[100] Huldigung der Tiere

(Weitere Folge der Idyllen: Adams erstes Erwachen und erste selige Nächte.)

Adam Beschreibung einiger Tiere. Adam Segen über sie

»Vor mir huldigt die ganze Natur: Alles Getier der Erde, alles Gevögel unterm freien Himmel, alles Gewürm, das auf der Erde kriecht, was lebt und webt, sang und sprang, aus Höhlen und Büschen im Meer und auf dem Lande, vom Größten bis zum Kleinsten mancherlei Art – alle sammelten sich nun und kamen herbei, vom ersten Menschen ihren Segen zu empfangen.

Sie gingen gepaart, standen oder lagerten sich vor mich hin auf die Erde. Die Vögel aber saßen auf Zweigen und schwebten über meinem Haupte daher. Gefleckte Hirsche mit ihren Rehen – Tirza, du liebst sie so sehr! – strichen damals freundlicher noch über die Auen zu mir. Dort gingen zahmere Tiere, Stiere mit schweren Nacken, Rinder und Ziegen und Schafe – sie ließen die fette Weide, kamen zu Adam herab. Allerlei Waldtiere sprangen nun aus dem Gehölz herüber. Voran schritten die Heldentiere, zuerst der Löwe.

Ganz Mannheit, behende Stärke, gedrungene Kraft geht er daher, wirft zurück den stolzen Nacken, das trotzige Haupt und schüttelt die wilde, gelbe Mähne. Mut ist seine Ruhe. Zum Kampfe geboren, greift er alles an im edlen, aufgereizten Zorn. Nur Schwachheit verschmäht er. Fürchterlich schön ist er, meine Kinder, wenn er, von Schrecken begleitet, zum Raube ausgeht, runzelnd die Stirn, zwei Flammen seine Augen. Das Schnauben seiner Nase schon macht seine Opfer feige. Er schlägt sich um die Lenden mit seinem Schweife und reizt sich immer zum Kampfe an: Panther heulen dann, die Tiger verkriechen sich in ihre Höhlen. Er aber jagt immer voran in der Kraft seiner Lenden. Ferne folgen ihm die hungernden Luchse, sich vom Überfluß seiner Beute zu nähren. [101] Er ist ein gewaltiger Held, ein Führer bei Nachtzeit. Im Dunklen ist sein Gang, des Waldes Tiere gehorchen ihm strenge. Ferner Donner ist sein Geheul, Sturm sein Schnaufen. Die schüchternen Rehe zagen dabei, die entmannten Rehböcke fahren angstvoll zurück. Gerne bewohnt er die Höhlen im grünen Walde, wo der Strom am Felsen sich bricht, oder an kühlen Brunnenquellen. Dort schlummert er gerne beim Wellenrauschen. Es weidet am Mittag das Wild von den Bergen herunter, scheuet zu trinken vor ihm. Aber damals kam er zu Adam so freundlich, so edel unter'm Zedernschatten hervor. Er stand vor mir, zur Sonne hinauf gähnend; seine gelbe Mähne kehrte den Sand.

Schön war er, herrlich schön! Ich lobt' ihn, faßt' ihn am Hals, schmeichelte ihm. Er duckte sein trotzig' Haupt unter meiner Hand, er leckte meine Brust mit scharfer Zunge.

Hinter ihm drein tappt nun der rauhe Wintermann, der zottige Bär. Eignen Pfades geht er, wie Gott ihm angewiesen nach seiner rauhen Natur. Schwarzbraun ist seine Farbe. An Kraft ist er fast dem Löwen gleich, aber von düsterem Sinn. Er liebt nicht den Gesang der Vögel, noch des Menschen Stimme; viel lieber steht er an wetterverschlagener Fichte und späht, von woher die Imme fliegt und wohin sie ihre Waben verbirgt; so schleicht er dann bei Nachtzeit herbei, ein fleißiger Wächter, und leert die Fülle des Honigs reinlich aus. Er ist lustig nach eigenem Mute. Ihm genügt nicht das Aas, er rührt nicht an, was er nicht selbst geschlachtet. Da geht er gerne im kühlen Waldbach; forscht, wo etwa die Ameise baut, zertritt ihr Nest, stört es durcheinander und sammelt dann mit scharfer Zunge ein. Im Winterjahr, wenn die Sonne zurücktritt, die Erde erstarrt, alles Grün wieder den Wäldern entfährt, sucht er sich oft ein Lager aus unter freiem Himmel – dort liegt er dann in fauler Ruhe, läßt über sich ausgehen des Winters Strauß, daß es herunterhagelt auf ihn mit Schnee und Schloßengestöber und Eis darauf hin, und er tief bedeckt liegt vor aller Welt, fest schlummernd und harrend das rauhe Jahr durch; bis der Lenz ihn wieder schüttelt, über ihm auftaut, die Biene bald wieder ihren Honigflug zur Erde beginnt – dann schüttelt er sich auf, steht auf wunden Füßen und blinzt in die Welt. Er hört das frohe Summsen, erquickt sich, hebt die Ohren und erinnert sich von neuem des Honiglebens.

Jetzt kamen auch der helläugige Luchs, der gefleckte Tiger, der raubgierige Wolf – Melboe, meine Sanfte, du kennst den; erst gestern hat er dich weinen machen um dein schönes Lamm – Tiere, die jetzt grausam sind, die euch jetzt fliehen, die ihr scheut, kamen damals so vertraulich zu mir, lagerten sich neben mir ins Grüne nieder oder spielten liebreich zu meinen Füßen.

