Vesuvius

[1633.]


Natur, von derer Krafft Lufft, Welt und Himmel sind,
Des Höchsten Meisterrecht und erstgebornes Kind,
Du Schwester aller Zeit, du Mutter dieser Dinge,
O Göttin, gönne mir, daß mein Gemüte dringe
In seiner Wercke Reich und etwas sagen mag,
Darvon kein Teutscher Mund noch biß auff diesen Tag
Poetisch nie geredt; ich will mit Warheit schreiben,
Warumb Vesuvius kan Steine von sich treiben,
Woher sein Brennen rührt und was es etwan sey,
Darvon der Glut sich nehrt. Apollo, komm herbey
Mit deiner Musen Schar, laß ihre Hand mich leiten
Auff dieser neuen Bahn, so will ich sicher schreiten,
[147]
Wohin mein Geist mich trägt; und du auch, edler Heldt,
Piastens grosser Zweig, du Bild der alten Welt
Und Liecht der jetzigen, du Hertzog von Geblüte,
Doch mehr von Dapfferkeit, von Gaben und Gemüte,
Das niemahls under liegt, o unsers Landes Lust,
O deines Volckes Trost, verzeihe, wie du thust
Auß Demuth deiner Macht, verzeihe mir mit Gnade
Daß ich unangesagt mit Schrifften dich belade,
Die gar zu schlecht für dich, ich weiß und sehe wol,
Daß einer etwas mehr als ich besitzen soll,
Der Fürsten schencken will. Doch laß die Gunst mir scheinen,
Vermöge welcher du es pflegest wol zu meynen
Mit aller Wissenschaft; so lieb dir je mag seyn,
Wann dieser wilde Krieg in Kürtzen seiner Pein
Ein Ende machen wird, daß du mit reichen Segen
Deß Himmels, der dich liebt, den Grundt-Stein müssest legen
Der neuen Sicherheit, daß deine treue Hand
Sich rege wider die, so unser Vatterlandt
Gesonnen dörfften seyn in Blut und Brand zu setzen,
Daß Feldt und Stätte sich an dir vollauff ergetzen
Und daß du mögest selbst noch sehn mit Augen hier
Die Freyheit deiner Leut' und deiner Kinder Zier.
Der Mensch, das kluge Thier, pflegt zwar mit vielen Dingen
Die Zeit, das kurtze Pfandt deß Lebens, zu vollbringen
Und leget allen Witz bey schönen Künsten an,
Doch bessers weiß er nichts, damit er zeigen kan,
Daß er, die kleine Welt, zum Herren sey gesetzet
Der grossen, die ihn nehrt, als wann er sich ergetzet
Mit seiner Sinnen Krafft, beschaut diß weite Hauß
Vom höchsten Giebel an zu allen Seiten auß
Mit Augen der Vernunfft, verschicket das Gemüthe
In seines Schöpffers Werck, da alles reich an Güte
Und voller Weißheit ist, und macht ihm auff den Grundt
Die Sitten der Natur sampt ihrem Wesen kundt.
Er steiget bevorauß dahin, woher er kommen,
Auff seinen Himmel zu, auß welchem er genommen
Das Theil der Göttlichkeit; da sieht er und erkiest,
Wie dieses Hauses Zeug gantz schlecht und einfach ist,
Von Ansehn und Gestalt gewölbet auffgeführet,
Daran kein Winckelmaß noch Grösse wird gespüret,
Rein an Beschaffenheit, gantz, nimmer wandelbahr,
Vollkommen, zirckelrund, erleuchtet hell' und klar,
[148]
Beweglich, schneller Art, an Würckung reich unnd mächtig,
An Kreysen wo der Thron des Höchsten stehet prächtig
Und wo die Sternen gehn, der Nächte Trost und Zier.
Auff diesen Himmelsleib erlernt er mit Begier
Die Cörper unter ihm, Lufft, Feuer, Wasser, Erde,
Ein jedes, wie es ist und was auß ihnen werde,
Wann warm, kalt, trucken, naß zusammen sind gebracht,
Durch welche Mischung dann die Farbe wird gemacht
Der Dinge, denen ist verliehen und gegeben
Schmack, Kochung und Geruch, ingleichen Seel' und Leben.
