtraufe; und da geht kein Jahr herum, so gebärt seine Frau zwei Jungen, die sehn sich so ähnlich, daß man sie gar nicht unterscheiden kann, und sein Pferd bekommt zwei Fohlen und der Hund zwei Junge, und unter der Dachtraufe wachsen gar zwei Säbel, zwei Pistolen und zwei Gewehre hervor, und wie das alles da ist, da hat auch der Fischmeister sein Gesicht wieder und freut sich nun recht aus Herzensgrunde.

Als die Knaben nun aber erwachsen waren, sagte der Fischmeister zu ihnen: »Immer könnt ihr nicht zu Haus bleiben, drum zieht hin in die weite Welt und versucht euch etwas.« Und damit gab er jedem ein Pferd, einen Hund, einen Säbel, ein Gewehr und eine Pistole, und nun nahmen sie Abschied von ihren Aeltern und zogen davon. Eine große Strecke waren sie da schon so zusammengeritten, da kamen sie in einen dichten Wald und der eine sagte zum andern: »Bruder, mich hungert gar [338] zu sehr; das erste, was da kommt, wollen wir schießen.« Kaum hatte er das gesagt, so kam ein Bär dahergebrummt; da legte er an, aber der Bär richtete sich auf und sagte: »Lieber Jäger, schieß mich nicht, ich will dir auch zwei Junge bringen.« Da ließ er sein Rohr niedersinken und indem sprang auch der Bär schon fort, und kam sogleich mit zwei jungen Bären wieder. Sie zogen nun wieder weiter, aber nach einer Strecke sagte der erste wieder zum zweiten: »Bruder, mich hungert gar zu sehr; das erste, was nun kommt, wollen wir schießen.« Wie er das gesagt hatte, kam ein Wolf daher, da legte er seine Flinte an und wollte schießen, aber indem öffnete der Wolf seinen Rachen und sagte: »Lieber Jäger, schieß mich nicht, ich will dir auch zwei Junge bringen.« Da sprang er fort und kam sogleich mit zwei jungen Wölflein wieder und nun zogen sie weiter und die beiden Bären und die beiden Wölfe folgten ihnen mit den beiden Hunden hinten nach. Nachdem sie schon eine große Strecke weiter geritten waren, sagte der erste wieder zum zweiten: »Bruder, mich hungert gar zu sehr; das erste, was da kommt, wollen wir schießen.« Da kam ein Löwe daher, und der älteste wollte ihn schießen; aber er sagte wie der Bär und der Wolf: »Lieber Jäger, schieß mich nicht, ich will dir auch zwei Junge bringen« und da lief er fort und kam sogleich mit zwei jungen Löwen wieder. Nun hatte jeder ein Pferd, einen Hund, einen Bären, einen Wolf und einen Löwen und so ritten sie nun weiter im Walde, bis sie endlich an einen großen Baum kamen, der grade an einem Kreuzweg stand; da sagte der eine zum andern: »Lieber Bruder, ewig können wir doch nicht bei einander bleiben, ich will links gehen, gehe du rechts. Hier in diesen Baum stech' ich aber mein Meßer, über's Jahr wollen wir uns hier wieder treffen; ist aber einer von uns noch nicht da, so wollen [339] wir nach der Klinge sehn, ob sie verrostet ist, dann wird's ein Zeichen sein, daß er todt ist.« Darauf umarmten sie sich noch einmal und jeder zog seine Straße. Der aber, welcher rechts gegangen war, kam bald darauf aus dem Walde in eine große Stadt, da läutete man mit allen Glocken und das nahm gar kein Ende, und die ganze Stadt war mit schwarzem Tuch behangen, daß es ihn groß Wunder nahm, was doch das alles bedeute, und er den Wirth in der Herberge fragte, ob der König des Landes gestorben sei. Der Wirth aber sagte ihm, nicht der König sei gestorben, aber morgen sei der Tag, da werde die Königstochter an vierzehn Riesen ausgeliefert, damit sie von einem Drachen mit vierzehn Köpfen gefreßen werde. Geschehe es nicht, so werde großes Unglück über das Land kommen. Der König habe auch schon lange ausrufen laßen, daß, wer die Riesen zwinge und den Drachen erschlage, den solle die Königstochter haben und nach seinem Tode das Reich dazu; aber so viele Ritter es auch schon versucht, sie seien alle umgekommen und morgen sei nun der Tag, wo die Königstochter den Riesen ausgeliefert werden solle. Als der Jäger das hörte, ging er am andern Morgen hin zum König und sagte: »Gnädigster Herr König, ich will hinziehen und mit den Riesen kämpfen; seid unbesorgt um eure Tochter, ich werde sie schon zwingen und wären ihrer noch einmal so viel!