Nun kam auch der Tierberg Elefant im sichern Schritte daher. Breit ist sein Schatten, er umnachtet die Flur, lichtgrau seine Farbe; über alle Tiere ragt er in fester Größe wie ein Berg Gottes über [102] niedere Hügel hervor. Mild ist sein Anblick, freundlich sein Auge, stolz sein Gebiß, sein Gang voll Adel. Er liebt alle Tiere, hat einen fröhlichen, vertraulichen Mut. Kraftvoll steht er, seine Füße gleichen den Stämmen alter Eichen, sind dauernder Stärke Bild. Die andern Tiere scheinen nur Kinder vor ihm: er spielt mit ihnen, ihr Meister; keines vermag ihn zu erzürnen. Baut er aber ein Lager und hat Junge, so treibt er alles gewaltig davon. Er schlägt mit seinem Rüssel den trotzigen Löwen zu Boden, zertritt den Luchs, rennt im Grimme Bäume über den grinsenden Tiger, daß der Vögel Wohnungen an seinem Rücken schweben. Sonst ist er geduldig, sanftmütig, steht, Gott lobend, früh und spät unterm Himmel und erfreut sich an des Menschen Stimme. Als er so vom Walde herkam, stand ich auf und ging ihm entgegen; um ihn liefen die kleinen Tiere aufheulend und führten ihn so im stolzen Jubel einher. Da gingen der Affe, der Esel, der Fuchs, das Kameel, der Hase, der Hund, klein und groß nebeneinander; das edle stolze Pferd, das flüchtige Renntier, der schön gestreifte Waldesel, die Katze, der Dachs, das Stachelschwein, der Elend gingen alle in der Nacht seines Schattens nebenher und erzeigten dem Meister Ehrerbietung. Herrlich bist du, Werk Gottes; herrlich dein Gang! Du trägst des Meisters Stärke. Dich hat Liebe empfunden, dich Weisheit gedacht, und Kraft dich aufgebaut. Schön bist du, Werk Gottes; herrlich dein Gang! Er kam mir näher, sah liebreich auf mich, sein Auge glänzte mild wie des Tages tauiger Aufgang; wir standen voreinander, mein Herz faßte Liebe für ihn.

Jenseits ging das gewaffnete Nashorn, des Elefanten jüngerer Bruder an Größe und Kraft. Seine Gefährten waren der grunzende Eber, der brummende Ur und Büffel. Tückisch, meine Kinder, ist es, hat kein fröhlich Herz wie sein Meister, der liebreiche Elefant; mistrauisch schärft es an Klippen immer sein Horn. Wie aus Fels gebrochen, wie vom wilden Meer geboren, gefallen aus einer Winterwolke, steht es im rauhen Schilde, trotzt aller Tiere Zahn. Der Löwe vermag es nicht anzufallen, noch der bluttriefende Tiger seine unbarmherzigen Klauen ihm in den Bauch zu schlagen; es höhnt ihrer im sichern Gang. Dennoch läßt Neid es nicht ruhig; hat es einen Baum der Erde entzogen und genießt süßer Wurzel, bald läßt es sein Mahl – grollend im Busen sucht es den Elefant auf, dessen Ansehen und Größe es grämt. Doch wagt es nicht, ihn von vorn anzugehen. Da steht es wie ein Blitz hinterm Fels, harrt bis es von hinten zukommt, dann schießt es auf einmal los und zerwühlt ihm die unbewaffnete Seite.

Noch viele andere Tiere kamen jetzt nach. Schlangen und Gewürm, giftig, dem Auge schreckhaft, kamen damals jedes in eigener Freude herbei. Dann auch die Vögel aus den Lüften. Zuerst der Sonnenadler, der auf den steilsten Klippen horstet, im stolzen Himmelsfluge die Augen immer zur Sonne dreht. Dann der langhalsige, langgebeinte Strauß. Dumm und stolz, schämt er [103] sich, Vogel zu sein, geht gern auf der Seite der Erdtiere; er vergleicht sich in seinem Sinn dem Behemot oder gar dem Meister der Tiere. Er freut sich sehr, daß er im Laufe stolz auf des Pferdes und auf des Nashorns Rücken sieht. Seine Eier legt er in den Sand und läßt sie an der Sonne brüten. Auch der Reiher, der Weih, der Storch, der auf unserer Hütte nistet, der Kranich, die Nachteule, der Uhu, der Pfau, der einen ganzen Frühling auf seinem Schweife trägt, die Rohrdommel, die Löffelgans, der Papagai, der Paradiesvogel und alle größern und kleinern Vögel, alles singende Gefieder, kamen zu mir aus den Lüften, schwebten an den Ästen hin und her oder ließen sich über die Felsen zu mir herab.

Ich sah an alles Getier unter dem Himmel, hingelagert nach mancherlei Natur, in mannichfaltigem Gewimmel und Farbenspiel. Wie sie dasaßen und standen untereinander, so listig und so dumm, so liebreich und so finster, so stark und so schwach, so groß und so klein – jedes nach seiner Art und nach dem Wesen, das Gott der Schöpfer in jedes gelegt; jedes vollendet, vollkommen herrlich! Heimliche Freude drang durch mein Herz. Da hob ich meine Hand auf, meine Seele sprach solche Worte: Seid alle Gesegnet! Ihr alle seid mein, seid mir gegeben vom Herrn!

Wie selig ist es doch, zu beschauen die Werke Gottes, meine Kinder; wie selig, zu preisen den Allmächtigen, der doch alles in Liebe, in Weisheit vollendet, der das Wetter verteilt in das Jahr, läßt wechseln Wind und Regen. Er schaut überall und sorgt, ein liebreicher Vater, er erhält, was er gemacht. Ihm ist gleichviel der Regenwurm wie der Meister der Tiere; er merkt auf jedes Rufen. Ihm gilt nicht Schönheit und Stärke, denn beides hat er gemacht.

