Anhang. Ein Versuch über die neunte Canzonetta Petrarchs in dem ersten Theil seiner gesammleten Gedichte

In reimfreien Versen.


Ich wünschte diese Probe machte mir Nacheiferer, die ganze Liedersammlung dieses für die moralischen Bedürfnisse mehr als klassischen Dichters so getreu als möglich zu übersetzen. Es müßte aber auch das ganze Abgebrochene, Stoßweise Seufzende, Nothgedrungene, wahrhaftig Leidenschaftliche des Originals in die Uebersetzung hinübergetragen werden können.

1.

Herrliche Donna mein! ich sehe
In eurer Augen Bewegung süssen Lichtschein,
Der mir geradeswegs zum Himmel leuchtet,
[142]
Weil durch die lange Gewohnheit
In diesen Sonnenstralen der Liebe
Eure Seele sich sichtbar weiß.
Dies ist das Auge, das mich zum Guten verführet
Und meinem rühmlichen Zweck entgegen geiselt.
Keine menschliche Zunge beschreibt es
Was diese Lichter des Himmels fühlen mich machen
Wenn der Winter Flocken ausstreut
Oder wenn das Jahr sich verjüngt,
Die heilige Zeit meiner ersten Wunde.
Oft denck ich wenn droben
Von da der ewige Beweger der Sterne
Von seiner Kunst dies uns zu zeigen gewürdigt,
Wenn droben der Meisterstück' mehr sind,
Warum nicht den Kerker eröfnen, der mich einschließt,
Und Weg mir machen hinauf zum ewigen Leben?
Geht dann der innere Streit mit mir an
Und ich seegne die Natur und den Tag, und die Stunde,
Die zu so hohem Glück mich aufgespahrt hat,
Wo sie dies Herz mit der Hofnung empor hub
Das sonst unbehelfsam, mir selbst beschwerlich war.
Nur von dem Tag' an gefiel ich mir selber,
Füllt ein grosser schöner Gedanke meine Seele,
Zu der ihr Auge den Schlüssel hat.
Niemals beschied Liebe oder Glück
Zwey Freunden solche Wonne, die ich nicht hingäb' gegen eine
Bewegung ihrer Augen, von denen meine Ruhe
Wie ein Baum aus der Wurzel kommt.
Heilige seelige glückliche Funken,
Die ihr mein Leben entzündt und alle mein Vergnügen,
Die ihr entzükend mich auflößt und langsam tödtet:
Wie jedes andere Licht verbleicht, wo ihr blitzet,
So weicht aus meinem Herzen,
[143]
Wenn diese Süssigkeit sich drein herabströmt,
Jeder andere nothwendige Gedancke,
Und ihr allein bleibt darin mit der Liebe.

u.s.f.

2.

Was fang ich an? was räthst du Liebe mir?
Zu sterben wär es Zeit. Was zaudr' ich hier?
Madonna todt, mein Herz hinweg genommen,
Und muß ich Mörder seyn, zu ihr zu kommen?
Ja, ja, ich muß, weil ich sie nie
Mehr hoffen kann zu sehn; ach! ohne sie
Was ist das Leben? Tödtendlangsam Sehnen
Nach der Erlösung, was die Freude? – Tränen.
Du weißt es Liebe, kennest das Gewicht
Der grauenvollen Schmerzen alle.
Gescheitert unser Schiff, dahin das Licht,
Das uns geleitet. Diesem Trauerfalle
Vergleicht sich nichts. O Erde! wie entstellt,
Ach wie verwayset, undanckbare Welt!
Dein Reitz ist hin, elende Welt voll Thoren.
Ach, wüßtest du, was du an ihr verloren,
Du traurtest ewig. Nur durch sie noch schön:
Und sahsts nicht ein, du warsts nicht werth zu sehn,
Nicht werth, daß ihre Füsse dich berührten,
Die heiligen Füsse, die gen Himmel führten.
Der Himmel neidisch auf dein Glück
Nahm sein geliehnes Pfand zurück.
Und ich Verlaßner! der ich ohne
Sie weder Welt noch mich ertragen kann,
Ich sitze hier und weine. Ruffe
[144]
Vergeblich sie zurück. Trost, daß ich weinen kann!
Weh mir! ihr Antlitz Erde! ihre Mienen,
Auf denen Hofnungen des Himmels schienen
Die uns allein ihn glauben machten! Nein,
Die göttliche Gestalt kann nicht verweset seyn.
Den Schleyer hat sie abgelegt, der ihre Blüthe
Hier eingeschattet; ganz voll Lieb' und Güte
Schwebt sie im Paradiese – oder hier
O göttlich süsser Schaur! – unsichtbar neben mir – u.s.f.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Lenz, Jakob Michael Reinhold. Anhang. Ein Versuch über die neunte Canzonetta Petrarchs. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E408-6