Geschonte Kraft

Ihr Toren meint, der Kämpfer und Verächter
sei müde und besiegt ins Knie gesunken,
verlöscht sei seines Zornes heller Funken
vom rohen Fußtritt der Gesetzespächter.
Wahr ist's: er ballt die Fäuste nicht dem Wächter;
speit keinen Schimpf: ihr Mörder, ihr Halunken!
Und blößt nicht seinen Rücken martertrunken
den Geißelhieben unter Hohngelächter.
Ein stiller Mann. Und doch: ihr Toren irrt.
Er braucht sich seinen Mut nicht zu befeuern,
indem er laut mit seinen Ketten klirrt.
Im Gegenteil: bemüht, den Klang zu dämpfen,
wird ihm sein Eisen das Gelenk nicht scheuern,
und stark erhält er seinen Arm zum Kämpfen.

Notes
Erstdruck in: Sammlung 1898-1928, Berlin (J. M. Späth-Verlag), 1928. Eine vom Autor selbst zusammengestellte Lyrik und Prosa-Anthologie.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Mühsam, Erich. Geschonte Kraft. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-44DE-0