Friedrich von Matthisson
Gedichte aus der Schulzeit
(1776–1778)

[3] Lenzbilder

1776.


Mit grausem Getümmel,
Entfliehen vom Himmel
Gewölke voll Nacht!
Seht! wie sie, zerrissen,
In Regen zerfliessen,
Vom Sturme gejagt!
Nun kehret, voll Wonne,
Dein Lächeln, o Sonne!
Den Fluren zurük;
Mit segnender Milde
Begrüßt die Gefilde
Dein himlischer Blik!
Nun sprossen und keimen
Aus Büschen und Bäumen
Die Blätter hervor!
Nun rieselt der Quelle
Hellschäumende Welle
Durch wankendes Rohr!
Die Bienen umirren,
Mit fröhlichem Schwirren,
Violen voll Thau!
Sanftathmende Lüfte
[3]
Entschmeicheln Gedüfte
Den Kräutern der Au!
Horch! wie in den Thalen,
Die bunter sich malen,
Das Wollenvieh blökt;
Und fern in den dichten,
Umdüsterten Fichten
Den Wiederhall wekt!
Durch Pappelalleen,
An bläulichen Seen,
Schallt Liedergetön!
Im rosigen Kleide,
Schwebt lächelnd die Freude
Von blumichten Höh'n!
Sie winkt, unter Küssen
Den Lenz zu begrüssen,
Die Mädchen zum Hain,
Und schlingt sich in grünen
Gebüschen mit ihnen
Im zirkelnden Reihn!
Blikt fröhlichen Zechern,
Bei funkelnden Bechern,
Sokratischen Scherz,
Und feuriges Sehnen
Nach lächelnden Schönen
Ins glühende Herz!
Da eilen die Stunden,
Mit Rosen umwunden,
Mit Wonne beschwingt!
Die Becher erklingen!
Sie scherzen und singen
Bis Hesperus sinkt!

[4] Frühlingsbilder

Mit grausem Getümmel
Verschwunden vom Himmel
Sind Wolken voll Nacht;
Den Seen und den Flüssen
In strömenden Güssen
Zum Opfer gebracht!
O Jubel! o Wonne!
Nun kehren der Sonne
Verherrlichtem Blick
Erwachen und Leben,
Verjüngen und Streben
Und Liebe zurück!
Nun keimen und sprossen,
Von Glanz übergossen,
Die Blätter hervor;
Nun rauschen der Quellen
Entwinterte Wellen
Durch wankendes Rohr.
O seht nur, wie Flore
Dem summenden Chore
Der Bienen schon winkt!
O seht nur, aus welchen
Berauschenden Kelchen
Der Schmetterling trinkt!
Die Freude flog wieder
Auf buntem Gefieder
Den Sterblichen zu;
Ihr himmlisches Walten
Verwischte die Falten
Der Stirnen im Nu!
[5]
Vom einsamen Rädchen
Entführt sie die Mädchen
Des Dorfes zum Hain,
Und wirbelt in grünen
Gebüschen mit ihnen
Den ländlichen Reihn!
Begeistert den Zecher,
Beim funkelnden Becher,
Zu Liedern und Scherz;
Haucht Liebe den Blöden,
Haucht Liebe den Spröden
Allmächtig ins Herz!
Da taumeln die Stunden,
Mit Rosen umwunden,
Bacchantisch vorbei!
Und Jubel ertönen:
Es leben die Schönen!
Es lebe der Mai!

Mailied

1776.


Nachtigallen flöten
Durch die Lenzgebüsche,
Wann die Sonne sinkt!
Nachtigallen flöten
Durch die Apfelbäume,
Wann das Morgenroth erwacht!
Weis und rothe Blüten
Kleiden alle Wipfel,
Wo die Biene sumt;
[6]
Grüne Kräuter duften
In den Wiesenthalen,
Wo das Maienlämchen gras't!
Mädchentänze schweben
Ueber Blumenrasen,
Unter Flötenklang!
Seht! von Jünglingsküssen
Glüht die volle Wange.
Und der holde Rosenmund!
Lustgefühl und Wonne
Winkt die junge Freude
Sanft in jedes Herz!
Ihrem Zauberstabe
Huldigt alles Wesen,
Bis zum niedren Staubgewürm!
Ha! die süsse Göttin
Schwebt an meine Seite,
Beut mir ihren Arm,
Führt mich zu den Tänzen,
Zu den Mädchenküssen
Und zum frohen Kelchgelag!
Ihrer Leitung fröhlich,
Will ich stets des Maien
Mich fortan erfreun!
Eh' sein linder Odem
Durch die Trauerkränze
Meines Aschenhügels weht.

Abschied

1776.


Quellenrauschendes Thal! in deinem Schatten,
Wo sich schwesterlich Ruh' und Unschuld küssen,
[7]
Flohn die süssesten meiner Jünglingsstunden,
Mit serafischem Lächeln, mir vorüber!
Wenn, mit rosiger Hand, auf deine Wipfel
Seine Blüten der junge Maimond streute,
Und die Nachtigall jeder Abenddämrung
Ihren Zaubergesang entgegentönte!
Ach! ein trübes Geschik entreißt mich ewig
Deinen düstergewölbten Lindengängen,
Wo dein lächelnder Engelblik, o Maja!
Oft den Himmel mir in die Seele stralte,
Und mich höher zu meinem Gott entzükte!
Laß, elisisches Thal, noch diese Thränen,
Meines wachsenden Kummers stille Zeugen,
Mich an deinem beblümten Busen weinen,
Eh', mit ehernem Arm, die Scheidestunde
Meinen zögernden Fußtrit plözlich flügelt!

