Helle Nächte

Siehst du, wie tief schon die Sonne steht
und wie so rot ihr Licht?!
Ob sie in funkelnden Wassern zergeht,
uns beiden stirbt sie nicht.
Uns leuchtet die Nacht, die niedersinkt
und ladet zum letzten Genuß – –
und unsre lebendige Seele ertrinkt
jauchzend im Schöpferkuß!
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Du und ich, wir beide
träumen in trunkner Nacht.
Von verblaßter Seide
sind wir überdacht.
Ein Flimmern wie vom Tage
fließt um den schwarzen Tann –
eine blasse süße Sage
sieht uns lachend an.
Sie singt: »wenn zwei sich finden,
die sich von je gehört,
ein Leuchten soll es künden,
das keine Nacht zerstört.
Ein Singen soll es sagen,
das nicht im Sturme zerrinnt« –
und in den Syringenhagen
säuselt Mittsommerwind.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Müller-Jahnke, Clara. Helle Nächte. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-53E5-3