Margrete

1.

Margrete, Schönste der Schönen du,
Die jemals mein Sinn begehrt,
Warum hast du mit kaltem Blick
Mein heißes Herz empört?
Was blickt dein Auge so kalt und stolz,
Wenn meins dir Liebe droht,
Was bleibt dein Herz so winterlich,
Wenn mein Herz kocht und loht?
[104]
Ich habe nicht Gott noch Menschen gescheut,
Mir hat schon als Kind nicht gegraut,
Doch Angst umkrallt mein freies Herz,
Wenn du mich angeschaut.
Du hast mich gebunden, zum Sklaven gemacht,
Die Seele und auch den Leib –
Doch hüt' dich, Margret, daß der Strick nicht zerreißt,
Margrete, du bist nur ein Weib!

2.

Ich tue alles, was du forderst,
Wenn du mich dafür liebst,
Wenn du dich eine kurze Stunde
Mir ganz zu eigen gibst.
Nenn' einen Mann mir, Margrete,
Und dessen Tod dir Begehr,
Nenn' mir den Mann doch, Margrete,
Und morgen lebt er nicht mehr.
Und kännte den Mann ich, Margrete,
Dem Liebe dein Auge loht –
Ich schwör's beim Hasse meiner Liebe:
Auch er ist morgen tot.

3.

Ich lieb' dich nicht, so wie ich liebte
Ein andres Mädchen, wahr und treu,
Ich lieb' dich mit zerstörungssüchtiger
Wahnwitzig wilder Raserei.
Ich lieb' dich, wie der Tod das Leben,
Der Blitz den Baum, den er zerstiebt,
Ich liebe dich, so wie der Teufel
Die unschuldsvollen Seelen liebt.
Nur einmal möcht' ich dich umarmen,
Nur einmal liebend weich dich sehn,
Nur einmal meine Kraft dir zeigen,
Dann höhnischlachend von dir gehn.

Münster 1888


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Löns, Hermann. Margrete. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-1EF6-0