Darunter dann der Mensch nichts Edlers finden kan,
Als sich, den Menschen selbst, der billich geht voran
Für wilder Thiere Schar, für Pflantzen und Metallen,
Für diesem, was wir sehn hier auff der Erden wallen
Und was die Lufft gebiehrt, für allem, was die Welt
Von dem, was weltlich ist, in ihren Armen hält,
Die Welt, das grosse Buch, auß derer Thun und Wesen
Er von demselben kan auff allen Blättern lesen,
Der sie erschaffen hat und seines Segens Krafft
So reichlich in sie geußt. Solt' uns die Wissenschafft
Nicht frey und offen stehn, was wolten wir viel leben?
Ist's darumb, daß wir nur nach Golt' und Gelte streben,
Auff Pracht und Ehre gehn, uns füllen Nacht und Tag
Und etwas anders thun, das ich nicht sagen mag?
Alsdann kan erst ein Mensch sich einen Menschen nennen,
Wann seine Lust ihn trägt, was über uns zu kennen,
Steigt Eyffers voll empor und dringt sich in das Schoß
Und Gründe der Natur; da geht sein Hertze loß,
Lacht von den Sternen her der Zimmer, die wir bauen,
Deß Goldes, welches wir tieff auß der Erden hauen,
Wie auch der Erden selbst. Und wann er oben her
Den engen Klumpffen sieht, der theiles durch das Meer
Bedecket, theiles bloß und unbewohnet lieget,
Ist Sand und Wüsteney, wird niergend gantz gepflüget,
Und klagt hier Schnee, da Brand, so fängt er bey sich an:
Ist dieses da der Punct, der nimmer ruhen kan,
Er werde dann durchs Schwerdt und Feuer abgetheylet?
Ist dieses, wo der Mensch nach nichts so embsig eylet?
Wir Thoren; jenes soll der Teutschen Gräntze seyn,
Darüber greiffe man nicht dem Frantzosen ein;
So weit geht Spanien. Ein Sinn, der Weißheit liebet,
Sieht, was man heute nimbt und morgen wieder giebet,
[149]
Mit sichern Augen an und ist gar wol vergnügt,
Wann er den Todt und Neyd durch Wissenschafft besiegt
Und kennt, wie möglich ist die Ursach aller Dinge.
O, wer verleyht auch mir, daß ich mich nunmehr schwinge
Auff meinen Vorsatz zu. Mein Sinn der steiget schon
Geflügelt in die Lufft und reisset mich darvon.
Was will ich aber dich durchauß von allen Ecken,
Campanien, besehn? Ein jedes Orth und Flecken
Hat seine Lust für sich. Zwar Welschland, gibt man zu,
Ist aller Erden Zier, deß welschen Landes du.
Der Himmel lacht dich an, die Lüffte, so hier streichen,
Sind nimmer ungesund, hier will noch Ceres weichen,
Noch Bacchus, jene rühmbt ihr Korn, der seinen Wein,
Und Flora heisset es zwey mal hier Frühling seyn,
Beblümet zwier das Feldt. Kein Meer ist mehr bebauet,
Kein Hafen weit und breit wird schöner nicht geschauet
Als umb Cajeta her, umb den Misener-Strandt
Und wo Anchisen Sohn den Weg zur Höllen fand,
Durch stilles Finsternüß geführet von Sibyllen,
Auch wo das Römer-Volck der schönen Bäder willen
In voller Ueppigkeit die lange Zeit vollbracht
Und selbst der Hannibal verlohren seine Macht,
Durch Laster, nicht durch Krieg. An Püschen zwar unnd Wilde
Sind viel Gebierge reich; hier stehn die Weingefilde,
Der edle Massicus, das trächtige Surrent,
Und Gaurus, welchen Pan für allen Klippen kennt,
Wo offtmahls Nereis bey stiller Nacht gegangen
Und in ein Rebenblat die Threnen auffgefangen
Für Liebe, die sie trug, und etwan Galathee
Den wilden Satyren nechst dem Lucriner-See
Durch List entgangen ist. Jedoch wird zu gegeben,
Es sey Vesuvius für allen zu erheben,
Mein Zweck, Vesuvius. Für seinen Augen her,
An seinen Wurtzeln schier, fleußt das Tyrrhener Meer,
In welchem Prochyta und Pithecusa stehen,
Und Nesis, wo die Lufft fast schädlich pflegt zu gehen,
Die Ziegen-Insel auch, da jener Keyser saß
Und sein betrübtes Brod mit Furcht und Zittern aß,
Bloß auß Gewissens-Angst zum Spiegel der Tyrannen,
Die erstlich gute Leut', hernach sich selbst verbannen,
Seynd aller Menschen Schmach und müssen blutig hin
Nach kurtzer Grausamkeit zur Ceres Eydam ziehn.
