Die Pflicht
Jüngst war der Tod bei mir zu Gast ...
Unsichtbar stand er und hat still
und prüfend meinen Puls gefaßt,
als fragt er, ob ich folgen will.
Da ward mein Körper schwebend leicht,
und in mir ward es licht und rein.
Ich spürte: Wenn das Leben weicht,
muß Seligkeit und Süße sein.
Willkommner Tod, du schreckst mich nicht;
[143]in deiner Obhut ist es gut,
wo Geist und Leib von aller Pflicht,
von Kerkerqual und Ängsten ruht ...
Von aller Pflicht? Stirbt denn mit mir
der Krieg, das Unrecht und die Not?
Des Armen Sucht, des Reichen Gier –
sind sie mit meinem Ende tot?
Ich schwur den Kampf. Darf ich ihn fliehn?
Noch leb ich – wohlig oder hart.
Kein Tod soll mich der Pflicht entziehn –
und meine Pflicht heißt: Gegenwart!