[86] Friedrich Matthisson
Wanderjahre in Deutschland
(1784–1787)

[87] [89]Die Liebe

Sag' an, o Lied, was an den Staub
Den Erdenpilger kettet,
Daß er auf dürres Winterlaub
Sich wie auf Rosen bettet?
Das bist du, süsse Liebe! du!
Du giebst ihm Trost, du giebst ihm Ruh'
Wenn Laub und Blumen sterben!
Und, ach! wenn sein zerrißnes Herz
Aus tausend Wunden blutet,
Was sänftigt dann den Seelenschmerz
Der drinnen ebb't und fluthet?
O Liebe! Liebe! Oel und Wein,
Träufst du den Todeswunden ein,
Tränkst ihn mit Himmelsfreuden.
Wenn ihn Verzweiflung wild umfängt,
Mit hundert Riesenarmen,
Gewaltig ihn zum Abgrund drängt,
Wer wird sich sein erbarmen?
[89]
Du, Liebe! du erbarmst dich sein,
Führst ihn, wenn tausend Tode dräun,
Noch sanft zurück ins Leben!
Wenn er am Sterbebette weint
Von Todesgraun umnachtet,
Wo angstvoll seiner Jugend Freund
Dem Grab' entgegen schmachtet,
Was stillt dann des Verlaßnen Gram?
O Liebe! was der Tod ihm nahm,
Giebst du verschönt ihm wieder!
O Liebe! wenn die Hand des Herrn,
Der Welten Bau zertrümmert,
Kein Sonnenball, kein Mond, kein Stern,
Am Firmament mehr schimmert:
Dann wandelst du der Erde Leid,
Gefährtin der Unsterblichkeit!
In Siegsgesang am Throne!

Die Natur

An Gerstenberg.


Saht ihr, in stiller Sommernacht, den Mond
Durch melancholische Zypressen schaun,
[90]
Wann ringsumher die feiernde Natur
In Schlummer sank und kaum zu athmen schien,
Und jedes Herz in süsser Wehmuth schmolz?
Saht ihr, vom goldnen Abenddämmrungslicht
Sanft angestralt, in stiller Majestät,
Helveziens beeiste Gipfel glühn?
Saht ihr, wie dort vom schroffen Fels der Rhein,
Gleich immerdonnernden Gewittern, sich
In hochgethürmte Schaumgebirge stürzt?
Ha! selbst der hundertjähr'gen Eiche Stamm
Ist seinen Riesenwogen hier ein Spiel!
Saht ihr, vom Sturm empört, den Ozean,
Mit ungezähmter Wuth, bald himmelwärts
Verschlagne Flotten schleudern, bald hinab
Zur schwarzen Tiefe stürzen, donnernd sich
Noch einmal heben, und die Leichen dann
Hochbrandend schmettern an das Felsgestad?
Saht ihr dies alles, so beschwör' ich euch,
O Dichterlinge! bei den Grazien
Und Musen! bei des Mäoniden Geist!
Bei jenen Höh'n, die Klopstocks Genius
Zuerst erschwebte! bei dem Harfenklang
Von Fingals Barden! bei Petrarkas Quell!
Beim Lorbeerbaum der Maros Grab umrauscht!
Bei jenem Paradies der Feeerei
Wo einst Rinaldos Heldenkraft erlag!
Bei Miltons Lichtgruß! bei dem düstern Flor
Um Dantes Nachtstück: Ugolinos Tod!
Bei Hamlets Seyn und Nichtseyn! beim Erguß
Des Vaterherzens an Narzissas Gruft!
[91]
Bei Wielands rosenfarbner Zauberwelt!
Bei Uzens Sonnenflug, bei Allem was
Dem Dichter heilig ist, beschwör' ich euch:
Entweihet nicht das Allerheiligste
Der göttlichen Natur, in Red' und Sang,
Durch leeres Wortgeschäum von Seelensturm,
Von Schwung und Allkraft, Drang und Hochgefühl!
Denn wisset, es verschmäht die Göttliche
Der Dichterlinge Kainsopfer, winkt
Dem Sturm der Zeit, lautzürnend, zu verwehn
Den schwarzen Dampf, der ihr ein Gräuel ist!

An einen Maler

Λεγουσιν,

Α ϑελουσιν.

Λεγετωσαν,

Τι μελει σοι;

Gemma antiqua.


1.
Zu diesem Christuskopf, erhaben, sanft und mild,
Wünscht' ich von deiner Hand, o Freund, ein Gegenbild.
O köntest du das ganz darinn zusammenfassen
Was Seelen edler Art an Bösewichtern hassen.
Die Züge findest du beim Hogarth sonder Müh'.
[92]
Ein schändlicher Pasquill auf Menschheit sah' ich nie,
Als seine Höllenzunft von Lotterbubenköpfen!
Aus diesem Quell, o Freund, mußt du die Züge schöpfen,
Das ekle Mittelding vom Teufel und vom Affen,
Dies Räthsel der Natur getreu und wahr zu schaffen.
Von Holbeins Judas nimm des Blickes Niedrigkeit,
Von G*** die freche Stirn voll Menschenhaß und Neid,
Das übrige wirst du beim Hogarth alles finden.
Hast du dies Konterfei, den Spiegel aller Sünden,
Wovor die Unschuld bebt, die Frömmigkeit erbleicht,
Die Treue sich verhüllt, die Menschenliebe fleucht,
Mit kühner deutscher Kraft, o Künstler, nun vollendet,
Von Schönheit, Lieblichkeit und Anmuth unverblendet:
So gieb als Sinnbild noch in seine dürre Hand
Ihm ein Chamäleon und mal' ihm ein Gewand
Wie weiland Skapin trug, nur noch ein wenig bunter,
Und schreib, troz aller Welt, getrost Voltaire drunter.
2.
Zu diesem Satanskopf, arglistig, frech und wild,
Wünscht' ich von deiner Hand, o Freund, ein Gegenbild.
O könntest du das ganz darinn zusammenfassen
Was Seelen niedrer Art an edlen Menschen hassen!
Die Züge findest du beim Guido sonder Müh'.
[93]
Erhabner huldigte die Kunst der Menschheit nie,
Als da er Bilder schuff die Himmelsanmuth hauchen.
In diesen Quell, o Freund, mußt du den Pinsel tauchen,
Das seltne Mittelding vom Menschen und vom Engel
Zu schaffen ganz und wahr, getreu und ohne Mängel.
Nur nimm von Klopstock noch des Blicks Erhabenheit,
Von Lavater die Stirn voll Lieb' und Menschlichkeit,
Vom Christus des le Brün der Wangen Jugendblüthe;
Hast du dies hohe Bild, den Spiegel reiner Güte,
Wovor das Laster bebt, der freche Spott erbleicht,
Die Falschheit sich verhüllt, der Menschenhaß entfleucht,
Wovor den Höllenblick selbst Adramelech wendet,
Hast du mit deutscher Kraft dies hohe Bild vollendet:
So gieb noch, als Symbol, in die gehobne Hand
Der Wahrheit Fackel ihm, und mal' ihm ein Gewand
Voll Glanz, wie Christus Kleid, als er auf Tabor stand,
Und drunter sei ein Grab bei dem die Tugend weint,
Und auf dem Stein die Schrift: Sie weint um ihren Freund.
Wem hier sein Herz nicht sagt, wer dieser Freund gewesen,
Der kann's im heil'gen Hain der Pappelinsel lesen.