Wehmut

1776.


Sonnenvergoldet flüstert ihr, o Linden!
Von der leiseren Herbstluft sanft umlispelt,
Banges Ahnden nahender Wintertrauer
Mir in die Seele!
Senken nicht diese bunten Rasenblumen,
Einst des buhlenden Sommerwests Gespielen,
Schon dem frühen Tode die Farbenhäupter
Traurend entgegen?
Ach! es wird ihnen, wenn im kalten Grabe,
Unter silbernen Floken, sie nun ruhen,
Bald der allverheerende Nord das grause
Todtenlied heulen!
[8]
Traurend durchirr' ich dann die Eisgefilde,
Schaue weinend die Stäte wo sie prangten:
Denn wie sie verblühten auch meiner Jugend
Flüchtige Freuden!

An Selma

1776.


Geliebte! weine nicht, daß unser trübes
Geschick mit Thränen mehr als Freud' hienieden
Unsres Erdenlebens rauhe
Pfade bezeichnet!
Gedenke jener Wonne, die der Tugend
In Eden einst, durch Ewigkeiten harret!
Wandellose Freude blüht nur
Jenseit des Grabes!

An Selma. Als sie sich wieder aufs Land begab

Wenn der goldnen Stadt Getümmel
Du, o Beste, nun entfliehst,
Und den heitren Segenshimmel
Deines Dörfchens wieder siehst,
Und der holde Herzensfriede
Liebend dir entgegenwallt,
Dir mit jedem Frühlingsliede
In die sanfte Seele schallt:
[9]
O, dann will ich zu dir eilen,
Mich des Frühlings mit dir freun,
Freud und Wonne mit dir theilen,
Unaussprechlich glücklich seyn!
Schöner wird der Hain uns lächeln,
Lenzgeschmückt und aufgeblüht,
Linder uns die Kühlung fächeln,
Wann die Abendröthe flieht.
Süsser jede Blume düften
In dem Pappelweidenthal,
Wo, umweht von Mayenlüften,
Du uns grüssest, Nachtigall!
Denn, o Unschuld, du beglückest
Uns mit Engelheiterkeit,
Winkst zur Freude, und entzückest
Bis zur Himmelsseligkeit!
Gutes Mädchen, wann uns immer
Unser Leben heiter lacht,
Wie des Mondes milder Schimmer
In der stillen Sommernacht,
O wie sollen unsrer Jugend
Wonnetage dann entfliehn,
Stets geleitet von der Tugend,
Dieser Freudenköniginn!

Tröstung

Säuselten gleich nicht immer Frühlingslüfte
Um den rosigen Lenzbaum meiner Jugend,
Beugte gleich verheerender Nachtsturm oft sein
Blütenhaupt nieder!
[10]
O! so enthüllte schöner, nach dem Wetter,
Seinen traurenden Zweigen sich die Sonne,
Stralt' auf ihren Schmachtenden, mutterfreundlich,
Höhere Labung!

An Ossian

Wenn oft, in Stunden heiliger Mitternacht,
Mein Ohr dem Flugschlag deines Gesanges horcht,
Und der Vorzeit goldne Bilder
Um die begeisterte Seele schweben!
Dann rinnt die Thräne! hüllt doch Vergessenheit
Die Barden Teutons, ach! schon Jahrhunderte,
Werth vieleicht mit dir, o Vater!
Um der Unsterblichkeit Kranz zu ringen!

An die Nachtigall

Vogel der Liebe! töne, wann die Rosen
Auf der Wange des Abendhimmels sterben,
Traumgesänge nieder auf das bethränte
Lager Selindens!
Daß seiner Ruh' nur einen linden Tropfen,
Aus der silbernen Schlummerschale, Morpheus,
Auf den einsamweinenden Blik voll Trauer,
Labend ihr träufle!

[11] Beruhigung

1777.


Wie Regenschauer auf den entblühten Hain,
Thaun Wehmuthsthränen auf meinen Jugendpfad!
Kein milder Sonnenblik der Freude
Lindert die nagende Seelentrauer!
Gott ist die Liebe! hallt es, im Feierton
Des hohen Jubels, bebende Saiten, nach!
Und du, gebeugte, bange Seele,
Dulde gelassen! Gott ist die Liebe!

Die Schlummernde

1777.


Tausend röthlichbesäumte Apfelblüten
Auf ihr blendendes Nachtkleid hingeschneiet,
Schlummert Minia unter Maienschatten,
Von der Nachtigall traulich eingeflötet!
Hingefesselten Blikes trink' ich Wonne,
Ach! in geizigen, honigsüssen Zügen,
Aus des schlafenden Mädchens holdem Antliz!
Horche jeglichem leisen Odemlispel,
Späh' des athmenden Busens süsses Beben! –
Sagt, ihr schüzenden Engel meines Mädchens,
Saht ihr reizender einst, in Edens Garten,
Unter blühenden Lauben Eva schlummern?

[12] Stimme der Liebe

1777.


Abendgewölke schweben hell
Am bepurpurten Himmel;
Hesperus schaut, mit Liebesblik,
Durch den blühenden Lindenhain,
Und ihr schmelzendes Trauerlied
Zirpt im Kraute die Grille!
Freuden der Liebe harren dein!
Flüstern leise die Winde;
Freuden der Liebe harren dein!
Tönt die Kehle der Nachtigall,
Hoch vom Sternengewölb' herab
Schallt mir Stimme der Liebe!
Himmel! aus jenem Schattengang
Wandelt Maja die Fromme!
Heftet den Engelblik auf mich,
Fleugt dem seligen Jüngling zu!
Heil mir! daß du auch ihr getönt,
Süsse Stimme der Liebe!

