492. Die ausgehauene Liese.

Der Bauer, der vor hundert Jahren auf der Hufe wohnte, die am Fuße des Bügbergs bei Felsted liegt, fuhr einst nach der Mühle am Strande, als seine Frau gerade in Wochen lag. Als er nun nicht weit mehr von der Mühle durch die Enge zwischen den Bergen fuhr, hörte er drinnen rufen: »Hau die Liese mit ihrer langen Nase aus!« Er dachte, das kann nur meine Frau sein, aber es soll euch doch nicht glücken, was ihr im Sinne habt. Sobald er also nach Hause kam, bestellte er zwei Wächterinnen bei der Kindbetterin, und ging selber zu Bette, weil er sehr schläfrig war, aber vor Unruhe konnte er doch nicht einschlafen. Um Mitternacht waren die Frauen, die wachen sollten, eingeschlafen; da hörte der Mann ein Geräusch und merkte, wie die Unterirdischen zum Fenster hereinkamen, Frau und Kind aus dem Bette huben und ein Holzbild an die Stelle legten. Rasch fuhr er heraus, ergriff seine Frau noch eben am Bein, und rief: »Halt, laßt mir das Meine und nehmt ihr das Eure!« Da mußten die Unterirdischen wieder mit ihrer ausgehauenen Liese abziehen und der Mann behielt die seine.


Durch Dr. Jessen in Flensburg. – Thiele, Danm. Folkes. II, 226.


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TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. 492. Die ausgehauene Liese. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-484D-5