Und die Tiere verstanden all' meinen Segen und neigten sich tief, und ich ward aufgenommen und eingesetzt unter ihnen in die Schöpfung.«

Adam auf einem Hügel. Meertiere. Evas Brautgrotte

»Gott führte mich nun am Mittag aus der Ebene einen schönen grünen Hügel hinauf. Unter einer hohen Granate saß ich dort, sah unter mir im See auch wieder eine neue Sonne daherschweben, sah Wälder und Felder, Bäume und Fluren noch einmal unterwärts und bewegsam in die Fluten hinabhängen. O! wie wunderbar war mir nun, als ich sah so Gebirge hinwanken, dann Anger und Feld und Bäume tanzen; wenn muntere Fische Wellen aufschlugen, dann alles gar wieder ineinander rann; wenn größere Meertiere, wenn ein freundlicher Seehund hervorstieß, Krokodile mit grünen Rücken oder Walrosse die Wogen zerrissen und durch die aufgekrauste Flut zu mir herruderten. So ward jede Minute ein neues Wunder, jeder Blick wurzelte mich Staunenden fest, und ein neueres Wunder riß mich gleich wieder los. Ja, ihr lieben Kinder, das ist euch alles nicht zu sagen. – Nun, da mit jedem[104] neuen Gefühle zugleich auch neue Kraft über mich kam, o, dies Lallen, dies kindische Verwundern, Stammeln der Zunge, Tränen am Auge! das Aufheben, Falten, Zusammenschlagen der Hände! das Schaudern durch alle meine Gebeine! sprach damals alles mehr, als ich jetzt in Worte zu fassen vermag. Klein kamt ihr Kinder auf die Welt, jung an Kraft und Vermögen. Wie ein Wurm liegt der Säugling, den das Erdenweib gebar, am Licht und erträgt den Tagesstrahl kaum. Umfangen sind seine Glieder und Sinne, denn aus Banden der Mutter geht er ins Freie hervor. Sein Inneres schlummert schwer, wenngleich der Leib sich regt. Er ist wie ein abgerissener Zweig, der antreibt, sich lange müht, bis er selbst Kraft gewinnt; bald aber schießt er auf ins Leben, faßt Mut, sein Auge sucht das Licht und hält es. Nun sieht er das Kommen und Fliehen des Tags, der Nacht, sieht Sonne und Mond, Wald und Flur, alles vor ihm wandern und stehen, weiß nichts davon, sieht und genießt nur, wird stark, auch nach und nach mit den Tieren der Erde bekannt. Sehet, so wächst er heran und ihm ist auch nichts mehr neu, nichts mehr wunderbar, ehe er noch sprechen, denken, sich noch darüber verwundern kann; denn ihm ist alles schon so gewohnt von Vater und Mutter her, aufgewachsen gleichsam mit ihm. Aber ich? – denkt einmal, ihr Kinder – ich, damals erst aufgeweckt ins Leben in aller Gewalt, aller Stärke, mit hellen Sinnen, wachem Verstande, wie aus dem Schlummer aufgesungen, hingesetzt ans Licht, an die neue Schöpfung, überlassen mir selbst, all dem Herrlichen um mich her – hingeworfen ganz dem Strome, dem Wirbel!

Nahe über mir erhob sich nun der dunkle Zedernwald; mit ihm rauschten noch tausenderlei fremde Bäume, die köstlichsten Gewürze und die seltensten Gewächse mancherlei Art blühten in seinem Schatten dort: Muskaten, Aloe, Zimmt und Nägelein, Rosen und Jasmin und der stark duftende Holunder standen hier im schönsten Flor. Vorn an der Seite stiegen steile Felsen, kahl und bewachsen, in die Wolken; daran lag eine kühle Felsgrotte, die ein breiter, abstürzender Strom beschloß. Vier Ausgänge hatte sie: drei auf Erden und von oben eine, durch die das Tageslicht hereinfiel, alle lieblich mit Epheu umwachsen. Durch die mittelste von unten ging man in den gewürzreichen Wald hinaus. Da zogen einem immer die süßesten Gerüche entgegen, denn der Abendwind blies lieblich vom Wald her durch diese Höhle von einer Seite, der Morgenwind aber durch die andere; am Mittag vernahm man darin einen angenehmen süßen Klang. Sie war mit Fleiß angelegt von Gott, inwendig wie ein schön blühender Garten, und herrliche Kräuter und schattenliebende Gewächse grünten im Überflusse da herum. Ein süßer Brunnen sprang oben und ein Bächlein floß daraus, das schied in der Mitte die Höhle in zwei gleiche Teile und floß dann weiter unten in den Strom hinab. Schön war's, hier der Ruhe zu pflegen am Mittag; auch kamen die Tiere des Waldes oft durch die Abendhöhle, wenn schwerer die Glut ward, und suchten [105] bei uns Kühlung darin. O Eva, du kennst wohl diese Grotte! Wie oft verweilten wir liebevoll in den Tagen seliger Unschuld darinnen – es war dein Lieblingsaufenthalt, darum gab ich ihr auch den schönen Namen: Evas Grotte. Erinnerst du dich, wie ich dich zum erstenmal hinführte? Ha, du bebtest, als nun über dich weg so gewaltig der Strom fiel; du ließest damals den Mann nicht los, der mutig hinabsteigen wollte, aus seiner reißenden Flut dir zu schöpfen. Ha, der unschuldigen Freude, teure Eva, wie du nun hineintratest, dir so frischer Tau, süße Düfte daraus entgegenzogen, und du verwundernd ausriefst und jetzt dich doppelt im Widerhall hörtest! Ha, Mutter der Menschen, trautes Seelenweib, die Stunden, die Augenblicke waren doch süß!«