An einen Busenstraus

Eine Gottheit erkohr dich unter Tausenden
Von den Söhnen des Mays, an der gehobnen Brust
Meines Mädchens zu beben,
Lieblichduftender Blumenstraus!
[13]
Neidenswürdiges Loos! schauest das Heiligthum,
Das des rosigen Flors wallender Schleyer hüllt!
Ruhst am Throne der Liebe,
Sonnst im Glanze der Schönheit dich!
Wohl mir! wiegte wie du, glücklicher Blumenstraus,
Liebetrunken mein Haupt, unter berauschenden
Wonneträumen des Himmels,
An der klopfenden Mädchenbrust!
Ha! dann lacht' ich der Welt, lachte des Stadtgewühls,
Und des gauckelnden Tand's, welchen die Mod' ersann!
Wäre froher als Adam
In den Lauben von Eden war!

Das Dorf

Da liegt es still, im saatengrünen Thale,
Das Dörfchen von Gebüsch umkränzt,
Die Dächer roth vom Abenddämrungsstrale,
Der durch die Lindenwipfel glänzt!
Dort wohnt, in niedrer, weinumrankter Hütte,
Von Gottes Engeln stets umschwebt,
Ein Mädchen, guter, frommer, deutscher Sitte,
Für die mein Herz im Stillen bebt!
Sie kümmert nicht der stolzen Stadt Getümmel,
Nicht eitler Mode Flitterglanz!
[14]
Der maibeblümte Garten ist ihr Himmel,
Ihr ganzer Schmuk ein Veilchenkranz!
Wann durch den Blütenbaum das Frühroth schimmert,
Entwandelt sie zum Nelkenbeet,
Und pflükt ein Sträuschen, frisch und thaubeflimmert,
Vom lieben Morgenwind umweht!
Und wann die milde Maienabendstille
Vom Thaugewölke niederfleußt,
Horcht sie, am Bach, dem Trauerlied der Grille,
Das durch die Dämrung sich ergeußt!
Freut jedes Strauches sich und jeder Quelle,
Auf ihrer kleinen Schäferflur,
Und jedes Blümchens, jeder Rasenstelle,
Die sanfte Tochter der Natur!
Verlebe deines schönen Lebens Tage,
Du gutes, frommes Mädchen du!
In steter Unschuldsfreude, sonder Klage,
Bis hin zur stillen Grabesruh;
Da siegbekrönt dein Geist dem lichten Throne
Des Mitlers sich entgegenschwingt,
Und hohe Jubel, in der Ueberwinderkrone,
Dem grossen Gottversöhner singt!
[15]
Da werd' ich einst gewis dich wieder finden,
Und Gottes mich und deiner freun!
Mit Edens Palmen meine Schläf umwinden,
Beglükt, beglükt auf ewig sein!

Die Erscheinung

Klagt, um die Dämrung, flötend die Nachtigall,
Wann du, o Vollmond! über die Gärten schwebst,
Irr' ich einsamtraurend durch die Düfte,
Welche den blühenden Lenzbaum hüllen!
Denn, wie in Träumen, welche der goldne Stab
Des Morgenschlummers, um meine Lagerstat
Oft, mit lichten Himmelsfarben, zaubert,
Täuschet mich stets eine Stralenbildung!
Dem Mädchen ähnlich, welchem, mit Thränen, jüngst
Ich mich vom liebebebenden Busen wand!
Fleuch, o fleuch, du trübe Klagerscheinung!
Daß mir der Kummer das Herz nicht breche!

Abendlied

Der Abend schleiert Flur und Hain
In traulichholde Dämrung ein,
Manch Wölklein hell im Westen schwimt,
Vom sanften Liebesstern durchflimt!
[16]
Die Wogenflut tönt Schlummerklang,
Die Bäume lispeln Abendsang,
Das Wiesengras durchhaucht gelind
Der liebe Sommerabendwind!
Der Geist der Liebe wirkt und webt
In allem was sich regt und lebt!
Im Meer, wo Wog' in Woge fließt,
Im Hain, wo Blat an Blat sich schließt!
O Geist der Liebe! führe du
Mir meine fromme Maja zu,
Mit ihr, bei dieser Sterne Schein,
Der Schöpfung Gottes mich zu freun!

Die Kahnfahrt

1777.


Eilend gleitet der Kahn über des Abendsee's
Sanfterröthendes Blau, schwebet, im leichten Tanz,
Saatgefilden vorüber,
Und beblütetem Haingebüsch!
Freude lächelt der Flut blinkendes Angesicht!
Freude flüstert das Schilf, welches am Ufer wankt!
Freude lispelt die Welle,
Wenn sie schäumend den Nachen küßt!
Flügle rascher den Kahn, nervichter Jünglingsarm!
Daß uns Feld und Gebüsch schneller vorüberflieh'!
Jenes grünende Eiland
Winkt zum fröhlichen Traubenmahl!
[17]
Seht! wir fliegen heran! Nachtigallton entbebt
Allen Zweigen umher! Auf! den Pokal bekränzt!
Tiefer funkelt im Westen
Schon der freundliche Abendstern!

