Der sterbende Cromwell

Vor der Königsburg in nächt'ger Stunde
Knickt der Tod die Eichen in die Runde,
Drinnen sucht er dann ein zäher Leben
Aus den Wurzeln allgemach zu heben –
Whitehall ist Cromwells Sterbestätte,
Ein Waldenser kniet an seinem Bette!
»Herr, ich komm, ein Kind des welschen Tales,
Wo du bist der Schutzgott jedes Mahles,
Unsern Dank auf deine Knie zu legen,
Leben, Cromwell, mußt du unsertwegen!
[217]
Rom befehdet uns mit seinen Pfaffen,
Unser Herzog rüstet frevle Waffen
Gegen unser Tal, den lautern Glauben
Will er oder uns das Leben rauben!
Doch du sahst in deinen Schmerzensnächten
Uns gefoltert schon von Henkersknechten
Und du hobest dich in Fieberschwüle,
Auf den Arm gestützt, empor vom Pfühle
Und du drohtest, über Meer gewendet –
Pfaffen, Henker blieben ungesendet.
Wenn wir, Cromwell, deine Söhne wären,
Herber könnten wir dich nicht entbehren!
Deine bangen Atemzüge geben
Uns den Odem, fristen uns das Leben.
Dennoch – wie du leidest, Herr – unsäglich –
Deine Qualen werden unerträglich?
Dennoch – ob uns Hartes sei beschieden –
Friedestifter, fahre hin in Frieden!«

Notes
Entstehungszeit unbekannt. Erstdruck 1882.
License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Meyer, Conrad Ferdinand. Der sterbende Cromwell. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-3429-1