637. Kindertänze und Spiele.

1.

(Die tanzenden Kinder bilden einen Kreis und bewegen sich singend in der Runde.)

Ringeldanz, Rosenkranz,
De Kętel hangt to Füre!
De Jumfern sind so düre,
Gesellen sind so goden Koop,
Dat se op de Straten loopt.
Moder giff mi'n Klöckschen,
Dat hang ik an mien Röckschen:
Fęg ik denn de Stratendœr,
Loopt de Gesellen achter mi hęr,
Ringeldanz, Rosenkranz! etc.
(Zuweilen hat das Liedchen einen anderen Schluß:

Moder geef mi'n Klöckschen,
Dat bunn ik an mien Röckschen.
Un as dat Röckschen klaar weer,
Da sä dat Klöckschen: Kling!
Bei dem letzten Worte hocken alle nieder.)

2.

(Eine innerhalb des Kreises stehende Tänzerin hebt an zu singen, die andern respondieren. Am Schlusse erwählt sie eine, die dann ihre Stelle einnimmt.)


Morgen schöln wi Hawer schniden.
»Wer schal uns den binden?«
Dat schall Jumfer Lieschen doon.
»Wo schöln wi ęr finden?«
Hier un dar un allerwęgen
Unner dissen allen;
Hier heff ik ęr all faat kręgen:
Do mi den Gefallen.

[494] 3.

(Die Kinder stehn in der Ringeltanzstellung (Kette). Nach und nach kehren sie sich nach Aufforderung des Vortänzers, der sich außerhalb des Kreises befindet, bis alle den Rücken nach innen wenden. Dann schließt sich der Kreis von neuem.)


Trecke mi de Kęd op.
»De Kęd is in de Klink.«
Wat is dat allerschönste?
»Dat Mädjen dat dar singt.«
Dat is (Lene) Junker,
De steit up ęren Sprunker
Un dreit sik mal herum.

(Zu demselben Tanz gibt es ein anderes, noch mehr verstümmeltes Lied:

Kringelkranz, Luise,
Ik spinn so schöne Side,
As en Haar,
As en Haar,
Suck, suck na sœben Jaar:
De Öldste keert sik h'rum.
Vollständiger würde es wohl die Bewerbung eines Freiers bei einer schönen Spinnerin enthalten.)

4.

(Ein Tänzer steht außerhalb des Kreises und singt.Suo loco öffnet sich dieser, das Kind wählt und singt den Schlußreim.)


Jammer, Jammer hin und her
Über mich zu klagen!
Es drückt mein Herze gar zu sehr,
Ich kann es gar nicht sagen.
Mach auf, mach auf den Garten,
Ich kann nicht länger warten,
Ich muß ihn suchen an diesem Platz –
Sieh da, sieh da! da steht mein Schatz.
Nun ist alle Traurigkeit verschwunden,
Hab ich doch mein Liebsten wiederfunden:
Meine Lieb und deine
Die küssen sich ja beide.

5.

(In der Mitte des Kreises der Tanzenden hockt ein Kind; ein anderes, als Vortänzer, steht außerhalb desselben und hebt an:)


Wer sitt in dissen hogen Toorn?
»Dar sitt en Königsdochter in.«
Kann ik de nich to seen krigen?
»Se is so fast vermuret,
De Muer de will nich bręken,
De Steen de will nich stęken.«
Enen Steen bręk ik ut.
»Beide Ogen fallt di ut.«
Nä, nä,
Schaad nich, (Es schadet nicht)
Baat nich. (Es hilft nicht)
Steen un Been verlaat mi.
Kling, klang, kloria!
Kumm un folg mi achterna.

(Bei den letzten Worten erhält eine der im Kreise Tanzenden einen Schlag und folgt der Vortänzerin, sie am Kleide fassend. So wird der Tanz fortgesetzt, bis der Kreis aufgelöst und die Königstochter befreit ist. – Oben S. 414 ist der Reim unvollständig und in schlechterer Gestalt mitgeteilt; dieser ist aus der Gegend vonPreetz.)

6.

(Die Kinder stellen sich in zwei Abteilungen hintereinander auf: die einen sind die Freier, die andern die Mutter mit ihren Töchtern. Die Zeilen werden abwechselnd gesungen, während die Züge gegeneinander und zurückmarschieren.)


Da kommen zwei Herren aus Lünefeld (Ninive).
Juchheisasa filadi.
»Was wollen zwei Herren aus Lünefeld?«
Juchheisasa filadi.
Sie wollen die älteste Tochter frein.
Juchheisasa filadi.
»Und wer soll denn der Bräutigam sein?«
Juchheisasa filadi.
Das soll der Kaiser selber sein.
Juchheisasa filadi.

(»So nehmt sie hin mit Freuden«.)

[495] (Auf diese Weise werden aus der zweiten Reihe alle abgerufen und schließen sich der der Freier an, bis die Mutter allein nachbleibt. Dann singt man:)


»Was wollen sie mit der Mutter tun?«
Juchheisasa filadi.
Sie wollen sie in ein Kloster sperrn.
Juchheisasa filadi.

(Man schließt einen Ring, aber sie entwischt nach irgend einer Seite und man sucht sie nun zu haschen.) – Das Spiel ist in Kiel, Schleswig etc. zu Hause.

7.