Der Frühlingsabend

Beglänzt vom rothen Schein des Himmels bebt
Am zarten Halm der Thau,
Der Frühlingslandschaft zitternd Bildniß schwebt
Hell in des Stromes Blau.
[94]
Schön ist der Wiese Grün, des Thals Gesträuch,
Des Hügels Blumenkleid,
Der Erlengang, der schilfumkränzte Teich
Mit Blüthen überschneit;
Schön ist der Quell, der Hain, der Abendstern,
Der Baum der Kühlung thaut,
Und alles was mein Auge, nah' und fern,
Dankweinend überschaut!
Ja es umschlingt und hält der Wesen Heer
Der ew'gen Liebe Band!
Den Lichtwurm und der Sonne Feuermeer
Schuff Eine Vaterhand.
Du winkst, Allmächtiger, wenn hier dem Baum
Ein Blüthenblatt entweht;
Du winkst, wenn dort, im ungemeßnen Raum,
Ein Sonnenball vergeht!

Hymne an die Phantasie

An Klopstock.


Wie von Blüthe zu Blüthe die Biene fleugt,
Also schwebst du, o Phantasie,
Umflossen von des Aetherlichts goldenem Strom,
Durch des Himmels heilige Gefilde,
Wonnestralend von Welt zu Welt!
[95]
Gleich des Nordscheins strömendem Purpur glänzt
Deines Fluges blendende Bahn!
Ahndung und Sehnen und Wehmuth,
Und Ruh' und Entzücken und Wonne
Umtanzen in holder
Geniusbildung, o Göttin, dich!
Heil! dir, Unsterbliche, Heil!
Du entschleierst der Erinnerung freundliches Gestirn,
Welchem Allvater über der Lebenszeit
Dämmerndem Grabe zu leuchten gebot!
Heil! dir, Unsterbliche, Heil!
Du bestralst mit Hofnungsmorgenröthe
Der Zukunft umnachteten Hain!
Heil! dir, Unsterbliche, Heil!
Auf des Mondes lieblichen Fluren
Weilst du im Schimmer des Erdenlichts,
Auf der Sonne flammenden Wogen
Wiegst du, Himmlische, jauchzend dich,
Wie auf der Waizensaat grünlichen Wallungen
Sanft sich wieget der Abendwind!
Schwingst dich höher hinan, wo der Altar,
Dem, der aus Welten ihn baute, flammt;
Wo im Kranze die Rose des Himmels
Opfergerüche zu ihm sendet empor
Der aus Lichtglanz webte ihrer Blätter
Stralende Herrlichkeit;
Wo sein Haupt der Adler majestätisch hebt,
Und der melodische Schwan
Horchet der Leier begeisterndem Silberklang!
Breitest die Fittige stürmender dann,
Und fleugst empor, empor, wo der Sterne Lied
Triumph und Jubel und Vollendung tönt;
Wo des unvergänglichen Seyns
Lebendige Vorempfindung, (ach! im Thal des Staubs
Nur leiser, kaumgehörter Laut!)
[96]
Im reinsten Vollklang dich umströmt;
Wo der Wesen unendliche Leiter,
Umschlungen von den Banden der ewigen Harmonie,
Sich dir in unbewölktem Himmelsschein enthüllt,
Bis dahin, wo sie an des Urlichts Quell,
In eignem Glanze sich verliert,
Und wo der kühnste deiner Schwünge
Sie ewig und ewig nicht ermißt!

Hymne an die Hofnung

An Gotthardt Grafen von Mannteuffell.


Wie der Schimmer des Mondes
Durch die Schatten der Haine blinkt,
Auf umnachteter Woge leuchtet:
Also glänzt, mit Sternenklarheit,
Durch der Wehmuth Nebelschleier,
Durch des Kummers Nacht dein Lächeln,
Freundin der Engel und Menschen, o Hofnung!
Wie der steigenden Sonne
Die purpurne Frühe voranfleugt:
Also fleugst du, auf stralenden Flügeln,
Dem Tage des Lohns am errungenen Ziele,
Dem Tage der ewigen Wonne voran,
Trösterin aller Verlaßnen, o Hofnung!
Wie dem Kuße der Lenzluft
Sich die Blume des Thals enthüllt,
Sich die Knospe des Hains entfaltet:
Also schleußt dir meine Seele sich auf,
Freundliche Tochter des Himmels, o Hofnung!
[97]
Wann du mit holdem Engelgruß,
Auf öden Felsenpfaden mir erscheinst:
O dann vergoldet sich des Lebens Horizont
Mit mildem Glanz aus bessern Welten;
O dann schweben, heilverkündend,
Lächelnde Ahndungsgestalten,
Gleich der Flammensäule des erwählten Volks,
In lichten Schaaren vor mir her und streuen
Leitende Schimmer auf meine Bahn.
O Hofnung! Hofnung! tröstend wie Frühlingshauch
Nach Winterstürmen! freundlich wie Morgenroth!
Entzückend wie die Sommermondnacht!
Lieblich wie auf Mädchenwangen
Des ersten Kußes keusche Röthe:
Wenn alles um mich her verblüht und stirbt,
Wenn alles fällt und sinkt und untergeht:
O Hofnung! Hofnung! dann verlaß mich nicht!
Umströme ganz mit hoher Himmelsahndung,
Mit Vorempfindung der Unsterblichkeit,
Mit Freuden Gottes mir die müde Seele,
Und hebe des Verlaßnen Geist empor
Zu lichten Höh'n und zeig in heil'ger Ferne
Ihm seiner Wallfahrt palmumkränztes Ziel,
Wo an des Urlichts unerschaffnem Quell
Das Halleluja der Vollendung tönt;
Ach! wo die bessern, gleichgeschaffnen Seelen
[98]
Des Wiederfindens unaussprechliches Entzücken,
Des ewigen Vereinens sanftre Wonne
In Strömen trinken, unter Engelchören
Dem Thron des Allvollkommnen näher wallen,
Mit süsser Sehnsucht ihrer Zukunft Loos
Im Seraph ahnden und es ganz empfinden,
Daß Lieb' auf Erden trübe Dämmrung nur,
Daß Lieb' im Himmel Sonnenaufgang ist!