»Ach Adam, was sprichst du!« bricht nun Eva, die gottgeschaffene Mutter, in lautem Stöhnen aus. Sie hatte immer geweint, seit Adam dieser lieblichen Grotte erwähnt. Selig lag sie in ihren Gedanken, weckte oft paradiesische Anmut in ihr auf; heimliche Sehnsucht trieb sie öfters, von dieser Grotte Lieblichkeit zu erzählen, wenn sie mit ihren Kinder allein war. Hier war es, wo sie zuerst im vertraulichsten Geflüster der Liebe, im Drang von Wonne und Wehmut die seligsten Stunden verweilt; hier umfing sie Adam zuerst in zärtlichster, reinster Unschuld, hier gab sie des Mannes heißerer Sehnsucht zuerst nach. – Jetzt umschweben ihre verwundete Seele alle schwärmerischen Bilder noch einmal, wie sie oft allein ging, zu suchen den teuern Flüchtling. Er strich fern im Walde oder flocht nun Lauben aus Cassia; beide Arme dann mit Blumen beladen, streute sie indessen ein holdes Lager ihm auf, lief dann und schaute öfters, ob bald der Abendstern aufging, das holde heilige Zeichen, bei dem trauliche Liebe einander bestellt, und wartete dann voller Sehnsucht länger auf ihn. Jetzt trafen die Worte des Vaters der Menschen mächtig in ihre Seele. Tränen laufen aus ihren schönen Augen und rinnen stark ihre unschuldigen Wangen herab. Sie blickt nun auf ihre Älteste, Kains holde Verlobte, und banger wird ihr Schmerz. Da wendet sie sich zu Adam und macht in solchen wehmütigen Klagen ihrem kummervollen Herzen Raum: »Ach, teurer, gottgeschaffner Mann, was sind wir geworden, was haben wir bereits erlitten und ach, was bleibt noch zu leiden übrig. – Wie gerne ertrüg' ich's allein! O könnt' ich den Fluch hinab mit mir zur Erde nehmen, könnt' ich den Zorn des Rächers allein versöhnen, wie gerne stürb' ich noch heute! Sieh, teurer Vater, unsere älteste Tochter ist nun auch Braut – was können wir ihr geben? Ach dürften wir nur noch eine Stunde so mit unsern Kindern in Edens Gefilden verleben, sie sähen dann auch der Herrlichkeit Zahl. Dies allein könnte mein zerschlagenes Gebein wieder erquicken, mein kummererliegendes Herz wieder aufrichten.«

So Eva. Sie wollte weiter sprechen, aber Adam, der erhabene Mann, winkt ihr ernsthaft zu: »O süßes Mutterherz! wünsche nicht so vergeblich; verbanne diese Gedanken ferne. Des Ewigen [106] Willen ist weise, ist gerecht.« Die Mutter der Menschen verstand dieser wenigen Worte hohe Meinung. Schweigend neigt sie ihr Antlitz und ihre zärtlichen, mitweinenden Töchter umfangen sie. Der göttliche Mann Adam aber stand auf und sprach weiter also:

Der Abend kommt. Die Tiere versammeln sich. Die erste Nacht
Trauer über die versunkene Welt. Sternenaufgang
Trost und Hoffnung in's Leben

»So lief, ein Blick, ein Staunen, mir der erste Tag dahin. Die Sonne war tief bereits hinuntergesunken. Im Feuerschimmer glühten nun über mir die Zedern, die Gebirge rauchten um mich her und brannten in Glut aneinander; ich vergaß mich ganz an der Schönheit dieses herrlichen Schauspiels. Jetzt schien mir ein neues Leben aufzugehen, die Schöpfung um mich her stand umgewandelt in neuer Pracht. Die Vögel flogen gerötet im Schimmer; ich selbst fühlte die Glut auf meiner Stirne, als ich nun den Hügel hinunterging. Wie Offenbarung der Zukunft lag um mich die Welt. Ich wußte nicht, daß nun bald der Tag sich neige, Finsternis über mir zum erstenmal hereinbreche – Finsternis war mir unbekannt.

Aber die Sonne ging unter. Die Abendröte schloß den niedern Himmel, leise Dämmerung sank über die Welt.

Da stand ich – es ward so anders um mich. Veränderung fühlt' ich überall. Die Meerungeheuer, die ans Ufer heraufkamen am Mittage, ihr Spiel unter den Erdtieren zu treiben oder im Rohr zu schlafen, sammelten sich schon, ließen nun, den Sand mit ihren schweren Bäuchen furchend, sich wieder in die Fluten und schwammen einsam davon. Nun regte sich alles Getier der Erde und der Luft; die Vögel flogen nun alle auf, die Waldtiere versammelten sich, zogen heerdenweise den kühlen Bächen zu, tranken, badeten, und verliefen sich nach und nach in den Gesträuchen. Das sah ich all' an, wußte nicht, wie mir geschah. – Es dämmert stärker, es wird stiller um mich her, ich stand, mit den Augen zum Himmel, fragend: wo ist hin die Sonne, das Licht der Welt? Ich sehe, fühl's ja nicht mehr; wo ist hin die schöne, schöne Sonne?

Traurig gab mein Herz Antwort: Geflohen ist die schöne Sonne, geflohen das Licht der Welt, geflohen die Freude des Menschen! – Und siehe, grau- und braunbesäumte Wolken der Nacht breiteten sich weit auseinander, überzogen den ganzen niedern Himmel. – Mir ahnte durch all' meine Nerven tiefe Veränderung. Ich streckte den Hals aus, mit emporgerichtetem Haupte dem neuen Wunder zu begegnen. Aber die Veränderung ging schneller; kühler stieß jetzt der Wind vom Walde her, immer kälter ward der Himmel und düsterer und stiller unter ihm die Erde. Alles war hinweg. – Die Tiere des Feldes hatten sich schon verlaufen, sich schon zur Ruhe gelassen alle Vögel der Luft, die Fische schlugen auf Fluten nicht mehr. Immer schwerer und schwerer sank Nacht herunter, löschte und verlöschte allen Glanz der Dämmerung über mir. [107] Schweigen fuhr nieder von den Gipfeln der Berge, Trauer bedeckte die Haine. – Da schlug laut mein Herz, da fragt' ich in mir selbst; einsam stand ich, aber schwärzere Finsternis umhüllte mich nun ganz, begrub mich nun ganz, begrub die Schöpfung um mich her. Da war alles versunken dem Auge, dem Herzen; nur mein Ohr lebte noch: es faßte das Rascheln im Baume, des Stromes Fall, der Tiere fernen Tritt im Walde, das Gesäusel der Nachtvögel durch die Luft über mir. – Was ist das? Was soll das? Jetzt fuhren mir die feuchten Haare um den Nacken. – Angst überfiel meine Seele in dieser schwarzen Nacht. – Ach, Herr, mein Gott, wie wird mir! Wende dein Licht, daß der Mann von Erde nicht in Finsternis versinke?