(Die Mädchen sitzen in einer Reihe einander auf dem Schoß. Eine fragt die Reihe entlang:)

Wonęm waant Mutter Marie?
»Kann nich hören op mien rechtes Ohr,
Kann nich hören op mien linkes Ohr.«

(Bei der letzten:)

Is se Mutter Marie?
»Kannst mi dat nich anseen?
Ik schlaap nich,
Ik waak nich,
Ik bin nich in Droom.«
Kann ik nich een van ęr Lammer krigen?
»Hest ja eerst gistern een kręgen.«
Dat lach nich,
Dat schach nich,
Dat wies de lütten witten Tęn.
Dat sprung œwert Heck
Un full in den Dreck.
Ik legg em op de Bank,
Do weer he as'n Ęl so lank.
Ik legg em op de Ęr,
Do wörd he as en Schęr.
Ik legg em in de Weeg,
Do wörd he as en Fleeg.
Ik legg em op de Finsterbank,
Do keem de eische Wulf un haal em weg.
»Harst man en bęten Solt opstreien schullt.«
Ik harr nicks.
»Harst di man ja en bęten lenen kunnt.«
Nabers wullen mi nicks lenen.
»Harst di wat köpen kunnt.«
Ik harr keen Geld.
»Harst di wat borgen kunnt.«
Se wullen mi nicks borgen.
»Na, denn nimm di vœr een weg un sluut achter wedder to.«

(Sie nimmt die erste aus der Reihe auf, tut dann, als wenn sie vor der nächsten die Tür abschließt, und nun muß die, welche aufgenommen ward, dreimal ohne zu lachen über einen Strich springen. Gelingt's ihr, kommt sie in den Himmel, lacht sie aber, kommt sie in die Hölle. Zuletzt, wenn alle Mitspielenden so verteilt sind, fassen sich die Mutter Marie und die, welche bisher fragte, bei den Händen; die aus dem Himmel hängen sich an jene, die aus der Hölle an diese, und es gilt, welche von beiden Parteien im Zerren die stärkste ist. – Statt Mutter Marie wird an einigen Orten auch Fru Rosen gesagt, und oft sind die Worte sehr verstümmelt.)

8. Wolf und Schaf.

All mien Schaap to Huus!
»Ik dörf nich.«
Wo vœr nich?
»Vœr de grote Roggenwulf.«
Wo sitt he denn?
»Achtern Tuun.«
Wat maakt he dar?
»He slippt sien Tęn.«
Wat will he denn?
»All de Schaap de Kęl afbiten.«
(De bösen Wülfe sünd gefangen
Twischen tween isern Stangen.)
All mien Schaap kaamt to Huus.

Einer ist Hirte, ein zweiter Wolf, die übrigen Schafe. Auf den letzten Ruf des Hirten müssen diese den Raum bis zu ihm durchlaufen, indem der Wolf zu haschen sucht. Wer gefangen wird, nimmt seine Stelle ein. – In einigen Orten spielt man Fuchs oder Wolf und Gänse, und darnach ändert sich das Lied.

9. Hühner und Weihe.

Kükewieh (Hühnerhabicht) hat einen Holzhaufen zu errichten und tut als schüre er Feuer. Die übrigen Spieler, die die Hühner vorstellen, haben einander hinten angefaßt. Der Vormann (der Hahn) fragt, der Kükewieh antwortet.)


[496]
Kükewieh, wat bötst du? (heizest du?)
»Füer.«
Wat schall dat Füer?
»Asch brennen.«
Wat schall de Asch?
»Messen wetten.«
Wat schölt de Messen?
»Haan un Hęn den Kopp afsniden.«
Wat hebbt se di to wedder daan?
»Se hebbt in mien Herrn sien Koorn gaan.«
Wo lank?
»As en Band.«
Wo groot?
»As en Broot.«
Wo lütt?
»As en Drelingsschaal vull Grütt.«
Kann'k wol dreemal üm'n Herrn sien
Awen gaan?
»Ja wul, sœwenmal,
Wenn du em nich umstötts.«

(Der Vormann geht mit den andern Spielern jetzt um den Holzstapel und stößt ihn endlich um. Da sucht der Kükewieh den hintersten der Spieler zu haschen, woran die übrigen alle ihn zu hindern suchen.)

10.

(Die Spielenden stehen in einem Halbkreis. In der Mitte stehen ihrer zwei, einer macht den Herrn, der andre stellt den Esel vor. Jener fängt an:)


Esel, Esel, wo bist du so lange gewesen?
»In der schönen Mühle.«
Was hast du denn da getan?
»Schöne Säcke getragen.«
Was war denn in den schönen Säcken?
»Schöne Bücher.«
Was stand in den schönen Büchern?
»Schöne Lieder.«
Esel, sing mir mal ein Liedchen vor!
»O Herr, ich weiß keins.«

(Zu den andern:)


Hol mir die lange Peitsche her!
»Was will der Herr damit?«
Den Esel streichen.

(Der Esel läuft fort, die andern hinterher, und wer ihn hascht und streichen kann, wird an seiner Stelle Esel.)

11.

(Beim Spießrutenlaufen, wenn einer vom Spiel gelaufen.)


Und warum hast du das getan?
Und warum tust du das?
Und darum sollst du Spitzrut gan
Auf dieser langen Gaß.
Vater, Mutter grämen sich
Um den ungeratnen Sohn,
Und weil sie tuen grämen sich,
Hast du den Lohn davon.

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TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. 637. Kindertänze und Spiele. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4841-E