Die Wasserfahrt

Wiegend gleitet der Kahn über der leisen Fluth
Sanft erröthendes Blau, schwebt im Najadentanz
Winzerhütten vorüber,
Und vergoldeten Erlenreihn!
Freude lächelt des Tags herrlicher Niedergang;
Freude girret im Forst, flötet im Blüthenstrauch;
Freude jauchzen die Hügel;
Freude jubelt im Wiederhall!
Flügle rascher den Kahn, nervichter Jünglingsarm!
Seht! von Lauben umgrünt, unter der Linde Schirm,
Winkt, mit wehendem Kranze,
Schon das ländliche Sorgenfrei!
Herrsch' als Königin da, freundliche Gegenwart!
Dir ertön' unser Lied, ström' unser Opfertrank!
Halt' uns liebend umschlungen,
Bis Aurore den Zauber löst!

Herbstgesang

1777.


Ueber Rebenhügel,
Wo sich Trauben färben,
Ueber Obstgeländer,
[18]
Wo sich Aepfel röthen,
Leert der milde Fruchtmond
Lächelnd das geudende Segensfüllhorn!
Aus den Haingesträuchen,
Aus den Hekengängen,
Aus den Gartenbeeten,
Zirpen tausend Grillen,
Um die Abenddämrung,
Feiergesänge dem Traubenschöpfer!
Wo sein Auge lächelt,
Reifen Honigfrüchte!
An den vollen Zweigen,
Giebt er jeder Pflaume
Ihre Himmelbläue,
Malt er dem Apfel die Purpurwange!
Auf den Rebenbergen,
Wo die Winzermädchen
Hochgesänge tönen,
Knarren alle Keltern,
Und aus ihrem Schoosse
Träuft der begeisternde Trank der Freude.
Daß das liebe Kelchglas,
Oft, im Freundeskreise,
Unser Herz erfreuet,
Unsren Geist beflügelt:
Danken alle Zungen
Dir, o! allsegnender Rebengeber!
Schön bist du, o Erde!
Kleidet deine Hügel,
Deine Saatgefilde,
[19]
Deine Gartenfluren,
Der allmilde Herbstmond
Lieblich mit farbigem Fruchtgewande.
Schöner nur, o Mutter!
Lächelst du im Lenze,
Wenn dir um die Loken
Weisse Blüten säuseln,
Und dein Götterantliz
Wölken die athmenden Mainachtdüfte!
Hier am Quellenrande,
Wo mich Schilf umflüstert,
Wo, von Laubgewölben,
Dürre Pappelblätter
Auf mich niederrieseln,
Soll mich der Abend mit Maja finden!
Fleuch, o süsses Mädchen!
Fleuch dein Teppichzimmer,
Deiner Stadt Gepränge!
Hier, im Abendschatten,
An der Silberquelle,
Harret voll Sehnsucht dein Vielgetreuer!

Herbstgesang

Siehe! Rebenhügel,
Wo sich Trauben färben!
Siehe! Fruchtgeländer,
Wo sich Aepfel röthen!
Liber und Vertumnus
Krönen verbrüdert die Bundesfeier!
[20]
Wo der Segensgötter
Mildes Auge lächelt,
Schwellen Purpurbeeren,
Malt mit ätherblauem
Dufte sich die Pflaume,
Malt sich der Apfel mit Rosenstreifen!
Hoch auf Nektarbergen,
Wo der Winzermädchen
Wonnelieder tönen,
Knarren Keltern selber
Harmonien, und Jubel
Brausen, o Rhein, deine Silberwogen!
Hier am grünumschilften
Felsenquell der Wiese
Dämmern die geweihten
Schatten, wo des Jahres
Erste Blumen Laura
Weihte den lächelnden Huldgöttinnen.
Fleuch, o süßes Mädchen,
Fleuch der Stadt Gepränge!
Angeblinkt vom Abend,
Laß des Jahres letzte
Blumen uns der hohen
Venus-Urania dankend opfern!

Erinnerungslied

Hier fließ't die kühle Schattenquelle,
Der Freundin Luna jede Welle
Mit hellrem Glanz besäumte,
Als ich, im Lispel dieser Bäume,
Der Liebe goldne Erstlingsträume
An Laura's Busen träumte!
[21]
Wo ihrem schmelzenden Gesange,
Vermählt mit süssem Lautenklange,
Sich Flur und Hain verschönte;
Und ihrer Engelstimme Beben
Mir Götterlust und neues Leben
Durch jede Nerve tönte!
Doch plözlich stürmten schwarze Leiden
Den jungen Lenzbaum meiner Freuden,
Mit jeder Blüte, nieder!
Nun hört Aurorens Stralenwagen,
Nun hört mich Hespers Kerze klagen:
Er hebt sich nimmer wieder!

Todesgedanken

Ruht mein Leib in Gottes Erde,
Wo ich auferstehen werde,
Unter Moder, Nacht und Graus
Von dem Lebenskampfe aus:
Dann wird hin ins bessre Leben,
Lichtumstralt, mein Geist entschweben,
Sich des Anschauns Gottes freun,
Hochbeglükt auf ewig sein!
Jede bange Trauerklage,
Jedes Leiden düstrer Tage
Schwindet dort vor meinem Blik
Dann auf immerdar zurük!
Freuden harren des Verklärten,
Die du, Gott, dem Kampfbewährten,
Von Begin bereitet hast,
Freuden, die kein Geist umfaßt!
[22]
Drum, mein Herz, laß ab zu weinen:
Heute kann die Stund' erscheinen,
Die mich zu der Todesgruft
Auf Jehova's Winken ruft!