Die Sommernacht

Wann mir dein Fittig, duftende Sommernacht,
Im Thal des mondbeschimmerten Silberquells,
Auf hainumkränzten Blumenhügeln
Oder im Schatten der Erle, säuselt:
Dann bebt Entzückungsschauer durch mein Gebein!
Dann tagt der Schwermuth täuschende Dämmerung,
Und mild, wie Abendsonnenblicke,
Lächelt der Hofnung entwölktes Auge!

An Laura

Freud' umblühe dich auf allen Wegen,
Schöner als sie je die Unschuld fand,
Seelenruh, des Himmels bester Segen
Walle dir wie Frühlingshauch entgegen,
Bis zum Wiedersehn im Lichtgewand!
Lächelnd wird der Seraph niederschweben,
Der die Palme der Vergeltung trägt,
[99]
Aus dem dunkeln Thal zu jenem Leben
Deine schöne Seele zu erheben,
Wo der Richter unsre Thaten wägt.
O dann töne Gottes ernste Waage
Wonne dir, von jedem Misklang frei,
Und der Freund an deinem Grabe sage:
Glückliche! der lezte deiner Tage
War ein Sonnenuntergang im Mai!

An Laura

Ueber den Sternen, Freundin, in des Himmels
Ewigblühenden Lauben, wo die hohen
Halleluja feiernder Engel tönen,
Sehn wir uns wieder!
Heiter und lichthell rinn' indeß dein Leben
Durch das lachende Maithal deiner Jugend,
Unschuld, Freud' und ländliche Ruhe müssen
Ewig dich kränzen!

[100] Die Liebe

Wenn nicht mit Göttermacht die Liebe
Aus Dunkelheiten unser Herz
Zu lichten Himmelshöh'n erhübe,
Wer trüge dann des Lebens Schmerz?
Sie tränkt den Geist mit Seligkeiten,
Die selbst Petrarka's Lied nicht singt,
Sie folgt dem Fluge des Geweihten,
Wann er dem Staube sich entschwingt!
Und stürzt', umdonnert von den Flammen
Des schreckenvollen Weltgerichts,
Der Erdkreis unter ihr zusammen,
Die Liebe bleibt und fürchtet nichts!

An die Liebe

Wenn deine Göttermacht, o Liebe,
Aus der Verbannung Nebelthal
Zur Sternenwelt uns nicht erhübe,
Wer trüge dann des Lebens Qual?
Ins Reich der Unermeßlichkeiten,
Bis wo die letzte Sphäre klingt,
Folgst du dem Fluge des Geweihten,
Wenn er dem Staube sich entschwingt!
[101]
Und stürzt, umwogt von Feuerfluthen,
Der Erdball selbst ins Grab der Zeit,
Entschwebst, ein Phönix, du den Gluthen;
Dein Nam' ist Unvergänglichkeit!

Die Vollendung

Wenn ich einst das Ziel errungen habe,
In den Lichtgefilden jener Welt,
Heil, der Thräne dann an meinem Grabe
Die auf hingestreute Rosen fällt!
Sehnsuchtsvoll, mit hoher Ahndungswonne,
Ruhig, wie der mondbeglänzte Hain,
Lächelnd, wie beim Niedergang die Sonne,
Harr' ich, göttliche Vollendung, dein!
Eil', o eile mich empor zu flügeln
Wo sich unter mir die Welten drehn,
Wo im Lebensquell sich Palmen spiegeln,
Wo die Liebenden sich wieder sehn.
Sklavenketten sind der Erde Leiden,
Oft, ach! öfters bricht sie nur der Tod!
Blumenkränzen gleichen ihre Freuden,
Die ein Westhauch zu entblättern droht!

[102] An Amaliens Lieder

O könnt' ich euch, ihr kleinen Lieder,
Doch jeder guten Seele weih'n!
Ihr seyd so sanft, so wahr, so rein,
Und hallt mir tief im Herzen wieder
Wie Flötenton im Hain!
Der Sprache feingewebter Schleier
Umwallt wie leichter Duft euch nur
Verräth auch die geheimste Spur
Von heiliger Empfindung Feuer,
Von Einfalt und Natur.
Euch schuf ein Genius der Trauer,
Die, wenn des Lebens Schwüle drückt,
Ins Land der Ruh' hinüberblickt,
Und selbst mit froher Ahndung Schauer
Von Gräbern Blumen pflückt.
Seit ihr, wie Abendglanz, o Lieder!
Der Seele Dunkel mir erhellt,
(Des Dankes stille Thräne fällt
Mir hier vom Auge) glaub' ich wieder
An eine Unschuldswelt.
Um diese schöne Welt zu finden
Muß man, eh' Lenz und Sommer fliehn,
Mit Blumen, die der Unschuld blühn
Der Grazien Altar umwinden,
Wie eure Sängerin.

Der Eutinersee

An Voß.


Herrlich, o See, sind deine Silberfluthen,
Sanft vom goldenen Abendschein geröthet
[103]
Oder mild, in Nächten des Mais, vom stillen
Monde beleuchtet!
Lüfte des Frühlings bebten durch die Wipfel!
Vögel sangen im Grünen! Wolkenbilder
Schwebten, hell vom westlichen Stral, in deiner
Wallenden Klarheit!
Rinnen, o Voß, wird spät noch der Erinnrung
Schwermuthsvollere Thräne, ach! den Freuden,
Die durch dich im Thale des Sees, in diesem
Irdischen Himmel,
Unter den Linden, die den grünumschilften
Agneswerder beschatten, in der Laube
Stillvertrautem Dunkel und in des Gartens
Kühle mich kränzten!