Trauernd saß ich nieder auf die Erde, und dicke Tropfen rollten jetzt über meine Wangen. – Die Finsternis aber ward dichter, banger meine Seele. – Da weint' ich über die versunkene Schöpfung, da weint' ich, daß sie so schön war. Soll sie denn so ganz wieder versinken? Ich auch wieder versinken mit ihr? – Ach Gott und Schöpfer! Soll versinken dein herrliches, schönes Werk? Wilde Wogen umfassen, umschweben mich, verdrängen mich! – Wer war ich, ehe du mich erweckt, o Gott, mein Schöpfer! Schwerere Nacht lag auf mir als jetzt, da ich noch zu dir spreche! Ach der schönen Schöpfung! Soll die so ganz versinken? Versink' ich auch wieder dahin? Du riefst mich ins Leben. – War es nicht Liebe zu mir, nicht ewige Liebe von dir? Nein, du kannst so mich nicht lassen wieder vergehen! Du hemmtest dann lange mein innres Wallen zu dir, zögst mich nicht näher in Banden der Liebe, und Finsternis wär' mir dann lieber als Licht. Auf dich harre ich; du hörst, fühlst mich im Dunkeln, du bist allmächtig an Kraft, zu schaffen mir neues Licht! Ich hör', ich fühle schon Wehen vom Odem, der über mich ausgeht. – Ach, heiliger, ewiger Gott, was siehet mein staunender Blick!

Und ich sah nun auf, siehe, hoch über mir am Himmel brachen alle Lichter hervor – Tausend und tausend in zahlloser Menge; wie Körner von des Sämanns Hand fallen, sanken die nun scharenweise über mir hin durch die Nacht – Sterne voll Schönheit und Liebe, die da brannten in seliger Klarheit und sandten in heiliger Ordnung ihre Strahlen über die Welt! – Lange staunt' ich hinauf, mich umfaßt' seliges Schweigen, Taumel der Wonne, Glauben und Ruhe – Ach, mit einem Blicke wie nahe da meinem Schöpfer! Wie nahe dem Quell der Liebe, aus dem mir nun alles fleußt.

Liebes Weib! Liebe Kinder! Seht, ich walle nun gleich wieder im Erzählen hinüber. – Edens fromme, schauerhafte Gefühle umfassen mich noch einmal so ganz. Schön ist die Klarheit der Nacht; lieblicher dann auf der Aue zu weilen. Des Schöpfers Lob steigt einem wie eine Flamme über's Herz empor; dann sich der Mund ergießet in frommen, lindernden Gesängen, dann alles um uns her Ruhe und Seligkeit wird.

[108] Mit geöffneten Augen beschaute ich nun die ganze himmlische Pracht. Damals sah ich noch Sterne schimmern, die ihr jetzt vergebens am Himmel sucht: den holden Paradiesstern, der mitten am Himmel voll reiner Unschuld stand. O Eva, wir wissen es, wann er sich verlor, wie mitleidig den Gefallenen nachblickte, dann auf immer in Wolken sein trauerndes Antlitz verbarg! Auch sah ich jetzt deinen Stern, mein lieber Abel, selig auflodernd so wie du selbst; dann deinen, fromme Melboe; dich, gefällige Tirza, und Kains, meines Erstgebornen, trotzig Gestirn. Adam und Eva flimmerten vertraulich nebeneinander, zwar alle namenlos damals, doch herrlich funkelnd in stolzer Klarheit zu mir. Auch heller sah ich nun die Sternbahn über mir aufgehn, Millionen Funken einander durchbrennen und den baren Bogen am hohen Himmel halten. Es ist die Straße von heiligen Engeln bewandert, die teils singen in holder Liebe und tragen auf sanften Flügeln Kraft und Fülle des Lebens und Ahnungen himmlischer Freuden, auch süßen Frieden und selige Träume dem Menschen. Sie haben alle gar die Reinheit der Liebe, rasten im hohen Berufe nicht aus, bis sie vollbracht, was sie sollen. Dann steigen sie frohlockend wieder die höhern Stufen hinan. Sie sind zu Wächtern der Nacht bestellt, zu Hütern der Unschuld; sie stehen an heiligen Stäben, umfassen der Klarheit ewigen Quell. Tausend und tausend Flammen brannten nun und entzündeten einander, durchleuchteten die Nacht. Da ward lieblich die Finsternis; aber der Mond war nicht am Himmel zu sehen.

Wunderbeladen sank meine Stirne, aber Gott faßte mich in seine Arme auf, schloß meine müden Sinne zur Ruhe. Da lag ich ausgestreckt im kühlen Grase, und sanfter, erquickender Schlummer breitete sich zum erstenmal über mich aus.