An den Tod

How beautiful is that Death, which closes

An uniform Course of virtuos Action.

Kronengeber, o Tod! eile, entkette mich!
Bring die Palme des Sieges mir!
Bald erscheine mir, bald! flügle mich himmelan
Zu den Höhen der Seligen;
Daß ich engelverklärt knie an Gottes Thron,
Unter Chören der Serafim!
Trübe, trübe entflohn, öde und wonneleer,
Mir hienieden der Tage viel!
Stets des Kummers Gefährt wallt' ich die Lebensbahn,
Keimten Rosen, zertrat er sie!
Hier im schattigten Thal löse die Fessel mir,
Palmenkränze in deiner Hand,
Himlischlächelnder Tod! eile, ich bin bereit
Aufzuschweben zu Gottes Thron!

Der Winter

1778.


Bis zur fröhlichen Lenzesauferstehung,
Ruhn die farbigen Rasenblümlein alle,
Und die duftenden Kräuter dieser Wiese,
Ach! im starrenden, kalten Wintergrabe,
[23]
Von hellblinkenden Floken überflimmert!
Aehnlich Todtengerippen, stehn die Bäume,
Ihres säuselnden Blätterschmuks entkleidet;
Wo, gehüllet in grüne Zweigbeschattung,
Oft die flötende Sängerin der Mainacht
Ihre schmelzenden Zauberlieder tönte!
Wes die Jünglinge sich und alle Mädchen,
Auf den Blumengefilden, weiland freuten,
Hat, verheerender Winternord! dein Odem
Von den frostigen Fluren weggewütet!
Jedes dämmernde Zweigdach für die Liebe,
Jede schattende Laube für das Kelchglas,
Hast in ödige Wüste du gewandelt!
Unbekümmert der tausend Mädchenthränen,
Unbekümmert der bangen Jünglingsseufzer!
O des mürrischen Freudentilgers! selbst des
Mir so heiligen Pläzchens nicht zu schonen,
Wo, am wallenden Busen meiner Maja,
Ich, im seligen Taumel, mir den Himmel,
Ueberblühet von Lenzgebüschen, träumte!

Erinnerung

1778.


Engelgesänge tönten durch die Wipfel,
Als den heiligen Erstlingskuß der Liebe
In die freudigzitternde Seele Maja's
Lippen mir glühten!
Rosiger wallte da der Abend nieder,
Süsser dufteten alle Gartenblumen,
Auf den Bäumen wirbelten Nachtigallen
Lieder der Liebe!
[24]
Seliger Abend! den ich nie vergesse,
Jede düstere Stunde wird mir lichter,
Schwebt dein Bild, in Himmelsgestalt, um meine
Traurende Seele!

Liebespein

1778.


Als ich die Langersehnte fand,
Mein Herz sich an das ihre band,
Und, durch geheimen Zauberzug,
Ihr Busen mir entgegenschlug:
Da war ich froh in meinem Sinn!
Da tanzte Tag auf Tag mir hin,
Wie Bächlein hell im Sonnenschein,
So lauter und so silberrein!
Da lachte Freud' und süsse Ruh
Mir stets ihr blaues Auge zu,
Die ganze Welt vor mir vergieng,
Wenn mich ihr Schwanenarm umfieng!
Da war mir jede Stunde süß,
Mein Lebenspfad ein Paradies,
Denn alle Erdenseligkeit
Lag, sonder Maas drauf ausgestreut.
Wenn ich an ihrem Busen lag,
Wiegt' ihres Herzens leiser Schlag
Mich sanft zu Himmelsträumen ein;
Und mir schlug dieses Herz allein!
Wenn uns im Laubdach, kühl und grün,
Der liebe, volle Mond beschien,
[25]
Sang Hain und Flur mir Sfärensang,
Und jede Seelensait' erklang.
Bald wallten wir durch Blumenaun,
Des Frühlings Zauberpracht zu schaun;
Doch blikt' ich ihr ins Angesicht,
Sah' ich die Lenzgefilde nicht!
Bald ruhten wir auf Quellenmoos,
Wenn sanft der Abend niederfloß,
Da drükte heiß sich Mund an Mund,
Zu festen unsren Liebesbund!
Wie Maienregen niederfleußt,
Auf Blütenbäume sich ergeußt:
Floß jeder Flammenkuß von ihr
Erlabend in die Seele mir.
Wir lebten Himmelswohnern gleich,
Wie sie an tausend Freuden reich,
Es wogt' und rauscht' ein Wonnemeer,
Nicht abzusehn, rings um uns her!
Genug der Freuden, o mein Lied,
Die einst mir Glüklichem geblüht!
Hinab! hinab! zum Trauerton,
Die Freuden alle sind entflohn!
Sie gab, in leichtem Flattersinn,
Ihr Herz an einen andern hin!
Zerriß das goldne Himmelsband,
Das Lieb' um unsre Seelen wand!
Das troknete, mit rascher Wuth,
Wie wilde Hundstagssonnenglut,
[26]
Die Quelle meiner Freuden leer,
Von Stund' an floß kein Tröpfchen mehr!
Nun schleicht, bei wintertrübem Sinn,
Mein Leben langsamtraurig hin,
Ich irr' in düstrer Mitternacht,
Von keinem Sternlein angelacht.
Mein armes, tiefgequältes Herz
Durchwütet Angst, durchwütet Schmerz;
Verhasster Sorgen Natternbrut
Nährt grausam sich von meinem Blut!
[27]
Die Pein, die meinen Busen engt,
Mich wild bald hie bald dorthin drängt,
Mir rastlos in die Seele stürmt,
Mit Wolken stets mein Haupt umthürmt:
Hat meine Wangen abgebleicht,
Hinweg die innre Ruh gescheucht,
Zernagt mich, wie der Morgen graut,
Bis wenn der kühle Abend thaut!
Ha! wenn mich jezt die Falsche säh',
In all dem Ach! in all dem Weh!
Von Höllenleiden, sonder Zahl,
Umstrikt zu Folterpein und Quaal:
Vieleicht daß ihr ein Thränlein denn
Vom blauen Auge niederrän',
Ihr Herz, von Reu und Busse schwer,
Nun wieder ganz das meine wär'!