Die Tugend. Dem Grabe Elisas geweiht

Heil dir, Vollendete! du hast den Kranz errungen
Den dir die Tugend wand; durch trübe Dämmerungen
Drangst du mit Himmelskraft empor zum ewgen Licht,
Dich schreckte selbst die Nacht am Scheidewege nicht;
Ein Schimmer jenes Heils, das dort am Wonneziel
Der guten Seelen stralt, erhob dich zum Gefühl
Der Unvergänglichkeit.
[104]
Und dies Gefühl vor dem das wüthende Getümmel
Der Erdenstürme schweigt, das einen ganzen Himmel
Stillheitrer, sanfter Ruh' in edle Seelen gießt,
Ist der erhabne Lohn der aus der Tugend fließt!
Wo diese Gottheit wohnt, blüht Engelseligkeit,
Wallt spiegelrein und still der Strom der Lebenszeit
Durch Paradiesesau'n!
Es mag umschwärzt von Nacht und grausen Ungewittern,
Vom Donnersturm umras't, des Erdballs Axe zittern,
Der Elemente Kampf Tod und Vernichtung dräu'n,
Und stolzer Flotten Macht wie dürres Laub verstreun:
Wo diese Gottheit wohnt, erheitert sich die Luft,
Die Fluren sind Gesang, und Kühlung weht und Duft
Aus stiller Haine Grün!
Es mag, am jähen Rand verlaßner, wilder Küsten
Auf rauher Felsenbahn, in menschenleeren Wüsten
Der müde Wandrer gehn; schon brach sein Pilgerstab,
Schon dünkt die Schöpfung ihm ein immeroffnes Grab:
Wo diese Gottheit wohnt, verschönt sich jeder Pfad,
Wo ihres Lieblings Tritt voll Zuversicht sich naht,
Zum Schattengang der Ruh'!
[105]
Es mag des Todes Arm, im Vollgenuß der Freuden
Erhabner Sympathie, den Freund vom Freunde scheiden,
Der sanft und fest und treu, am Abgrund der Gefahr,
Wie auf der Bahn des Glücks, ihm Alles, Alles war:
Wo diese Gottheit wohnt, Verlaßner, da erhellt
Der Zukunft Mitternacht ein Stern der bessern Welt
Mit sanfter Hofnung Glanz!
Es mag, wenn ringsumher die Rosen sich entfärben,
Des Jünglings Scherze fliehn, des Mannes Freuden sterben,
Der lezte süsse Ton der Liebe selbst verwehn
Und jedes goldne Bild der Täuschung untergehn:
Wo diese Gottheit wohnt, reicht die Erinnerung
Dem Allvergeßnen noch den lezten Labetrunk
Wenn schon sein Auge bricht!
Kein Stundenschlag ertönt, kein Tropfen Zeit entfluthet,
Wo nicht ein edles Herz um edle Herzen blutet,
Kein Abendstern erscheint, kein Morgenroth beginnt,
Wo nicht der Wehmuth Schmerz auf frühe Gräber rinnt:
Wo diese Gottheit wohnt, hebt über Grab und Zeit
Und Trennung das Gefühl der Unvergänglichkeit
Des Dulders Geist empor!

Himmelsglaube

Es mag der Trennung Arm, im Vollgenuß der Freuden
Erhabner Sympathie, den Freund vom Freunde scheiden,
Der sanft und fest und treu, am Rande der Gefahr,
Wie auf der Bahn des Glücks, ihm Alles, Alles war:
Wo Himmelsglaube wohnt, Verlaßner! da erhellt
Der Zukunft Mitternacht ein Stern der höhern Welt,
Und aus der Ferne winkt voll Glanz
Die Hoffnung mit dem Siegeskranz!
[106]
Es mag, wenn ringsumher die Rosen sich entfärben,
Des Jünglings Scherze fliehn, des Mannes Freuden sterben,
Der letzte süße Ton der Liebe selbst verwehn,
Und jedes goldne Bild der Täuschung untergehn:
Wo Himmelsglaube wohnt, beut ihren Labetrunk
Dem Allvergeßnen mild noch die Erinnerung,
Wenn ihm die Wange, schwer und kalt,
Des Todes Odem schon umwallt.
Kein Stundenschlag ertönt, kein Tropfen Zeit entfluthet,
Daß nicht ein edles Herz um edle Herzen blutet;
Kein Abendstern erscheint, kein Morgenroth erglänzt,
Daß fromme Liebe nicht ein frühes Grab umkränzt:
Wo Himmelsglaube wohnt, schwingt über Gruft und Zeit
Und Trennung, im Gefühl der Unvergänglichkeit,
Sich zu verwandter Engel Chor
Des Ueberwinders Geist empor!