[150]
Noch näher lieget ihm Neapolis, die schöne,
Parthenope genandt vom Grabe der Sirene,
Da wo Sebethus rinnt und wo nicht weit darvon
Das reiche Vorwerck stund, gebaut von Pollion,
Pausilypus genandt; auch Maro wolte wissen
Hier seine Todtes-Grufft bey dieses Berges Füssen,
Der trächtig umb und an in schönen Wiesen liegt,
Der Vieh und Früchte hegt, und kühlen Schatten kriegt
Mit einer stillen Lust von seines Weines Reben,
Dem alle Zeiten her das gute Zeugnuß geben,
Ihm gehe nichts zuvor. Der Musen Sommer-Hauß,
Parnassus, steckt wie er zwey hohe Spitzen auß
Und raget in die Lufft. O daß doch alle Gaben
Der gütigen Natur so viel Gebrechen haben,
So mißlich allerseits und unvollkommen sind!
Der Erden beste Lust verrauchet als ein Wind
Und geht geflügelt durch, das Unglück aber wachet
Ehe als das Glücke schläfft; das Thier, so Honig machet,
Ist bey der Süssigkeit deß Stachels nimmer frey,
Wo eine Rose blüht, da steht ein Dorn darbey.
Zum ersten wann der Berg zu wüten angefangen
Und welche Zeit die Glut vor Alters auffgegangen,
Zeigt kein Gelehrter an; es ist auch nicht mein Ziel,
Daß ich die grosse Brunst allhier erzehlen will,
So da entsprungen ist, wie Titus hat regieret,
Darvon die Asche ward in Africa geführet
Und in Egypten hin; man schreibet nach und nach,
Wie grimmig offt und viel die schwere Feuerbach
Herfür gebrochen sey. Wir müssen näher kommen;
Der bleiche Monde hat eylff mal erst abgenommen
Und neue Hörner kriegt, seit daß der heisse Grund
Sein Feuer werffen ließ den auffgesperrten Schlundt.
Die Welt liegt unbesorgt mit sanffter Ruh umbgeben,
Als alles Landt umbher beginnet zu erheben
Sich selbst und was es trägt; es giebt der grossen Last
Mit Furcht und Zittern nach, das arme Volck verblast,
Der Häusser Rücken bebt, die See wird auch erreget,
Biß daß Aurora kompt noch bleicher als sie pfleget
Und ihren weissen Zug fast hinter sich läst gehn,
Dieweil sie umb den Berg sieht eine Wolcken stehn,
Dardurch ihr heller Glantz mit allen seinen Strahlen
Zu dringen nicht vermag, noch weiters weiß zu mahlen
Das gantz betrübte Feldt. Der Nächte Mittag macht
Die Wiesen nie so schwartz, wann deß Gestirnes Pracht
[151]
Im dicken Nebel steckt, als dieser Dampff sich zeiget,
Der wie ein Fichtenbaum hoch von der Wurtzel steiget
Und spreitet sich alsdann mehr weit als höher fast
Mit dicken Aesten auß, dieweil der Aschen Last
Sich in die Breyte gibt. Bald kömpt ein solches Krachen,
Als wann der Jupiter mit Donner in die Sachen
Der schnöden Menschen schlägt, daß aller Grundt der Welt
Erzittert, oder auch im Fall ein kühner Heldt,
Der für die Freyheit steht und seine grosse Thaten
Auff gute Sache pflantzt, mit feurigen Granaten
Ergrimmet umb sich wirfft und zwinget eine Statt,
Die noch an Billigkeit der Waffen Zweiffel hat,
Zu glauben, was ihr dient. Die Hitze bricht zusammen
Durch eine rauhe Bahn mit ihren wilden Flammen,
Wirfft schrecklicher Gestalt deß Berges Glieder auß
Und jaget mit Geschrey biß an deß Himmels Hauß
Den stinckichten Morast, von dessen schwartzen Sande,
Der Pech unnd Schwefel hält, kein Orth im gantzen Lande
Sich frey und sicher weiß. Es springet auch ein Fluß
Deß Feuers auß der Klufft, dem alles weichen muß,
In dem er seinen Lauff in sieben Ströme theylet
Und dem Gestade zu mit heissem Rauschen eylet,
Daß Thal und Hügel brennt; der Acker wird verheert,
Das Vieh, so weyden will, von Flammen selbst verzehrt,
Die Gräser Heu gemacht, die schattenreichen Wälder
Vom Grunde fortgeführt und die Phlegreer-Felder
Sindt nichts als lauter Glut; das alte Herculan,
Das lustige Castell genandt Octavian,