An einen Bruder

1778.


Du, dessen Seele Feuerbegeisterung,
Im kühnen Taumel, zu den Gestirnen reißt,
Singst du, von Eichen rings umschauert,
Glühend von Gott und dem Vaterlande:
Gesegnet, Theurer, dreimal gesegnet mir!
Dein Ausblik kündet flammende Seelenkraft,
Zu ringen nach dem Kranz des Lohnes,
Welcher am Ziele der Laufbahn schimmert.
Wenn stets du singst, wozu dir dein Vaterland,
Die Tugend dir und heilige Freiheitsglut,
Im Eichenhain die Saiten stimmen,
Wo du zuerst deine Harfe prüftest:
[28]
So schlingt sich einst, (o! wehre der Zähre nicht,
Der Freudenzähre, die dir im Auge blinkt!)
So wahr als du von Herman stammest,
Um deine Loken der Eichensprösling!
Voll Glut die Seele, walle die hohe Bahn!
Den Sieger, wisse! lohnet Unsterblichkeit!
Sie, deren ewiglichten Schimmer
Nie die Gewölke der Zeit verdüstern!

Weissagung

An Rosenfeld.


Du, dessen Seele Flammenbegeisterung
Auf Adlersflügeln zu den Gestirnen reißt,
Singst du, von Eichen rings umschauert,
Was dir im Busen der Gott gebietet:
Willkommen, Jüngling, in der geweihten Bahn!
Dein Auge flammt von heiliger Kampfbegier,
Zu ringen nach dem Kranze, welcher,
Hell wie Orion, den Siegern schimmert!
Wenn stets du singst, wozu dir dein Vaterland,
Die Tugend dir, und himmlische Freiheitsgluth
Im Bardenhain die Saiten stimmen,
Wo du zuerst deine Harfe prüftest:
So schlingt sich einst, (o wehre der Thräne nicht,
Der Freudenthräne, die deinem Aug' entrollt!)
So wahr als du von Hermann stammest,
Um deine Locken der Eichensprößling!
Und nun beginne muthig den edlen Kampf!
Der Sieger Namen gräbt die Unsterblichkeit
In Pyramiden, die des Nilstroms
Riesengemäuer noch überdauern!

[29] Die Betende

Laura betet! Engelharfen hallen
Tröstung Gottes in ihr krankes Herz,
Und, wie Abels Opferdüfte, wallen
Ihre Seufzer himmelwärts!
Wie sie kniet! in Andacht hingegossen,
Schön wie Raphael die Unschuld malt!
Vom Verklärungsglanze schon umflossen,
Der um Himmelswohner stralt!
O! sie fühlt, im leisen, linden Wehen,
Näher ihres Gottes Gegenwart,
Sieht im Geiste schon die Palmenhöhen,
Wo der Lichtkranz ihrer harrt.
So von Andacht, so von Gottvertrauen
Ihre engelreine Brust geschwellt,
Betend diese Heilige zu schauen,
Ist ein Blik in jene Welt!

[30] Lenzwonne

Könt' ich das Entzüken Adams malen,
Als in Edens aufgeblühten Thalen
Ihn des ersten Lenzes Duft umfloß,
Sanft ihn zu begrüssen, jede Kehle
Seines Hains ihm in die trunkne Seele
Niegefühlte Seligkeiten goß!
Dann, o! dann wollt' ich, auf Adlerschwingen,
Dich, o Taumelquell der Wonne, singen,
Dessen Nektar meine Seele trank,
Als der Lenz, mit morgenrother Wange,
Unter hellem Nachtigallgesange,
Heut' in Laura's Garten niedersank!

Laura

Dolce nella memoria!

Tag voll Himmel! da, aus Laura's Bliken,
Mir der Liebe heiligstes Entzüken
In die tiefgerührte Seele drang!
Und, von ihrem Zauber hingerissen,
Ich der Frommen, unter Feuerküssen,
An den süßbeklomnen Busen sank!
O! wie da, im seligsten Getümmel
Niegefühlter Freuden, Erd' und Himmel
Mir Beglüktem rings umher vergieng!
Sanfte Glut durch meine Adern glühte,
Aus dem hocherfreuten Auge sprühte,
Wenn es schmachtend an dem ihren hieng!
[31]
Goldner sah' ich Wolken sich besäumen,
Jedes Blätchen auf den Frühlingsbäumen
Schien zu flüstern: Sie ist ewig dein!
Glüklicher, in solcher Taumelfülle,
Werd' ich, nach verstäubter Erdenhülle,
Nur in Edens Mirthenlauben sein!

Lied

1778.