So schlief Adam ein, voller Gnade, denn im Traume ward ihm nun höhere Offenbarung kund. O meine Kinder, wer vermag den reinen Sinn, die göttliche Einfalt dieser hohen Offenbarung zu geben! Uns verließen bei Edens Ausflucht alle die Bilder, in deren Klarheit allein ich Gottes Geheimnis verstand. Bereitet euch jetzt zu höherem Gefühle!«

Erscheinung Gottes. Gott kündigt Adam seinen Beruf an. Adam gibt vor Gott den Tieren Namen

»Ich lag in einem grünen Tale, so träumt' ich. Siehe da faßte mich's von meinem Lager auf und schüttelte mich, da strömte Feuer aus über die Wälder, mich beschattete aber eine dunkle Wolke, die mir entgegenstand, und als mich heiliges Beben auf meine Kniee niederwarf, siehe, da tat sich voneinander die Wolke, ich sah eine Klarheit, und die Sonne war schwarz, alle Sterne trübe gegen diese Klarheit, und ich sah heilige Rede in dieser Klarheit und eine Stimme – Gott war die Klarheit, aber ein Engel Gottes seine Stimme. Der stand zur Rechten, jugendlich schön gebildet in menschlicher Gestalt. Zwei Strahlen hielten auf seinen Schultern, ausgegangen [109] der Klarheit, und ein dritter bedeckte seine Lenden ganz; aber ein Hauch wirbelt' über sein Haupt her, entwehend die duftende Locke seiner Stirne, doch konnt' ich ihn nicht deutlich beschauen, weil er der Klarheit so nahe war. Zur Linken tiefer knieten drei andere Engel, ganz im Schimmer verborgen, heilige Gesandte des Herrn. Sie waren alle sel'ger Mienen, die Augen in Andacht, die Lippen voll süßen Gebets. Sie trugen alle drei Flammen an ihrer Stirne, sie bogen ihre Hände sanft übereinander und drückten im warmen, innigen Gefühl sie fest an ihre Brust.

Und andachtsvoll kniet' ich, neigte mein Haupt herab; aber zwischen mir und der Klarheit stieg aus der Erde eine weiße, reine, unbefleckte Lilie empor. Schnell trieb sie zur Höhe im grünenden Wuchse und reichte mit ihrem Stengel hoch in die Klarheit hinauf. Sie stand hervorgezogen vom Odem des Lebens, entfaltet' ihr schönes Haupt in wollüstigen, süßen Blüten, und ein angenehmer Geruch stieg über ihr auf, und da sie nun freundlich ihr Haupt zu mir herüberbog, auf einmal sie wieder zerfiel, und nicht mehr war zu sehen ihre Spur; aber ein Funke fuhr von da aus hinüber in die Klarheit.

Eine Rebe schoß nun auf, trieb hinan, grünte und blühte und stieß volle Ranken überall, schoß über von so mächtiger Kraft; unter ihren Blättern setzten häufig blau und rote Trauben sich an, ein liebreicher Anblick dem Auge und lüstern dem Mund. Nun bog sie sich in der Fülle zu mir herüber, aber ein Wind wehte, sie versank wieder und nicht mehr ward gesehen ihre Spur; aber ein Funke fuhr von da aus hinüber in die Klarheit.

Und siehe, ein reines Lamm stand, zarter Wolle, in Unschuld weidend vor mir; sieh, es wuchs auf, ward groß und ward zum Widder. Seine Hörner bogen sich stark um sein Haupt, er blökte zu mir fröhlichen Mutes; aber ein Zuck, da fiel er, seine Knochen verschlang die Erde, seine Wolle verwehte der Wind und nicht mehr zu sehen war seine Spur; aber ein Funke fuhr von da aus hinüber in die Klarheit.

Und ich stand verwundert. – Aber eine Stimme erhob sich, ähnlich dem sanften Gemurmel am heiteren Sommerabend; aus verborgenen Grotten und Felshöhlen her weht's unter den Bäumen hervor. Also die Stimme:

»Mann von der Erde, tritt nahe, am Anschauen werde vollkommner, vollkommner werde durchs Wort! Ich bin der Herr, dein Gott, der Himmel und Erde geschaffen; ich bin's, der das Meer, die Sonne, alles, was da ist, gemacht: alles Getier der Erde, die Vögel unter den Lüften, alle Geschöpfe der Wasser habe ich mit Odem erreget, habe Lebensgefühl verliehen der Pflanze, den Fels gewogen, Wärm' und Schönheit und Dauer nach Maß allew'ger Liebe. Vor allen du mein Werk, ganz in Liebe geschaffen, mein schönstes Gebild, Mann aus kühler Erde. – Tausend Wellen zu dir dem Quell der Klarheit entflossen, als mein Odem segnend über die Schöpfung ausging. Was lebet, was webet, fühlet Odem des [110] Lebens, faßt und trägt für dich Funken allewiger Liebe. – Deine Freude die meine; gesegnet mir vor allen, Mann aus kühler Erde, meiner Schönheit Spiegel – wie lieb ich dich! Du bist mir gleich in deiner Unschuld. Trag' mein Bild, rein verwahr' in deinem Busen meinen allliebenden Odem. – Gesegnet sei auf Erden, vor allen sei gesegnet, Schöpfer, Herrscher mit mir. Herrschen sollst du in Liebe über die Vögel des Himmels, über der Meere Geschöpfe, über der Erde Tiere, über die Pflanzen der Erde, über Wasser und Erde.«

Also die Stimme. – Ein weites, breites Land streckt sich auf einmal vor mir aus, lieblich mit Bäumen bewachsen wie im Paradiese. Ein dunkler, breiter Wald eröffnet sich; in der Mitte war eine schöne, grüne Wiese; die ward anmutig von zwei blauen Flüssen umfangen, oben aber am Walde lag ein lichter See, aus dem die Flüsse herabströmten. – Auf einmal ward ich auch hinversetzt auf diese grüne Wiese; aber eine Stimme rief über mir: »Schaff' jedem Tier Namen nach deinem Willen!« Und sieh, alle Tiere der Erde kamen nun und gingen vor mir vorbei, ein jedes allein, sobald ihm Gott ein Zeichen gab, und ich erteilt' einem jeden seinen Namen, wie es an mir vorbeikam, vom größten bis zum kleinsten. Vom Elefanten bis zum Wurm zogen alle vorbei. Ich gab einem jeden seinen Namen, wie es kam, und sah an den Adel, wie sie von mir wegsprangen, darum daß ihnen der Mann einen Namen gab. Nach den Tieren der Erde kamen auch aus dem Walde die Vögel der Luft. Heerdenweise flogen sie über die Ströme, ließen sich vor mir nieder, aber ein jedes kam allein an mir vorbei, sobald ihm Gott ein Zeichen gab; vom größten bis zum kleinsten, vom Strauß bis zum Kolibri, kamen alle, empfingen Namen von mir, und ich sah an den Adel, wie sie von mir wegflogen, darum daß ihnen der Mann einen Namen gab.