« Da sagte der König, es seien schon ganz andere vor ihm da gewesen und die hätten's nicht vermocht, und er möge das unnütze Blutvergießen nicht mehr; aber er bestand darauf und zog hinauf an den Drachenberg und die Königstochter fuhr in einem Wagen, der war schwarz behangen, auch hinauf. Als er nun oben ankam, stürzte sogleich ein Riese auf ihn los und rief ihm hohnlachend entgegen: »Du Erdwürmchen, was willst du doch hier?« stieß ihn auch, daß er [340] fast hingefallen wäre; aber er beräppelte sich schnell wieder und hieb mit seinem Säbel dem Riesen einen Arm ab und die Thiere sprangen auch hinzu und warfen ihn zur Erde; da schlug ihm der Jäger den Kopf ab und zog den Berg weiter hinauf und ein anderer Riese kam und auch den schlug er und so alle bis auf den vierzehnten. Als der am Boden lag und sah, daß alle die übrigen Riesen schon erschlagen waren, da fiel ihm der Muth in die Asche und er bat den Jäger demüthig, er möge ihm doch das Leben schenken, dann wolle er ihm auch zeigen, wo der Schlüßel zur Drachenhöhle hange. Da schenkte ihm der Jäger das Leben und ließ sich von ihm zu dem Busch führen, wo der Schlüßel zur Drachenhöhle hing. Da sah er ihn denn an einem Steine hangen, aber vor demselben wuchs eine Pflanze, deren Zweige hatten sich zu einem ordentlichen Gitter in einander geschlungen, und diese Pflanze war so giftig, daß, wer sie nur berührte, augenblicklich sterben mußte. Ganz behutsam steckte er darum nur zwei Finger hindurch, um den Schlüßel herabzunehmen, aber in demselben Augenblick gab ihm der Riese einen Stoß, daß er fast ein Blatt berührt hätte; jedoch zog er noch eiligst den Finger zurück und griff nach seinem Säbel, ging auf den Riesen los, die Thiere rißen ihn nieder und nun mußte der Riese selber den Schlüßel herausholen, und als er das gethan hatte, hetzte ihm der Jäger die Thiere an den Leib und schlug ihm den Kopf ab. Drauf ging er zum Drachenhause, da saß ein altes Weib vor der Thür, die wollte ihn nicht heranlaßen; aber er schlug ihr den Kopf ab und schloß auf, und wie der Blitz fuhr der Drache heraus mit seinen vierzehn Köpfen und spie Feuer und Flammen, so daß ihm der Muth fast in die Asche fiel; aber er rief seine Thiere herbei, die rißen ihn sogleich zur Erde und da schlug er ihm die vierzehn Köpfe ab. Nun ging er zurück, wo die [341] Königstochter noch in ihrem schwarzen Wagen saß, und verkündete ihr, daß er die Riesen und den Drachen erschlagen und sie nun erlöst sei. Da sollte er gleich mit ihr umkehren zur Stadt, daß Hochzeit wäre; aber er sagte: »Noch bin ich zu jung, ich will mir erst noch ein Jahr was in der Welt versuchen, aber dann komme ich wieder.« Da gibt sie ihm denn zum Andenken ihr Tuch, und er schneidet dem Drachen die Zungen aus, wickelt sie hinein und zieht mit seinen Thieren fort. Als die Königstochter nun aber heimkehren will, da bedroht sie der Kutscher, der alles von fern mit angesehen hatte, und sagt, er werde sie erstechen, wenn sie nicht aussage, daß er die Riesen und den Drachen erschlagen, und dann müße sie ihn heirathen. Da weint und jammert sie sehr, aber sie kann ihn nicht erweichen, und endlich verspricht sie alles zu thun, damit sie nur mit dem Leben davonkomme. Nun fahren sie heim, und als sie in die Stadt kommen, da ist große Freude und der König kommt ihnen entgegen, und der Kutscher erzählt, wie er die Riesen und den Drachen erschlagen und so die Königstochter erlöst habe. Da sollte nun gleich Hochzeit sein, aber die Königstochter bat ihren Vater, daß er ihr doch erlaube, noch ein Jahr zu warten, die Angst vor dem Tode hätte sie so geschwächt, sie möchte sich doch erst ein wenig wieder erholen. Da gestattete es ihr der Vater, aber als das Jahr um war, grade an dem nämlichen Tag, da ward die Hochzeit veranstaltet. Und alle Glocken gingen wieder in der Stadt und es summte vom frühen Morgen an und alle Häuser waren mit rothen Teppichen behangen und überall war Freude und Jubel. Da kam auch der Jäger mit seinen Thieren herbei und als er in die Herberge kam, fragte er den Wirth, was doch das alles bedeute. Der erzählte ihm »heute sei es ein Jahr, da habe der Kutscher des Königs die Riesen und den[342] Drachen erschlagen, der die Königstochter freßen sollen, und nun habe er mit ihr Hochzeit.