Am Strauche, den des Mädchens Hand
Im Frühlingstanze streifte,
Daß Silberthau auf ihr Gewand
Aus jeder Blüthe träufte:
Erinnrung! soll, zu deinem Preis,
Ein Altar sich erheben,
Bekränzt mit Rosen, roth und weiß,
Umgrünt von jungen Reben.
Hier wo, mit holdem Engelgruß,
Sie mir ins Auge blickte,
Und ich den ersten Flammenkuß
Auf ihre Lippen drückte:
O Hofnung! dankbar weih' ich hier,
Mit jedem jungen Lenze,
Vor allen Himmelstöchtern dir
Des Gartens erste Kränze.

An den Abendstern

1778.


Stern der Liebe!
Bleich und trübe
Blinkt dein Silberlicht!
[32]
Meinen Bliken
Stralst Entzüken
Du wie vormals nicht!
Deine Schimmer
Fanden immer
Mich bei frohem Sinn;
Doch die Tage,
Sonder Klage,
Flohn zu schnell dahin!
Trennung raubte,
Eh' ichs glaubte,
Meinen Damon mir!
Herzen bluten
Um den Guten,
Thränend klag' ichs dir!

Mailied

Im Getön der Dorfschalmeie,
Sinkt aus unbewölkter Bläue
Sanft der Maimond nieder;
Durch die grüngelokten Sträuche,
Am beschilften Pappelteiche,
Wirbeln Frühlingslieder!
Lieber Mai! mit Lustgesange,
Und mit hellem Gläserklange
Wollt' ich dich, begrüssen;
Wollte, mit gehellten Bliken,
Jedem seligen Entzüken
Meine Brust entschliessen;
Aber eine trübe Stunde
Hat, aus unsrem hohen Bunde,
Damon uns entrissen!
[33]
Ach! nun kann, mit Lustgesange
Und mit hellem Gläserklange,
Ich dich nicht begrüssen!

An Damons Garten

1778.


Blühender Garten! deine Apfelbäume,
Deren röthliche Loken Zefir küßte,
Und die dichtverschlungenen Schattenarme
Deiner Alleen,
Wo, in geheimer Dämrung, Maienkäfer,
Um die Stunde der Abendgloke, sumten,
Turteltauben Klage begannen, werd' ich
Nimmer vergessen!
Ach! es entrauschte manche Wonnestunde,
Beim sokratischen Mahl, an Damons Busen,
Mir im süßvertraulichen Dunkel deiner
Blütengewölbe!
Schönster der Erdengärten! sei noch lange
Meiner heiligen Freuden stiller Tempel!
Jener Freuden, welche die Unschuld Schwester
Nennen und Freundin!
Winket der Todesengel meine Seele
Zu den Sternen empor: so überschatte
Jenes dichte Rosengebüsch den Hügel
Meiner Gebeine!
Freudig entschwebt dann, seinen Lichtgefilden,
Oft mein glüklicher Geist, und lispelt leise,
In die Seelen der Guten, die dort klagen,
Ahndung des Himmels!

[34] An die Freiheit

1778.


Hrn. Rath Perschke gewidmet.


Die ich zur Göttin mir erkohr,
O Freiheit! mit dem Flammenblik,
Dir huldigte
Schon früh mein deutsches Herz!
Laut klopft dem Vaterland' es zu,
Dem Mädchen und dem Freunde laut,
Doch lauter noch,
O Tochter Gottes, dir!
Wer dich nicht liebt, sei nie mein Freund!
Ihm schliesse nie mein Herz sich auf,
Und wäre gleich
Gebirgtes Gold der Preis!
Du bist dem Edlen, der dich kennt,
Das gröste Kleinod, felsenfest
Im Unglükssturm,
Dem Tode selbst zu stark.
Heil dem, den du zum Liebling dir,
Zu deinem Sänger dir erkohrst,
Die Lebensbahn
Wird Eden seinem Blik!
Ihn lokte falscher Schimmer nie
Zum Königsstuhl, zum Fürstensaal,
Nicht Selbstgewin
Und niedrer Durst nach Ruhm.
Heil! Heil! auch mir, ich lernte schon
Als Knabe deinen Wink verstehn,
[35]
Doch besser noch
Verstand der Jüngling ihn!
Du zeigtest, Göttin! mir zuerst
Der Tugend holde Lichtgestalt,
An deiner Hand
Gewan ich ihren Pfad!
Du legtest früh in meine Brust
Zu jeder edlen That den Keim,
Und mancher ist
Emporgeblüht durch dich!
Du leitetest zum Himmelsquell
Der Weisheit und der Schönheit mich,
Gabst Stärke mir
Zu schöpfen tief und gut!
Dank, Dank, o edle Freiheit, dir!
Du flügelst meinen trunknen Geist
Mit Feuerkraft,
Zu wagen jeden Flug!
Du giebst mir himmelhohen Muth,
Wenn Unterdrücker, sonder Zahl,
Aus deinem Arm
Mich loszuwinden, dräun.
Sie mögens nicht! denn deine Hand
Wird ihrem schlaffen Naken schwer,
Wie leichte Spreu,
Zerstieben sie vor dir!
Durch dich biet' ich der Bosheit kühn
Die freie, unbewölkte Stirn;
Dein Schwert flamt auf!
Ihr Sklavenheer erbebt!
[36]
Wenn düstres Trauren mich umringt,
Tief in der Seele Kummer nagt,
Winkst du die Ruh
Dem bangen Geist zurük!
Du lächelst Engelheiterkeit
Auf mein bestrohtes Dach herab,
Wo jeder Tag
Mir unter Lust entfleugt!
Da würzest mir die leichte Kost,
Dein Odem weht, beim Nachtbegin,
Mir Schlummer zu,
Und süß ist meine Rast!
So lang mich dieses deutsche Blut
Durchrollt, bleibt dir mein ganzes Herz,
Ich schwör' es laut!
O Freiheit, zugethan!

