Traum

Auf einen Scharlachteppich schritt ich hin.
Klirrendes Gold zerpreßte meine Glieder –
in Ketten war ich eine Königin.
Vor meinen Blicken schwankte auf und nieder
im halben Dämmerlicht ein schmaler Sarg.
mit Veilchen rings besteckt und weißem Flieder.
Ein Kindersarg, der ein Gestorbnes barg –
Ihn trug ein Mann. Und ich, mit wehen Füßen,
mit brennenden Augen folgte tränenkarg.
Aus fahlen Wolken floß ein flimmernd Grüßen,
als nun am Tor der stille Träger stand. –
Er wandte sich und hob mit einem süßen
und klaren Lächeln seine Last zum Sand
hinab. Und hier am Eingang seiner Reiche –
bot er zum Willkomm mir die weiße Hand.
Laut schrie ich auf: »Dein Lächeln lügt, das bleiche,
dein Schweigen lügt, – und all dies klirrende Gold,
der Königspurpur lügt an dieser Leiche!
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Erlösung nur aus meiner Schmerzen Sold –
Erlösung will ich: Tränen! gib mir Tränen –«
und er: »Dir sei gewährt, was du gewollt!«
Da quoll's mir hoch, wie ein erstickend Sehnen,
ich spürt im Hirn des Herzens wildes Klopfen
– und aus den Augen stürzten meine Tränen
erlösend, heiße, rote, blutige Tropfen!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Müller-Jahnke, Clara. Gedichte. Gedichte. Wintersaat. Traum. Traum. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-52EB-1