« Da sagte der Jäger zum Wirth: »Da muß ich auch Braten von der Hochzeit haben,« aber der Wirth sah ihn über die Achsel an und sprach: »Da möchte ich wohl hundert Thaler wetten, daß ihr den nicht bekommt, denn ich wüßte nicht, wie ihr's anfangen wolltet.« Aber der Jäger sagte: »Gilt die Wette?« – »Ja,« sagte der Wirth. Da schickt er seinen Bär hin zum Palast des Königs, der läuft die Kreuz und Quer, und rennt hier gegen eine Frau, da gegen einen Mann, aber endlich kommt er doch in's Schloß, stellt sich hinter den Stuhl der Königstochter und fängt an ganz leise zu brummen; da sieht sie sich um und erkennt mit Freuden den Bären ihres Jägers. Nun geht sie mit ihm hinaus in ihre Kammer und fragt ihn, was er begehre. Der Bär erzählt ihr, sein Herr sei in die Stadt gekommen und wünsche Braten von der Tafel des Königs zu haben; sogleich befiehlt sie dem Koch, daß er dem Bären eine ganze Schüßel voll herbringe und damit geht der Bär lustig brummend von dannen und zurück ins Wirthshaus. »Nun«, sagt der Jäger, »Herr Wirth, die Wette habt ihr verloren; aber ich will auch noch Kuchen, wie ihn der König selber ißt, haben!« »Nein«, sagt der Wirth, »das könnt ihr nicht, da setze ich mein ganzes Haus gegen!« »Gut!« sagt der Jäger und schickt den Wolf hin in's Schloß, der läuft ohne viel Besinnen grade aus, und wie ihn die Schildwacht am Eingang zurückhalten will, da rennt er sie über den Haufen und springt die Treppen hinauf. Hier wird die Königstochter sogleich seiner ansichtig und fragt ihn, was sein Begehren sei. Da sagt er ihr, der Jäger wünsche von dem Kuchen zu haben, den der König selber eße; wie er aber so mit ihr spricht, wird ihn der König gewahr und fragt seine Tochter, was das Thier[343] hier wolle, da erzählt sie ihrem Vater sein Anliegen und der befiehlt, daß sogleich einer hingehn solle und den Jäger selber holen. Als der nun kommt, wird er gar freundlich von dem König empfangen, denn so hatte es ihm die Tochter gerathen, und mußte sich obenan an die Tafel dicht neben den König setzen. Da aßen sie nun und tranken, und als zuletzt auch die Drachenköpfe auf den Tisch gesetzt wurden, sagte der Jäger: »Das sind ja gräuliche Thiere, ob die auch wohl Zungen haben?« »Ja wohl,« sagte der König, »Zungen müßen sie auch haben, denn womit sollten sie sonst das Feuer ausspeien.« »Nein,« sagte der Kutscher, »Zungen haben sie nicht!« Da holt der Jäger das Tuch heraus, welches ihm die Prinzeßin zum Andenken gegeben, und daraus die Zungen der vierzehn Drachenköpfe hervor, öffnete die Rachen und legte sie hinein und sie paßten alle ganz genau. Als das der Kutscher sah, fiel er ohnmächtig um und wurde hinausgetragen, der Jäger aber hielt nun Hochzeit mit der Königstochter, und als die vorüber war, wurde der Kutscher in ein mit eisernen Nägeln ausgeschlagenes Faß geworfen und einen steilen Berg hinuntergerollt.

Einige Tage drauf steht der Jäger einmal in der Nacht auf, da sieht er aus seinem Fenster in dem nahen Walde ein Feuer brennen, und da wird er so neugierig, daß er mit seinen Thieren hinauszieht, um zu sehen, was es sei. Eine weite Strecke ist er schon fort, da findet er ein altes Weib an einem Feuer, die ruft immer: »Deine Thiere thun mir was, deine Thiere thun mir was!« aber er sagt ihr, sie solle nicht fürchten, seine Thiere würden ihr kein Härchen krümmen; sie jedoch gibt ihm eine Ruthe und bittet ihn, daß er seine Thiere damit schlagen möge, damit sie ihr nicht zu nahe kämen. Da thut er's auch, aber im selben Augenblick sind auch die Thiere schon in [344] Stein verwandelt, und ihn selbst schlägt die Alte ebenfalls, da ist er auch eine steinerne Bildsäule.

