Uz, Sieg des Liebesgottes
[154] [Johann Peter Uz:] Sieg des Liebesgottes. Eine Nachahmung des Popischen Lockenraubes. Stralsund, Greifswald und Leipzig, bei J. J. Weitbrecht. 1753. Dieses komische Heldengedicht besteht aus vier Gesängen, und es ist schon ein sehr gutes Vorurteil für den Verfasser, daß er niemand geringerm, als einem Pope nacheifert. Seine Poesie hat eine Schönheit, um die sich die wenigsten unserer jetzigen deutschen Dichter bekümmern; sie fließt mit einer reinen Leichtigkeit dahin, ohne daß sie von Gedanken leer ist. Malerei, Scherz und Satyre herrscht in allen Zeilen, und wenn der Verfasser nicht mit dem Verfasser des Renommisten und der Verwandlungen eine Person ist, so wird er dem Leser das Urteil sehr schwer machen, welcher von beiden den Vorzug verdiene. Einige Zeilen aus dem Auftritte mit Lesbien und dem Dichter Cleanth, welcher von der Raserei vorzulesen besessen ist, mögen zur Probe dienen.
O Schande, fuhr sie fort, in abgelegnen Sträuchen
Begegnet mir Cleanth; ich such ihm auszuweichen.
Er tritt mich schmeichelnd an, und, Himmel was geschieht?
Nach einem apropos! liest mir Cleanth ein Lied.
Bis an den kalten Mond entfliegt in seiner Ode
Der Unsinn, dick umwölkt und scheckigt nach der Mode;
Der Henker fliegt ihm nach! doch lob ich, was er schrieb:
Verfluchte Schmeichelei, die ihn zum Frevel trieb!
Nun aber, fährt er fort und runzelt seine Stirne,
Bemüht ein Heldenlob mein kreisendes Gehirne:
Und schöne Lesbie! ich kenn Ihr feines Ohr,
Wofern es nicht mißfällt, so les' ich etwas vor.
Er zieht mit voller Hand und vornehm spröden Wesen,
Ein drohend Buch hervor, und alles will er lesen.
Ich flieh, er läuft mir nach, und liest, indem er läuft.
Warum wird ein Poet, nicht eh er schreibt, ersäuft!
Ich fühlte da er las mein Blut im Leib erkalten.
Ach! konnte mich Cleanth nicht süßer unterhalten?
Verdrießlicher Poet! wie artig schickt sich nicht
In schattiges Gebüsch ein episches Gedicht!
Kostet in den Vossischen Buchläden 1 Gr. 6 Pf.
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