Elegie an Sophie von Seckendorf und Eleonore von Kalb

In des einsamen Thales Umschattungen, wo sich der Bergquell
Durch verwachsnes Gesträuch, schäumend vom Felsenhang stürzt,
Weilt' ich im dämmernden Lichte des sinkenden Tages und streute,
[107]
In Gedanken versenkt, sterbendes Laub in die Fluth:
Siehe! da nahte, bekränzt mit halbentblätterten Rosen,
Die Erinnerung mir, lächelnde Wehmuth im Blick.
Ein verblichnes Gewand umwallte die göttliche Bildung,
Unter der Wandelnden Fuß sproßten Vergißmeinnicht auf.
Herzlich sei mir gegrüßt, im scheidenden Strale des Tages!
Rief ich der Himmlischen zu, zaubre, du Freundliche, mir
Jene Stunden der Wonne zurück, in täuschenden Bildern,
Die mir am Busen der Ruh' oder der schönen Natur,
Die mir im trauten Gespräch mit ähnlichempfindenden Seelen,
Oder am heiligen Born göttlicher Weisheit entflohn!
Ach! der Sterblichen Freuden, sie gleichen den Blüthen des Lenzes,
Die ein spielender West sanft in den Wiesenbach weht,
Eilig wallen sie, kreisend auf tanzenden Wellen hinunter,
Gleich der entführenden Fluth kehren sie nimmer zurück!
Also fleht' ich, da neigte mit unaussprechlicher Anmuth,
Mit entwölkterem Blick, sich die Göttin herab,
Und enthüllte die blendende Fläche des magischen Spiegels,
Der, lebendig und treu, jeder Vergangenheit Bild,
Von den seligen Spielen des Knaben, bis zu des gebeugten
Greises wankendem Tritt, jedes Geliebten Gestalt,
[108]
Den das Schicksal seit Jahren aus unsern Umarmungen loswand,
Im verschönernden Licht süsser Begeisterung zeigt.
Bilder kamen und Bilder verschwanden; die Tage der Kindheit
Wallten, von Freuden umtanzt, lächelnd und rosig vorbei.
Wie erbebte die frohe, im Anschaun ergossene Seele!
O wie schauerte mir Wonne durch Mark und Gebein!
O wie ruhte mein Blick mit Himmelsempfindung auf jeder
Holden Freundesgestalt, die mir im Spiegel erschien!
Bilder kamen und Bilder verschwanden; der Tage des Jünglings
Wallten wenige nur lächelnd und rosig vorbei.
Unter den wenigen grüßte vor allen mein Auge mit Thränen
Stiller Freude den Tag, der mir auf herbstlicher Flur,
An den wildromantischen Berggestaden des Neckars,
Unter Gefühlen entfloh welche die Sprache nicht nennt!
Edle Seelen! durch euch entfloh dieser Tag unter Freuden,
Unter Empfindungen mir, welche die Sprache nicht nennt!
Ihr, o Freundinnen, kränztet ihn herrlich mit Blüthen der Freundschaft
Wie sie jenseits der Gruft bei den Unsterblichen blühn!
Darum werd' ich auch sein mit Wehmuth und Wonne gedenken
Bis meinen schlummernden Staub einst die Vergessenheit hüllt.
Blumen werd' ich mit jeglichem Lenze, zu seinem Gedächtniß,
[109]
Der Erinnerung weihn, welche sein Bild mir bewahrt,
Wie der traurende Freund des frühvollendeten Freundes
Einsamgrünendes Grab weinend mit Blumen bestreut.
Wann verborgen und still mein Leben mir einst in der Ferne
Gleich dem versiegenden Quell öder Gefilde verrinnt:
O dann werd' ich noch oft im Geiste den Bergpfad erklimmen,
Wo das Rauschen des Stroms, welcher aus Felsengeklüft,
Tief im waldichten Thal, mit stürzender Eil sich hervorwälzt,
Wo der Nebel, der sanft an den Gebirgen hinab
Sich in bläulichen Wallungen zog, wie von Geistergestalten,
Von des umdüsterten Hains röthlichen Wipfeln durchblickt,
Wo die melodische Quelle, die blinkend wie Licht von des Berges
Schattiger Höh' sich herab tönend ins Wiesenthal gießt,
Wo der Gang durch Rebengeländer voll schwellender Trauben,
Wo zur Linken der Berg, dunkel mit Waldung schattirt,
Und die Engelswiese zur Rechten am grünenden Abhang,
Wo die ganze Natur, rührend und feierlichernst,
O gefühlvolle Beide, der reinsten Empfindung geschaffen,
Euch zur göttlichen Ruh' seliger Geister erhob!
Wann verborgen und still, mein Leben mir einst in der Ferne
Gleich dem versiegenden Quell öder Gefilde verrinnt:
O dann werd' ich noch oft mein Auge gen Himmel erheben
Und dem Unendlichen flehn, daß Euren irdischen Pfad
Linde Lüfte der Ruh', wie Hauche des Frühlings, umathmen,
[110]
Daß Euch heiter und mild strale der Hofnung Gestirn,
Bis die Hülle des Geistes zerfällt und in himmlischen Welten
Euch der Morgen erwacht, welchem kein Abend mehr folgt.
Dort, wo nicht mehr auf Gräber die Thräne der Zärtlichkeit hinträuft,
Wo mit dem Freunde den Freund, mit dem Geliebten die Braut
Lohnend die ewige Liebe zu ewiger Liebe vereinigt,
Wo der Himmel sich nie über dem Liebenden wölkt!

An den Abendstern

Wie ruhig blinkt aus wolkenloser Ferne
Dein schönes Licht, du freundlichster der Sterne,
Wie lieblich wallt im See dein zitternd Bild!
Wie oft hast du, wenn ich, vom West umfächelt,
Im Grünen lag, mir Seelenruh' gelächelt,
Wie oft mit hoher Ahndung mich erfüllt!
Ist's Mitleid, was dein sanftes Auge trübte?
Von Allen fern die meine Seele liebte
Wall' ich des Lebens dunkle Bahn hinab!
Wann wird der Schwermuth trübe Dämmrung tagen?
Ach! wann verhallt die lezte meiner Klagen?
Wann blickst du auf mein unbethräntes Grab?

[111] An die Weisheit

Stern der einsamen Nacht, o Weisheit, lächle mir freundlich!
Leite mein wankendes Schiff sicher durch Wogen und Sturm;
Bis auf dem Eiland der Ruh', ein blühendes Tempe mich aufnimmt,
Wo kein Gewölk deines Strals himmlische Reine mehr trübt.

Beruhigung

Wo durch dunkle Buchengänge
Blasser Vollmondschimmer blinkt,
Wo um schroffe Felsenhänge
Sich die Epheuranke schlingt,
Wo aus halbverfallnem Thurme
Ein verlaßnes Bäumchen ragt,
Und, emporgescheucht vom Sturme,
Schauervoll die Eule klagt;
Wo um sterbende Gesträuche
Sich der graue Nebel dehnt,
Wo im trüben Erlenteiche
Dürres Rohr im Winde tönt,
Wo in wildverwachsnen Gründen
Dumpf der Waldstrom wiederhallt,
Und, ein Spiel den Abendwinden,
Welkes Laub auf Gräber wallt;
[112]
Wo, im bleichen Sternenscheine,
Um den frühverlornen Freund,
Einsam im Zypressenhaine,
Hofnungslose Sehnsucht weint:
Da, da wandelt, von den Spielen
Angestaunter Thorheit fern,
Unter ahndenden Gefühlen,
Schwermuth, dein Vertrauter gern!
Da erfüllt ein stilles Sehnen
Nach des Grabes Ruh' sein Herz,
Da ergießt in heissen Thränen
Sich der Seele banger Schmerz,
Und sein Blick durchschaut die trübe
Zukunft ruhig bis ans Grab,
Und es tönt: Gott ist die Liebe!
Jeder Stern auf ihn herab!

