359. Hexen als Sturzwellen.

Drei Männer von einer nordfriesischen Insel waren auf einem und demselben Schiffe zur See. In ihrer Abwesenheit ergaben sich ihre Frauen der Hexerei. Weil sie mißtrauisch gegen ihre Männer waren, folgten sie ihnen in allerlei Gestalten überall hin und bald entdeckten sie die Untreue der Männer. Voll Zorn beschlossen sie bei nächster Gelegenheit das Schiff zu versenken, und der Tag ward festgesetzt. Sie hatten aber den Plan eines Abends auf dem Schiffe abgeredet, als sie meinten, daß alle ans Land gegangen wären; allein der Schiffsjunge hatte alles mit angehört. Eine der Hexen äußerte noch die Furcht, daß sie selbst dabei zu Schaden kommen möchten, eine andre aber antwortete: »Nur wenn ein Reiner mit reinen (ungebrauchten) Waffen uns abwehrt, haben wir zu fürchten.« Der Schiffsjunge wußte sich eine neue Waffe zu verschaffen, und als bald darauf das Schiff den fremden Hafen verließ und das Wetter in einer Nacht stürmisch ward, ging er mit dem Degen unter dem Arm immer an der Luvseite auf und nieder und wartete. Bald kamen drei turmhohe, schneeweiße Sturzwellen auf das Schiff los und es wäre gewiß verloren gewesen, wenn nicht der Junge ihnen den Degen entgegen gehalten. Augenblicklich sanken sie zusammen und an der Stelle, wo die Spitze sie berührte, färbten sie sich mit Blut. Als das Schiff nun glücklich in Hamburg ankam, erfuhren der Kapitän und die beiden Steuermänner, daß ihre Frauen plötzlich alle drei krank geworden seien, und als sie sich näher erkundigten, fanden sie, daß dies in derselben Nacht geschehen sei, als die drei Sturzwellen auf das Schiff los gekommen wären. Nun glaubten sie [241] den Worten des Schiffsjungen. Weil sie aber sahen, daß ihre Frauen Hexen wären, beschlossen sie ihr Leben für die Zukunft zu ändern, wenn sie sich nicht neuen Gefahren aussetzen wollten.


Durch Herrn Hansen auf Sylt.

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TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Zweites Buch. 359. Hexen als Sturzwellen. 359. Hexen als Sturzwellen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4DCA-0