Maiandacht

Von dem Dom acht Glockenschläge schallen,
Aus den Fenstern flimmert Kerzenglanz,
Tausend hübsche kleine Mädchen wallen
Nach dem Dom mit Buch und Rosenkranz.
Tausend hübsche stramme Burschen warten
An der Kirchentür und flüstern leis:
Schätzchen, um halb neun im städt'schen Garten!
Tausend Mündchen flüstern: Ja, ich weiß!
Drinnen senken sich die hübschen Köpfchen,
Und das Knie das Kirchenpflaster küßt,
Unter all den Löckchen und den Zöpfchen
Kein Gedanke bei der Predigt ist.
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»Gott sei Dank! Die Predigt ist zu Ende,«
Schnell nach draußen strömt der bunte Hauf,
Und des Schloßparks breite Laubgelände
Nehmen die verliebten Pärchen auf.
Welch ein Küssen, Drücken, süße Sünden!
Selbst das frommste Herzchen wird gerührt –
Kalter Himmel, deine Schrecken schwinden,
Und die heiße Hölle triumphiert.

Münster, Mai 1890

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TextGrid Repository (2012). Löns, Hermann. Gedichte. Junglaub. Maiandacht. Maiandacht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-23F3-F