Beruhigung

Wo des Mondes bleicher Schimmer
Durch der Kiefern Dunkel blickt,
Wo um wildes Felsgetrümmer
Sich die Efeuranke strickt;
Wo des Nebels Todtenschleier
Sich um Herbstgesträuche dehnt;
Wo am trüben Erlenweiher
Dürres Rohr im Winde tönt;
Wo in schwarzen Alpenschlünden
Dumpf der Bergstrom wiederhallt,
[113]
Wo, ein Spiel den Abendwinden,
Welkes Laub auf Gräber wallt:
Da, da wandelt, von der Thoren
Eitler Schimmerbühne fern,
Schwermut! der den du erkohren,
Unter Ahndungsträumen, gern.
Da erfüllt ein stilles Sehnen
Nach des Grabes Ruh' sein Herz;
Da ergießt in heissen Thränen
Sich der Seele banger Schmerz,
Und sein Blick durchschaut die trübe
Zukunft ruhig bis ans Grab,
Und es ruft: Gott ist die Liebe!
Jeder Stern auf ihn herab.

Elegie in den Ruinen eines alten Bergschlosses geschrieben

Schweigend in der Abenddämmrung Schleier,
Ruht die Flur, das Lied der Haine stirbt,
Nur daß hier, im alternden Gemäuer,
Melancholisch noch ein Heimchen zirpt.
Stille sinkt aus unbewölkten Lüften,
Langsam ziehn die Heerden von den Triften,
Und der müde Landmann eilt der Ruh
Seiner väterlichen Hütte zu.
Hier, auf diesen waldumkränzten Höhen,
Unter Trümmern der Vergangenheit,
Wo der Vorwelt Schauer mich umwehen,
Sei dies Lied, o Wehmuth, dir geweiht!
[114]
Traurend denk' ich, was vor grauen Jahren
Diese morschen Ueberreste waren;
Ein bethürmtes Schloß, voll Majestät
Auf des Berges Felsenstirn erhöht!
Dort, wo um des Pfeilers dunkle Trümmer
Traurigflüsternd sich der Epheu schlingt,
Und der Abendröthe trüber Schimmer
Durch den öden Raum der Fenster blinkt,
Segneten vielleicht des Vaters Thränen
Einst den Edelsten von Deutschlands Söhnen,
Dessen Herz der Ehrbegierde voll,
Heiß dem nahen Kampf entgegen schwoll.
Zeuch in Frieden, sprach der greise Krieger,
Ihn umgürtend mit dem Heldenschwert,
Kehre nimmer, oder kehr' als Sieger,
Sei des Namens deiner Väter werth!
Und des edlen Jünglings Auge sprühte
Todesflammen, seine Wange glühte,
Gleich dem aufgeblühten Rosenhain
In der Morgenröthe Purpurschein.
Wild, wie Meere toben, flog der Ritter
Dann mit frohem Ungestüm zur Schlacht,
Wie der Tannenwald im Sturmgewitter,
Beugte sich vor ihm des Feindes Macht!
Mild, wie Bäche, die durch Blumen wallen,
Kehrt er zu des Felsenschlosses Hallen,
Zu des Vaters Freudenthränenblick,
In des keuschen Mädchens Arm zurück.
Ach! mit banger Sehnsucht blickt die Holde
Oft vom Söller nach des Thales Pfad;
Schild' und Panzer glühn im Abendgolde,
[115]
Rosse fliegen! der Geliebte naht!
Sprachlos nun die treue Hand ihm reichend,
Steht sie da, erröthend und erbleichend,
Aber was ihr sanftes Auge spricht,
Sänge selbst dein Mund, o Liebe, nicht!
Laut erscholl im hochgewölbten Saale,
Dort wo aus dem Schutt die Säule ragt,
Dann der Klang der mächtigen Pokale,
Unter Freud' und Scherz entfloh die Nacht.
Die Geschichten schwererkämpfter Siege,
Grauser Abentheu'r im heilgen Kriege,
Weckten in der rauhen Helden Brust
Die Erinnrung schauerlicher Lust.
O der Wandlung! Graun und Nacht umdüstern
Nun den Schauplaz jener Herrlichkeit!
Schwermuthsvolle Abendwinde flüstern,
Wo die Starken sich des Mahls gefreut!
Disteln wanken einsam auf der Stäte,
Wo um Schild und Speer der Knabe flehte,
Wann der Schlachtdrommete Ruf erklang
Und sich wild aufs Roß der Vater schwang!
Asche sind die ehernen Gebeine,
Staub der Helden Felsenstirnen nun!
[116]
Kaum daß halbversunkne Leichensteine
Noch die Stäte melden, wo sie ruhn.
Viele wurden längst ein Spiel der Lüfte,
Ihr Gedächtniß sank wie ihre Grüfte,
Und den Thatenglanz der Heldenzeit
Hüllt das Dunkel der Vergessenheit!
So vergehn des Lebens Herrlichkeiten!
So entfleucht das Traumbild eitler Macht!
So versinkt im schnellen Lauf der Zeiten,
Was die Erde trägt, in öde Nacht!
Lorbeern, die des Siegers Stirn umkränzen,
Thaten, die in Erz und Marmor glänzen,
Urnen, der Erinnerung geweiht,
Und Gesänge der Unsterblichkeit!
Alles was mit Sehnsucht und Entzücken
Hier am Staub ein edles Herz erfüllt,
Schwindet, gleich des Herbstes Sonnenblicken,
Wenn ein Sturmgewölk den Aether hüllt.
Die am Abend freudig sich umfassen
Sieht die Morgenröthe schon erblassen;
Selbst der Freundschaft und der Liebe Glück
Läßt auf Erden keine Spur zurück!
Süsse Liebe! deine Rosenauen
Gränzen an bedornte Wüstenei'n,
Und ein plözliches Gewittergrauen
Düstert oft der Freundschaft Himmelsschein.
Hoheit, Ehre, Macht und Ruhm sind eitel!
Eines Weltgebieters stolze Scheitel
Und ein zitternd Haupt am Pilgerstab
Deckt mit einer Dunkelheit das Grab!

[117] An die Nymphen des Quells der Liebenden

Hier durchathmeten Lüfte des Frühlings die Locken des Mädchens;
Hier umwallte das Gras spielend ihr weisses Gewand;
Hier umschlang sie der selige Jüngling, bekränzt mit den Blüthen
Später Erhörung, zuerst unter dem dämmernden Baum!
Schüzt, ihr freundlichen Nymphen, dies heilige Pläzchen der Liebe,
Wo das glücklichste Paar ewige Treue sich schwur.