Maria

1778.


Im Lindenschatten duftet ein Rasengrab,
Von Tausendschön und Thimian rings umblüht;
Ein schwarzes Kreuz, das einsam aufragt,
Kündet dem Waller, hier ruh' ein Todter!
Voll Wehmuth klopfet schneller mein Herzensschlag!
Des Mitleids Zähre gleitet die Wang' herab:
Denn hier, an dieser ernsten Stäte,
Schlummert Maria den Todesschlummer!
Im reinen Herzen jeglicher Tugend Keim,
Um ihre Stirn den himlischen Unschuldskranz,
Von Engelbrüdern ihr gewunden,
Lebte sie Tage voll Seligkeiten.
[37]
Da kam ein schnöder, heuchelnder Bösewicht,
Die Höll' im Busen, raubte den Unschuldskranz! –
Sie siechte hin, in ihrer Blüte,
Einst der geliebteste Stolz der Mädchen!
Süß sey dein Schlummer, unter der Blumengruft,
Du schöne Seele! bis zum Erwachen süß!
Da du, in hellverklärtem Glanze,
Nimmer zu welken, in Eden aufblühst!
Zu deinem Hügel wandelt die Weinerin,
Bricht Todtenblumen, wendet den Zährenblik,
Und Auferstehungsschauer beben
Durch die erschütterte Mädchenseele!

Freudenlied

1778.


So lang', in diesen stillen Thalen,
Noch Gottes Schöpfung grünt und blüht,
Und von den lieben Sonnenstralen
Geröthet, Hain und Maiflur glüht;
So lang', aus meines Mädchens Bliken,
Noch Jugendlenz und Freude stralt,
Der Liebe himlisches Entzüken
Sich auf die Unschuldswange malt;
So lang', in deutscher Brüder Kreise,
Noch der gefüllte Becher klingt,
Noch jeder, nach der Väter Weise,
Von Vaterland und Freiheit singt:
[38]
Will ich den Gram den Winden geben!
Mich jedes Erdentages freun;
Mir stets die Bahn im Pilgerleben
Mit Freudenblumen überstreun!

Jünglingswonne

So lang' im deutschen Eichenthale,
Natur! dein hehrer Schauer webt,
Und, bei des Mondes Geisterstrale,
Der Adler Wodans mich umschwebt;
So lang' in der Erwählten Blicken
Mir tausend Himmel offen stehn,
Und, mit vergötterndem Entzücken,
Wir Arm in Arm durchs Leben gehn;
So lang', in wackrer Brüder Kreise,
Der Bundeskelch zur Weihe klingt,
Und jeder, nach der Ahnherrn Weise,
In Tells und Hermanns Jubel singt:
Will ich den Gram den Winden geben,
Selbst Augenblicken Kränze weihn,
Und noch, wo Todesengel schweben,
Den Pfad mit Rosen mir bestreun!

Die schöne Erde

1778.


Wenn hochentzükt mein Auge sieht,
Wie schön die Erde Gottes blüht,
[39]
Wie alles Wesen angeschmiegt
An ihren Segensbrüsten liegt;
Und sie, voll Mutterfreundlichkeit,
Sich jedes ihrer Kinder freut,
So inniglich sie alle liebt,
Allmilde Nahrung jedem giebt;
Wie groß und hehr, in Himmelspracht,
Ihr volles Blütenantliz lacht,
Und wie, in steter Jugendkraft,
Sie rastlos waltet, wirkt und schaft:
Dann fühl' ich hohen Feuerdrang,
Zu rühmen den mit Preisgesang,
Des wundervoller Allmachtsruf
Die weite Welt so schön erschuf!
Der Wald und Kraut drauf wachsen ließ,
Von Meeren sie umgürten hieß,
Von dem der Segen alle kömt
Der stündlich ihrem Schooß entströmt!
Drum, o! mein Geist, erheb' ihn laut
Der diese Welt so schön erbaut!
Erfreu', so lang es ihm gefällt,
Dich immer dieser schönen Welt!

Badelied

1778.


Zum Bade! zum Bade!
Vom Blumengestade
Hinab in die wallenden Fluten!
[40]
Die Sonne gebietet,
Sie wütet, sie wütet,
Mit himmeldurchströmenden Gluten!
Ha! wie so gelinde
Die lispelnden Winde
Die glühenden Wangen uns kühlen!
Wie schäumend die hellen,
Lichtblinkenden Wellen
Die schwebenden Hüften umspülen!
Bald tauchen wir nieder,
Bald heben wir wieder
Uns rudernd aus sandichten Tiefen!
Und kämpfen und ringen
Stromüber zu dringen,
Daß Loken und Wangen uns triefen!
Auf Wogen zu schweben,
Sich jauchzend zu heben,
Welch Götterentzüken, ihr Brüder!
Da rauschen den Kummer
Die Wellen in Schlummer,
Da stählt man die nervichten Glieder!
[41]
Durchbrauset die Flächen
Von Flüssen und Bächen,
Von pappelumschatteten Teichen;
Bis Flokengewimmel
Und Stürme vom Himmel
Die glänzende Bläue verscheuchen!

Notes
Entstanden 1776-1778.
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TextGrid Repository (2012). Matthisson, Friedrich von. Gedichte aus der Schulzeit. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2BF1-8