Jetzt stiegen auch aus dem Grunde der Flüsse die Fische hervor. Sie schwammen oben auf der Flut, die Meertiere kamen oben aus dem See bis an's Ufer zu mir herunter und wateten im Schaum. Da erteilt' ich einem jeden seinen Namen, wie es auf Gottes Wink bei mir vorbeikam, vom größten bis zum kleinsten, vom strömeblasenden Walfisch in den Meeren bis zur Grundel im Bache; und ich sahe an den Adel, wie sie von mir wegbrausten, darum daß ihnen der Mann einen Namen gab.

Neu erquickt, erleuchtet der hohen Offenbarung ward meine Seele zum Berufe des Menschen, zum Willen Gottes gegen den Menschen. Die Klarheit aber schloß sich jetzt vor meinen Augen wieder zusammen. Ein sanfter Wind erhub sich über mir, faßte die Wolke und trug sie drehend über den Wald. Weiter wollte ich ihr nachschauen, aber der Morgentau sank kühl nieder also, daß ich's im Schlummer empfand. Schnell erwacht ich darüber, schloß meine Augen auf. Der heilige Traum aber war vor meinen Blicken verschwunden.

[111] Adams Freude beim Erwachen. Der Tiere Erkenntnis zu Adam, ihrem Herrn. Lobgesang

Schon hatte die Sonne ihren hohen Kreislauf begonnen, alles um mich herum mit ihren warmen Strahlen ins Leben geregt, die Vögel sangen doch wieder so liebreich über mir, die Tiere brüllten mir wieder entgegen, alles mir so fröhlich, da ich nun meine Augen aufschloß. Zum zweitenmal erwachte ich jetzt, ebenso selig, noch seliger als zum erstenmal. O wie war mir alles so willkommen jetzt, mir so neu wiedergegeben jetzt! Wie grüßt' ich, wie segnet' ich! O Sonne, wie jugendlich sprang ich dir wieder entgegen! Wie hing ich an deinen warmen, allbelebende Strahlen, – du, die du mir entwichen, mich in Finsternis allein ließest, mir verloren warst – mit welcher Kindlichkeit, mit welcher Seelenergießung, welcher Wonne, du Meer des Wohlwollens, des Überflusses, des Ausflusses alles Segens über die Menschen! Du, deren wohltätige Strahlen mich auch im Schlummer erquickt! Ha, ihr seid mir alle wieder da, Tiere der Erde, Tiere der Luft, Pflanzen, Stauden, Hügel, Klüfte, Ströme der Welt! Wo bleibt ihr in dunkler Nacht? Ha, ihr seid mir nun wiedergegeben! euch bin ich wiedergegeben! Ihr seid mein wieder, ich wieder euer! Bist du wieder gekommen, Sonne? Du bist da, schöne Flamme, vom Himmel leuchtest du herunter, lieblich dein Gang über Hügel und Wälder, schön über die Erde, schön übers Meer! – Mein Elefant dich liebet, der Löwe gähnt zu dir, der Strauß geht aus dunkeln Schatten hervor, zu schauen dein helles Auge. – Schön ist dein Gang über Hügel und Wälder, schön über die Erde, schön übers Meer!


Du erquickest die Bäume, erquickest Fluren, erquickest und segnest die ganze Natur. Schön ist dein Gang über Hügel und Wälder, o Sonne, schön über die Erde, schön übers Meer! Geflohen der Dunkelheit! geflohen! geflohen! Jetzt lallte meine Zunge Töne der Freude, Worte, aus meinem Innern gegriffen, die meinem Herzen zwar bekannt, meiner Zunge, meinen Ohren bisher noch fremd waren. – Da lief ich zu den Tieren, schmeichelte, nannt' ihre Namen. Mein Herz ergoß sich in einem Strome von Segen um mich aus. Du bist mein, Elefant, mein bist du! Dich hat Gott mir aufgebaut, mich dir zum Herrn gesetzt; ja, laß uns freuen, daß wir einander gegeben sind. Er schrie, da ich das sagte, er schrie sanftmütig und freute sich mein. Auf meinen Ruf kamen nun alle Tiere. Es nahte der Löwe, nahte der Adler, jedes die Stärke seines Geschlechts. Alle Tiere warteten freundlich hinter ihnen. Ach, wie war mir alles so nahe damals, so nahe am Herzen. O Gott! welch eine reine, süße, unschuldige Freude; wie alles umfangend, wie alles umschließend damals mein Herz! Die Meertiere kamen jetzt auch herauf, sie schossen aus Felshöhlen am Ufer, aus der Tiefe der Wasser hervor, sie fühlten alle des Schöpfers mächtige Kraft, den süßen Hinzwang zum Menschen.