Geweihte Stäte

Schützt allgütig, ihr Nymphen, dies heilige Plätzchen der Liebe!
Nimmer bekränze der Faun hier der Mänade den Kelch.
Aber den Grazien spendet, beim Reigen, die duftenden Glöckchen,
Welche die Schläfe des Mais, schimmernd wie Silber umblühn.

Erhörung

Endlich blühte der Knospenkranz der Hoffnung
Und es glänzte die Wolk', auf der sie schwebte,
Gleich dem Schleier Aurorens, bei des Maitags
Leisem Erwachen.
[118]
Endlich sank ich ans Herz der Auserkohrnen!
Da, da schwanden die Eumeniden-Bilder
Aus der Trennungen Graun in des Vergessens
Ewige Nebel.
Nur des scheidenden Grabes Dunkel schreckt mich!
O daß unser Gebein, zu gleicher Stunde,
Erd', Allgütige, du mit Einem Rasen
Mütterlich decktest!

Der Grabstein

Bemooster Stein, im heiligen Gefilde
Der Aussaat Gottes, sei mir froh gegrüßt!
O du, auf den des Abendhimmels Milde
So freundlich sich ergießt!
Seit Jahren schweigen dir die Klagetöne
Des Freundes schon; auch sein Gebein ist Staub!
Dir streut kein Mädchen mehr, mit frommer Thräne,
Des Frühlings Erstlingslaub!
Wer nennt mir deinen Schlummrer! Halbverwittert,
Blieb dir des Todtenkopfes Zierde nur,
Die Schrift erlosch, und Wintergrün umzittert
Des Namens dunkle Spur!
[119]
Dir eil' ich zu, des Weltgetümmels müde,
Wann durchs Gebüsch die Abendröthe bebt,
Altar der Hofnung! wo Jehovas Friede
Auf Engelflügeln schwebt!

Die Trennung

An Henriette.


Wann der bängste meiner Erdentage,
Furchtbar wie das Weltgericht, erscheint,
Dann, du weichgeschaffne Seele, klage
Mitleidsvoll um den verlaßnen Freund!
Düster werden seine Jahre schwinden,
In Gefilden, wo kein Blümchen sprießt,
Bis im Schatten stiller Kirchhoflinden
Seinen Staub die Rasengruft umschließt.
In der Schwermuth schauervollen Hainen
Wird dem Traurenden dein liebes Bild,
Wie ein Engel Gottes oft erscheinen,
In der Hofnung Morgenroth gehüllt!
Ruh' wird dann ins bange Herz ihm sinken,
Trost von Gott auf ihn herunterwehn!
Wo den Lichtquell die Verklärten trinken,
Freundin! werden wir uns wiedersehn!
Wall' indeß des Lebens dunkle Thale,
Frommes Mädchen, sonder Harm und Leid,
Wie ein Stern aus bessern Welten strale
Dir der Glaube der Unsterblichkeit!

[120] An Raphaels Johannes in der Wüste

Düsseldorf, im Sept. 1786.


Göttlicher Jüngling, umleuchtet vom sterbenden Scheine des Abends,
Weilst du im einsamen Thal, unter des Felsens Gesträuch;
Senkst den flammenden Blick, voll heiliger Stille des Geistes,
Auf des fliehenden Bachs düsterbeschattete Fluth!
Himmelserscheinung auf Erden! im Irrgang' des wechselnden Schiksals
Ström' überwindende Kraft, Ahndung und Ruh' mir ins Herz!
Sieh'! ich eilte dir zu, die Seele voll stürmenden Unmuths;
Stiller und besser durch dich kehr' ich zur Heimath zurück!

Die Elfenkönigin

Was unterm Monde gleicht
Uns Elfen flink und leicht?
Wir spiegeln uns im Thau
Der sternenhellen Au,
Wir tanzen auf des Baches Moos',
Wir wiegen uns am Frühlingssproß,
Und ruhn in weicher Blumen Schooß!
Ihr Elfen, auf den Höh'n!
Ihr Elfen, an den See'n,
Zum thaubeperlten Grün
Folgt eurer Königin!
Im grauen Mettenfädleinkranz,
Umflimmert von des Glühwurms Glanz,
Herbei! herbei! zum Mondscheintanz!
[121]
Ein Schleier, weiß und fein,
Gebleicht im Sternenschein
Auf kühler Todtengruft,
Umwall' euch leicht wie Duft!
Durch Moos und Schilf, durch Korn und Hain,
Bergauf, thalab, waldaus, feldein,
Herbei! herbei! zum Ringelreihn!
Beim Sommermondscheinball,
Am Quell im Erlenthal,
Umschleiert unser Chor
Ein weisser Nebelflor;
Wir kreisen schnell, wir schweben leicht,
Ein finstres Gnomenheer entsteigt
Dem Erdenschooß und harft und geigt!
Das Mark vom Schmetterling
Den eine Jungfrau fieng,
Das Hirn der Nachtigall
Bereiten wir zum Mahl,
Und schlürfen, unter Rundgesang
Und Flötenton und Harfenklang,
Aus Blumenkelchen Göttertrank!
Herbei! herbei! zum Tanz
Im Mettenfädleinkranz!
Schnell rollt der Elfen Kreis
Im zirkelrunden Gleis!
Wo ist ein Fuß der nimmer glitt?
Wir Elfen fliehn mit Zephyrschritt,
Kein Gräschen beuget unser Tritt!

[122] Himmelsahnung

O Himmelsahnung! die du dem Vergessen
Durchkämpfter Erdentage Schmerzen weihst,
Empor von der Geliebten Grabzipressen
Hebst auf der Sehnsucht Flügeln du den Geist
Zum Wahrheitslicht', am Sonnenthrone dessen,
Der Schöpfungshauch um Grüfte wandeln heißt,
Daß der Veredlung Reich, in goldner Heitre,
Sich unermeßlich seinem Blick erweitre!

