Versöhnung

Hast du niemals noch begleitet
Einen Menschen, müd' und bleich,
Über den schon ausgebreitet
Sein Gespinnst das Schattenreich?
Hast du nie den Puls empfunden,
Der dem Tod entgegenschlägt,
Bangend nie gezählt die Stunden,
Die ein Leben noch erträgt?
Jedes Wort, wie wird es teuer,
Das so sanft und unbewußt
Und im letzten Seelenfeuer
Ausspricht die gequälte Brust!
Offen und zugleich geschlossen
Liegt solch Leben vor uns da,
Mild von feuchtem Glanz umflossen,
Denn durch Tränen sieht man ja.
Alles ist versöhnt, verziehen,
Alles gut und beigelegt,
Wie die letzten Schatten fliehen,
Wenn aufs Tal die Nacht sich legt.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Lingg, Hermann von. Versöhnung. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-F18D-6