[112] Mit gräßlichem Gebrülle stieg der Meerlöwe vor allen herauf; ihm folgte nach Behemot, des Krokodils vertraulicher Bruder. Er liebt die süßen Ströme. Am Morgen steigt er herauf, zu weiden im hohen Grase; unbeholfen ist sein Gang, unedel seine Größe. Schreit er, so schwillt sein Hals wie Wolken im Sturme, sein Rachen fährt auseinander wie eine Kluft, sein Gebrüll ist wie des Stromes Fall, seine Zähne stehen malmend aufeinander wie Klippen, er zerhaut am Ufer Baumwurzeln wie Schilf. Er ist faul, wollüstig, hat keine andere Freude als sich selbst, Verderben seine Kraft. Ihm folget nach das Krokodil. Lang hingestreckt an der Erde läuft es schneller als das flüchtigste Roß, schneller als des Adlers Hinschießen nach Raube; steinern ist sein Rücken, so hart, grün wie des Meeres Schlamm. Es schlummert gern im Schilf, nach Beute lauschend. Aufgesperrt ist dann sein Rachen, scheußlich sein Gebiß, die Backenzähne sind scharf geschliffen, sie verwunden die Blicke; rot sein Auge, trüb und fürchterlich rollt es es in die Stirne, wie die blutige Sonne beim Abendsturm ins Meer. Es kennet kein Erbarmen, keine Treue, keinen Edelmut; ihm ist auch Schwäche nicht verächtlich. Wie des Meers Aufbrausen sind seine Begierden. Verzweiflung, dem es begegnet! Die Sonne ist seine Gehilfin bei der Geburt; es legt Eier wie der Strauß und läßt sie am Meersand brüten. Nun schlug auch die ungeheure Meerschlange in großem Wall hervor. Sie wiegte sich oben auf der Flut heran. Wie Wetterleuchten bei der Nacht zuckt ihr Schweif durch die Wasser; zerteilt lag sie da unter den schaumigen Wogen, wie drei hingewehte, vom Donner, Laub und Ast verbrannte Tannen. Wie ein Fluß ins Meer schießt, weit hinaus durch die grünen Wogen seine eigene Farbe treibt, kam sie also näher zum Ufer heran. Jetzt hob sie ihre Brust hoch in die Luft, warf Schatten auf die Landtiere herüber. Sie ist ein erschrecklich Geschöpf, meine Kinder! Fürchterlich wand sie sich aus des Allmächtigen Hand, da sie ward; die Wasser erfühlten ihre Schwere und sprangen unter ihr empor. Legt sie sich vor die Mündung eines Flusses, so schwellt sie den Strom zurück; mächtiger ist sie als der gewaltige Leviatan. Sie schlingt sich um die Starken herum, zieht sie mit sich hinab in ihre Wohnung, in die Tiefe der Wasser, in den Schoß des brausenden Weltmeers.


Jetzt kam auch Leviatan in eigenem Sturme daher; ferne spielt' er mit den grausen Fluten, warf die über sich in die Lüfte wie einen Stein. Er naht in seinem Zuge den Inseln und läßt regnen über sie. Wie die Nacht kommt er über dem Wasser her – aber sein Auge ist fromm, ähnlich dem Auge des frommen Stiers. Jetzt naht er dem Ufer, läßt angehen die lebendigen Brunnen seiner Nase; sie sausen und brausen in Kraft. Schwache Tiere weichen all' von ferne, die starken bleiben liegen, lassen sich erfrischen vom Morgenwind, der die Ströme hoch auffängt und lieblich zu ihnen hinüberbläst. Schöne, farbige Bogen springen vor der Sonne im Wassersturz; sie verändern sich bei jeder Bewegung.

[113] Groß seid ihr, Geschöpfe der Fluten, gewaltig gebildet von Gott, wie die Klippen, wie die Berge, aber nicht liebreich wie die Tiere des Landes. Nicht sitzen möcht' ich in euern Wohnungen, nicht teilnehmen an euerm Spiel. Ferne vom Menschen ist euer Gang, ihr fühlt nicht Triebe zu mir; gezwungen kommt ihr hierher, gezwungen von der Hand der Allmacht.

Wie sollt' ich sie alle nennen, wie könnt' ich euch jetzt sie alle nennen, die noch nachkamen! der Seehund, der so gerne auf Eis in der Sonne schläft, der Delphin, der Seebär, die vielerlei Wasserschlangen, die ans Ufer heraufkrochen, in Ringen unter den Tieren lagen oder am Ufer herunterhingen, verknüpft wie Gewurzel der Wälder.

Ich stand da, sah alle an. Alles war mir gesegnet, alle Geschöpfe sahen auf mich; wie unmündige Geschwister auf ihren ältern Bruder sehen, sahen alle auf mich.

Seid alle gesegnet, vom Herrn Erschaffene! Seid alle gesegnet, vom Herrn Gegebene! Beherrschen euch in Liebe, so ist des Schöpfers Wille! Beherrschen euch in Liebe, so ist mein eigener Wille! Mitgeschöpfe! Traute Geschwister! gebildet von Einer Hand! beseelt alle durch einen Odem! Seid alle gesegnet, vom Herrn Erschaffene! alle gesegnet, vom Herrn mir Gegebene! Gehet hin, erfreut euch im Grünen, gehet hin in die Lüfte, in die Wogen, bis ich euch berufe. Euch leuchte die Sonne lieblich am Tage, die schwere Dunkelung der Nacht mach' euch nicht bange; der Herr laß euch aufgehn, laß euch aufgehn ein Licht am Himmel! Seid mir gesegnet, vom Herrn Erschaffene! Seid mir gesegnet, vom Herrn Gegebene!

Und da sie nun meinen Segen empfangen, standen jetzt alle von ihrem Lager auf. Ein jedes suchte sich Nahrung, nach Trieben seiner eigenen unschuldigen Natur. Die fanden sie auf der Wiese, jene an Bächen und Quellen, die auf Blumen und Kräutern, an Wurzeln, an Früchten der Wälder oder auf blühenden Stauden. Jedes fand, wo es suchte, und freute sich am Genusse, da es fand. Mich aber trieb nun Neigung zur einsamen Selbstüberlassung beiseite.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Müller, Friedrich (Maler Müller). Gedichte. Gedichte. Huldigung der Tiere. Huldigung der Tiere. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5069-F