479.

Am ersten Pfingsttag zieht man aus Barbis nach dem Einhornloch bei Scharzfeld hinauf und sammelt hier ein kleines Kraut »Andermannhansch« genannt, welches gelbe Blumen und kleine, feine Blätter hat; wenn man es an diesem Tage pflückt und Thee davon kocht, ist es ganz besonders fürs Vieh gut. Andere steigen dann auch in die Höhle hinab, indem sie einen Faden vorn an der Höhle befestigen und ihn mit sich nehmen; man soll zuletzt in derselben bis zu einem fließenden Waßer kommen, über welches sogar ein Steg führe; gesehen hatte ihn indeß der Kuhhirt aus Barbis noch nicht, da er noch nicht so weit gewesen war.


Andermannhansch ist wol »Allermannsharnisch«? ein zauberkräftiges Allermannsherrenkraut, bei Pröhle, Harzsagen, S. 206; Allermwannsharnisch, allium victoriale oder victorialis longa, gegen Verhexen des Viehes gebraucht, bei Stöber, Elsäßer Sagen, Nr. 222; Allermannsharnisch macht auch schußfest und stillt das Blut, Zingerle in Wolf, Zeitschrift, I, 331. Zu Himmelfahrt wird das Allermannsherrenkraut gesucht, es bringt Glück für Menschen und Vieh und wirkt besonders, daß die Mädchen, wol in demselben Jahre noch, einen Bräutigam bekommen. Darum sagen die Mädchen auch:


»Dat Allermannsheeren, dat böse krût, dat heww ik esocht, un bin doch noch keine brût.«


[170] Auch gegen böse Geister gewährt das Kraut Schutz; Pröhle, Harzbilder, S. 84. Nach dem Gutachten eines Sachverständigen bei demselben ist Allermannsherren und Allermannsharnisch dasselbe, auch Siegwurz genannt, in der alten Botanik gladiolus luteus, jetzt Iris pseudacorus genannt; das würde zu den gelben Blumen aber nicht zu den kleinen, feinen Blättern stimmen, der Kuhhirt zu Barbis scheint deshalb ein anderes Kraut gemeint zu haben; dagegen nennt Schubert, Lehrbuch der Naturgeschichte (Erlangen 1844, S. 105 fg.), den gladiolus communis mit rothen Blumen Allermannsharnisch und bemerkt dazu: »Abergläubische Leute glaubten vormals, wenn sie eine Zwiebel dieser Blume bei sich trügen, wären sie gegen Hieb und Stich, sowie gegen böse Geister und giftige Dämpfe verwahrt, daher hieß man sie Allermannsharnisch.« Zum Besuch der Höhle vgl. Pröhle, Oberharzsagen, das Einhornloch, S. 194, 206, 294; zu dem Waßer auch Schambach u. Müller, Nr. 244 (jedenfalls ist es ein sehr häufiger Zug, daß von Höhlen behauptet wird, man komme zuletzt an ein fließendes Waßer, über welches ein Steg führe, vgl. auch das Weingartenloch bei Pröhle, Oberharzsagen, S. 203 fg., und oben Sagen, Nr. 353), oben Sagen, Nr. 224. Zum Weidelberge zieht man am Himmelfahrtstage hinauf und sammelt heilsame Kräuter, Lyncker, Nr. 129, ebenso zum Stoppelberg, ebendaselbst, Nr. 229.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Zweiter Theil. Gebräuche und Aberglauben. Pfingsten. 479. [Am ersten Pfingsttag zieht man aus Barbis nach dem Einhornloch]. 479. [Am ersten Pfingsttag zieht man aus Barbis nach dem Einhornloch]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-D56A-1