Mitgefühl

Im Irrgang dieses Lebens
Ists oft so bang' und schwül!
Und mancher fleht vergebens
Um Trost und Mitgefühl.
Du hast umsonst so sehnlich
Zum Himmel nicht gefleht;
Du fandst, dem deinen ähnlich,
Ein Herz, das dich versteht.
Der Leiden Ueberfülle
Versenk' in dieses Herz,
Und weih' der Abendstille
Nicht mehr den stummen Schmerz!
[123]
Blick auf, o Hoffnungslose!
Hoch in der Zukunft Hain
Entknospet Ros' auf Rose,
Den Weg dir zu bestreun!
Den Weg, wo Morgenschauer
Durch alle Pulse dringt,
Und los von jeder Trauer
Dein edler Geist sich ringt!

Entsagung. Emma an Eduard

Die Hoffnung hat den Stab gebrochen!
Das Todeswort ist ausgesprochen:
Entsagung ohne Wiedersehn!
Du sahst, indeß mein Schutzgeist weinte,
Den schönen Stern, der uns vereinte,
Mit kaltem Gleichmuth untergehn!
Zurück in beßre Zonen wallten
Des Wahnes holde Lichtgestalten;
Die Schöpfung ward mir freudenleer.
Kein Gott erneut, was mich beglückte!
Die Blume, die der Sturm zerknickte,
Hebt ihr verblichnes Haupt nicht mehr.
Leb' wohl auf ewig! Dieser Töne
Gedämpfter Feierklang versöhne
Dem Opfer der Verblendung dich!
Von jedem andern Trost verlassen,
Bleibt mir der eine nur: Nicht hassen,
Ach! nur bedauern kannst du mich!

[124] Unsterblichkeit

Ich werde seyn! wenn alles untergeht,
Was Friedrichs Geist und Friedrichs Arm gegründet;
Ich werde seyn! wenn deine Majestät,
Die einst den Erdball überstralt', o Rom!
Kein blasser Abendschimmer mehr verkündet;
Und selbst der Montblanc in der Wandlung Strom,
Der tausendarmig sich durchs Weltall windet,
Mit jeder Spur, wie leichter Schaum, verschwindet.

Lebenslied

Kommen und Scheiden,
Suchen und Meiden,
Fürchten und Sehnen,
Zweifeln und Wähnen,
Armuth und Fülle, Verödung und Pracht
Wechseln auf Erden, wie Dämmrung und Nacht!
Fruchtlos hienieden
Ringst du nach Frieden!
Täuschende Schimmer
Winken dir immer;
Doch, wie die Furchen des gleitenden Kahns,
Schwinden die Zaubergebilde des Wahns!
Auf zu der Sterne
Leuchtender Ferne
Blicke vom Staube
Muthig der Glaube:
Dort nur verknüpft ein unsterbliches Band
Wahrheit und Frieden, Verein und Bestand!
[125]
Günstige Fluthen
Tragen die Guten,
Fördern die Braven
Sicher zum Hafen,
Und, ein harmonisch verklingendes Lied,
Schließt sich das Leben dem edlen Gemüth!
Männlich zu leiden,
Kraftvoll zu meiden,
Kühn zu verachten,
Bleib' unser Trachten!
Bleib' unser Kämpfen! in eherner Brust
Uns des unsträflichen Willens bewußt!

Siegsgesang für Freie

Laut wie des Stroms donnern der Sturz,
Freiheit! schall' über die Berge,
Schall' übers Meer dein Triumphlied;
Opfer und Preis, Retterin, dir!
Säugling und Weib, Mädchen und Greis,
Heil, euch! am Herde des Ahnherrn
Frei nun vom Joch der Tyrannen!
Adlern zum Raub, liegen sie da!
Dort, wo dem Thal Wehklag' entschallt,
Starrten die eisernen Schlachtreihn
Furchtbar im Glanze der Frühe:
Dunstig bescheint Leichen der Mond!
Hoch in des Monds röthlichem Kreis
Beugen aus Wolken der Väter
[126]
Dämmernde Nebelgestalten
Sich zu des Kampfs Blutfeld herab.
Feiernd erhöht, Brüder, das Mal,
Ach! den Gefallnen der Freiheit!
Jungfraun, umkränzt es mit Rosen!
Barden, beginnt Opfergesang!
Helden, euch tönt Klage nicht nach!
Jugendlich blühst du an Gräbern,
Du, die auf greisender Scheitel
Traurend oft stirbt, Blume des Ruhms!

Elegie an den Tod

Wo Zipressen traurend niederhangen,
Wo auf moosbedecktem Leichenstein
Der Verwesung Schauer mich umfangen,
Hier, o Tod, gedenk' ich ruhig dein.
Freundlich wie im Lenz die Abendsonne,
Mild wie Mondlicht in der Blütenzeit,
Lacht dein Antliz Paradieseswonne,
Genius der Unvergänglichkeit.
Immer hat mit hohen Engelminen,
Herlich von der Gottheit Licht umstralt,
Wie du einst dem Sokrates erschienen,
Mir die Phantasie dein Bild gemalt.
Immer hat im Thränenweidenthale,
Wo der West durch Todtenkränze bebt,
Leuchtend von der Hofnung goldnem Strale,
Mich dies engelschöne Bild umschwebt.
Holder Jüngling! deines Blickes Milde
Hebt auf Ahndungsflügeln meinen Geist
[127]
In die ewig blühenden Gefilde,
Wo Vollendung alles Jammers fleußt.
Schweb' ich schon im Lichte der Verklärten,
Sanft begrüßt von Engelharfenton?
Knie' ich schon im Chore der Erhörten,
Tief anbetend an Jehova's Thron?

An den Tod

Wonne mir, o Tod! Als Furchtgerippe
Schaut' ich selbst im Kindheitstraum dich nie,
Und in Palmen barg sich mir die Hippe,
Welche finstrer Pöbelwahn dir lieh!
Immer hat mit hohen Göttermienen,
Herrlich von der Hoffnung Licht umstralt,
Wie dem Sokrates du einst erschienen,
Mir die Phantasie dein Bild gemalt.
Immer hat, auf dunkler Lebenswelle,
Durch des Mißgeschicks entsternte Nacht,
Gleich der Tyndariden Silberhelle,
Leitend mir dies holde Bild gelacht.
Deine Bucht am Abendhorizonte,
Du, der sich mit Immortellen kränzt,
Glänzt mir, wie das freundlich übersonnte
Zufluchtseiland müden Schiffern glänzt!

Notizen
Entstanden 1784-1787.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Matthisson, Friedrich von. Wanderjahre in Deutschland. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2CEE-A