[32] 38. Sagen vom Markgrafen Hans.

Mündlich aus der Ukermark.

1. [Vor alter Zeit hat in Schwedt Markgraf Hans gelebt, der ist ein]

1.

Vor alter Zeit hat in Schwedt Markgraf Hans gelebt, der ist ein großer und gewaltiger Herr gewesen und hat große und wunderbare Thaten verrichtet, die man noch aller Orten in der Ukermark und Neumark zu erzählen weiß. Viele sagen, er habe einen Bund mit dem Teufel gemacht und von dem alle möglichen Zauberkünste erlernt; andere aber erzählen, es sei in Schwedt ein Mann Namens Schulze gewesen, von dem habe er seine ganze Zauberei überkommen, und als er nun alles gewußt, da habe er ihn gern über Seit haben mögen und deshalb Gelegenheit zum Hader mit ihm gesucht. Als er dann diese eines Tages gefunden, hat er seine mit goldenen Kugeln geladene Flinte ergriffen und sie auf den Schulze abgeschossen; der ist aber ruhig stehen geblieben, hat die Kugeln mit der Hand aufgefangen und lächelnd gesagt: »dat stück hebb' ick för mî behollen!« Da hat der Markgraf eingesehen, daß Schulze doch noch über ihm sei und hat sich wieder mit ihm vertragen.

2. [Eines Tages ist Markgraf Hans mit einem zusammengetroffen, der]

2.

Eines Tages ist Markgraf Hans mit einem zusammengetroffen, der wie er mancherlei Zauberkünste wußte; da hat er, um sich recht zu zeigen, ein Gericht Fische bringen laßen, hat einige davon gegessen und dabei das Fleisch säuberlich und behutsam von den Gräten genagt, so daß das ganze Gerippe unversehrt geblieben ist. Darauf hat er sie so in eine Schüßel geworfen, hat Wasser drauf gegoßen und im Augenblick sind die Fische wieder lebendig gewesen. Nun hat er gemeint, der andere [33] werde recht staunen; aber der ist ganz ruhig geblieben und hat kein Wort gesprochen, hat aber die von dem Markgrafen übrig gelassenen Fische genommen, hat sie so zerkaut, daß auch keine Gräte ganz geblieben ist und sie darauf gleichfalls in die Schüßel mit Waßer geworfen, wo sie eben so lustig wie des Markgrafen seine herumgeschwommen sind. Das, hat er darauf zum Markgrafen gesagt, solle er ihm nachmachen, wenn er es könne.

3. [Oft ist Markgraf Hans auch durch die Luft oder quer über das tiefste]

3.

Oft ist Markgraf Hans auch durch die Luft oder quer über das tiefste Wasser im wärmsten Sommer gefahren. So fährt er auch einmal zur Nachtzeit durch die Luft nach Freienwalde und damit es recht schnell gehe, läßt er den Kutscher wacker drauf zu peitschen; der mag aber wohl etwas zu weit ausgeholt haben und da bleibt seine Peitsche an einem Pfahl sitzen. Schnell will er vom Wagen springen, um sie wieder los zu machen, aber das verbietet ihm Markgraf Hans, sagend, er solle nur zu fahren, es werde auch so wohl gehen. Andern Tages, als sie auf ebener Landstraße nach Schwedt zurückfuhren, hat er dem Kutscher seine Peitsche gezeigt, die hing an der obersten Spitze eines Kirchthurms, und das war der Pfahl gewesen, an dem sie sitzen geblieben. Zum ewigen Andenken soll man diese Peitsche dort haben hangen lassen, aber in welchem Dorfe es sei, weiß kein Mensch zu sagen. – Auf dieselbe Weise hat er auch einmal eine Schmeerbutte eingebüßt, die gleichfalls an dem Kirchthurm eines Dorfes hangen blieb, und da hängt sie noch.

4. [Mal fuhr der Markgraf Hans bei Prenzlau quer über den Ukersee]

4.

Mal fuhr der Markgraf Hans bei Prenzlau quer über den Ukersee, da kam ein Bauer des Weges gefahren,[34] der dachte, »wo der mit seiner großen Kutsche durchkommt, kannst du ja wohl mit deinem Leiterwagen auch durch,« trieb die Pferde an und hui! ging's im raschen Fluge über die Uker, immer hinter dem Markgrafen her. Als sie nun am andern Ufer ankamen, sah er sich um, weil er doch sehen wollte, wie groß die Strecke sei, die sie zurückgelegt, aber im Augenblick sanken die Hinterräder seines Wagens, die noch auf dem Waßer waren, tief ein; die Pferde jedoch standen bereits auf dem Trocknen und zogen den Wagen glücklich heraus. Jetzt sah sich auch Markgraf Hans um, erblickte den Bauer und sagte: »diesmal habe ich dich mit herübergenommen, aber probier's nicht wieder, sonst möcht' es so gut nicht ablaufen.«

5. [In der Neumark hat Markgraf Hans einen großen Acker gehabt, auf]

5.

In der Neumark hat Markgraf Hans einen großen Acker gehabt, auf dem befand sich ein Quell, der keinen Abfluß hatte und das ganze Land versumpfte. Das ward dem Markgrafen endlich lästig, darum spannte er zwei schwarze Stiere vor seinen Pflug und zog damit eine große Waßerfahre bis in die Gegend von Niederkränig und Nipperwiese, wo er sammt Pflug und Stieren plötzlich über den dortigen Elsbusch fortfuhr und verschwand. Die so entstandene Waßerfahre ist das kleine Flüßchen Röhricke, welches, da die Stiere des Markgrafen, trockenen Boden suchend, unruhig kreuz und quer liefen, noch heute in unaufhörlichem Zickzack läuft.

6. [Die Festung Küstrin in der Neumark hat Markgraf Hans gebaut; als]

6.

Die Festung Küstrin in der Neumark hat Markgraf Hans gebaut; als sie nun fertig war, da war er um einen Namen verlegen, setzte sich deshalb eines Morgens vor's Thor und sagte, nach dem solle die Stadt heißen, [35] was sich ihm zuerst zeigen würde. Nicht lange hatte er dort geseßen, da kam ein junger Bursche mit seiner Liebsten daher, die wollten Einkäufe machen, und wie sie noch ein gut Stück Weges von der Stadt entfernt waren, sah der Markgraf, daß der Bursche sein Mädchen küßte; da wartete er, bis sie ans Thor kamen, und fragte das Mädchen, wie sie heiße, worauf sie ihm antwortete, daß ihr Name Trine sei. »Nun, sagte der Markgraf, so soll der Name der Stadt« »Küßt Trîn« »heißen« und so ist's denn auch geschehn.

7. [Als es mit Markgraf Hans zu Ende ging, hat er befohlen, auch nach]

7.

Als es mit Markgraf Hans zu Ende ging, hat er befohlen, auch nach seinem Tode solle sein Bett in den Kasematten stehen bleiben und das wird auch noch bis auf den heutigen Tag gehalten. Alle Morgen geht eine Magd hinab und macht ihm das Bett, und die findet dann jedesmal eine kleine Grube in demselben, als hätte eine Katze drin gelegen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche. A. Sagen. 38. Sagen vom Markgrafen Hans. 38. Sagen vom Markgrafen Hans. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-D680-7