Als nun der Gemahl der Königstochter gar nicht wiederkam, war große Trauer im Schloße und in der ganzen Stadt, und es wurde wieder mit allen Glocken geläutet und alle Häuser wurden mit schwarzem Tuch ausgeschlagen und die Königstochter weinte Tag und Nacht. Um dieselbe Zeit nun war aber der andre Bruder wieder an den großen Baum im Walde gekommen und hatte gesehn, daß das Meßer auf der Seite, nach welcher sein Bruder hingezogen, schon halb verrostet war; da fürchtete er, daß ihm ein großes Unglück wiederfahren sei, und zog nach derselben Richtung fort, die sein Bruder genommen. Da kam er denn auch in die Stadt, und als er mit seinen Thieren in's Thor trat, war sogleich große Freude und er mußte mit auf's Schloß, wo ihm die Prinzeßin um den Hals fiel und sagte: »Wie freue ich mich, daß du wieder da bist; ich glaubte, du seiest verunglückt und würdest nimmer wiederkehren.« Da merkte er denn wohl, daß hier eine Verwechslung stattfinde und er für seinen Bruder gehalten werde; aber er ließ alles ruhig geschehn, weil er dachte, vielleicht, daß du da so erfährst, wohin er gegangen, und ihn noch retten kannst. Als es aber Abends zum Schlafengehen kommt, da legt er sich zu der Prinzeßin in's Bett, aber zwischen sich und sie legt er seinen Säbel und darüber noch kreuzweis seine Pistolen; darüber verwundert sich die Prinzeßin sehr und wird ganz traurig, nach einer Weile jedoch wird sie still und schläft ein. In der Nacht aber läßt es dem zweiten Bruder gar keine Ruhe und er steht auf und tritt an's Fenster; da sieht er auch wie der erste das Feuer brennen, zieht mit seinen Thieren hinaus und trifft die Alte. Die sagt zu ihm: »deine Thiere thun mir was, deine Thiere thun mir was!« und [345] will ihm eine Ruthe geben, daß er sie anschlage, aber er hat am Wege die versteinerten Thiere stehn sehen, zieht sogleich seinen Säbel und sagt: »warte, du verfluchte Hexe, du hast gewiß meinen lieben Bruder todt gemacht!« und damit will er ihr den Kopf abhauen, da fällt sie ihm zu Füßen und bittet himmelhoch, er möge ihr doch das Leben schenken, sein Bruder solle ja auch sogleich wieder lebendig sein. Da thut er's und nun gibt sie ihm eine Flasche und sagt ihm, daraus solle er ein Paar Tropfen auf die Steine gießen, das thut er und sogleich sind sein Bruder und die Thiere wieder lebendig. Da umarmten sie sich beide und freuten sich so recht sehr, daß sie einander wiedersahen, der eine aber sagte zum andern: »Die alte böse Hexe dürfen wir nicht leben laßen, daß sie nicht noch mehr Unglück anrichte«, und sogleich packte er sie und warf sie ins Feuer; aber obgleich sie mitten in demselben lag, blieb sie doch unversehrt, und da merkten sie denn wohl, daß sie irgend einen Zauber bei sich tragen müße, holten sie noch einmal heraus und rißen ihr die Kleider vom Leibe; und als sie ihr die Kappe vom Kopfe zogen, da flog der Teufel drunter hervor; sogleich warfen sie sie wieder in's Feuer und nun brannte sie lichterloh. Darauf gingen sie beide zurück zur Stadt und erzählten einander, wie es ihnen, seit sie sich nicht gesehen, ergangen sei, und der zweite erzählte dem ersten, wie er ans Thor gekommen sei und man ihn jubelnd auf's Schloß geführt und wie ihn die Prinzeßin umarmt und er mit ihr zu Bett gegangen. Als das aber der erste hörte, ward er so zornig, daß er seinem Bruder sogleich das Haupt abschlug; allein wie er nun so todt vor ihm lag und er daran dachte, daß er ihm ja sein eigenes Leben zu verdanken habe, da gereute ihn seine That und es fielen ihm die Tropfen, welche sein Bruder von der Hexe erhalten hatte, ein; sogleich nahm er das Fläschchen hervor, [346] setzte seinem Bruder den Kopf auf den Rumpf und goß ein Paar Tropfen aus der Flasche darauf, da war er sogleich wieder lebendig und sie zogen nun zurück zum Schloß; der erste Bruder aber wurde, als der Vater der Prinzeßin starb, König im Lande, und den zweiten machte er zu seinem obersten General.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche. B. Märchen. 10. Die beiden gleichen Brüder. 10. Die beiden gleichen Brüder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-D23A-3