Viel Flecken voller Frucht und Dörffer stehn im Brande,
Die Wässer fürchten sich und fliehen von dem Lande
Das Volck, so nicht erstickt und gar wird fortgerafft,
Kompt athemloß daher, beraubet aller Krafft,
Lahm, nackend und halb todt, und füllt mit Weh und Zagen
Den gantzen Himmel an, der gleichsam mit ihm klagen
Und auch sich kümmern muß. Wie etwan ein Soldat,
Wann daß er Feind und Todt für seinen Fäusten hat
Und ihm der blinde Staub gleich unter Augen stehet,
Erhitzet Feuer giebt, und da er meynt, er gehet
In dessen auß Gefahr, so rennt er mehr hinein,
Nicht anders lauffen sie auch über Stock und Stein,
Von Angst und Asche blind; der giebet seinen Wänden,
So brennen, gute Nacht, der reißt mit beyden Händen
Den armen Vatter fort, der nunmehr alt und schwach
Gar kaum zu folgen weiß und zeucht den Stab hernach,
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Der kan sein treues Weib und Kinder nicht verlassen,
Und jeglicher bemüht mit sich etwas zu fassen,
Das ihm für allen lieb; doch folgt der Raub nicht gar,
Und mancher kompt durch Geitz in Jammer und Gefahr,
Bleibt selber, wo sein Geldt. Die Glut muß aber weichen
Dem, den der Himmel liebt; sie giebet fast ein Zeichen
Der Gunst zur Gottesfurcht. So ward für dieser Zeit
Der frommen Brüder Par für Etna auch befreyt,
Die, als die andern zwar ihr Golt und Güter trugen,
Der Eltern süsse Last umb ihre Schultern schlugen,
Das Reichthumb ihrer Pflicht. O eine schöne Wahr!
Der Mutter krummer Halß, deß Vattern graues Haar,
Ein Feuer wahrer Treu, versichert für den Flammen;
Wohin sie beyde gehn, da lauffen sie zusammen,
Sind schamroth ihnen nur zu thun ein kleines Leyd
Und machen freye Bahn. Wie ist die Frömmigkeit
Dem Menschen fort und fort sein bester Schirm unnd Schatten!
Indem die Felder nun mit Pech unnd Schwefel braten,
Die Lufft im Feuer steht, die Püsche hin und her
Zu Grundt' und Boden gehn und das bestürtzte Meer
Die Wellen in sich schluckt, indem deß Nachts die Sternen,
Die Sonn' im Tage zagt, steht alle Welt von ferrnen
Und weiß nicht, wessen sie nunmehr gewertig sey.
Nach vieler Meynung ruckt der grosse Tag herbey,
An dem der höchste Vogt soll Recht und Urtheil hegen.
Viel haben diesen Wahn, es sey der Feuer-Regen,
Der auß den Wolcken her viel Stätte hat verzehrt,
Wo jetzt noch der Gestanck deß Asphaltites wehrt,
Den Wildt und Vogel fleucht, den keine Lufft beweget,
Der selber weder Fisch noch Frucht am Ufer träget
Und nur das Pech gebiehrt, auß welchem man erkiest,
Wie Gott das Laster strafft, das nicht zu sagen ist.
Es ist das arme Volck im Zweiffel aller Sachen,
Man sieht gantz Stabia, Salern und Nola wachen,
Es bebet Capua, die Königin der See,
Deß Landes bester Ruhm und Zier, Parthenope,
Vermeynet durch den Plitz und Donner zu zersplittern;
Die Thiere fürchten sich, deß Volckes Hertzen zittern,
Der klagt der Seinigen und jener frembde Noth,
Viel wündschen ihnen auch auß Todtesangst den Todt
Und sehen, was nicht ist. Der allermeiste Hauffen
Kompt auff die Tempel zu mit heisser Brunst gelauffen,
Sagt seine Sünden auff, spricht theiles etwas an,
Das selbst im Feuer steht und wenig rathen kann,
[153]
Und theiles weiß den Sinn doch besser zu erhöhen,
Zu dem der einig hilfft. So pflegt es her zugehen,
Wann böser Zustand ist, da nimbt man Gottes wahr,
Wo gutes Glücke wohnt, raucht selten ein Altar.
So fange Musa nun die Ursach an zu sagen,
Woher deß Berges Glut, das schwere Donnerschlagen,
Der Quell deß Feuers sey. Es glaube keiner nicht,
Diß was der Dichter Wahn von diesen Orthen spricht,
Vulcanus habe sie zu seiner Werckstatt innen,
Auß welcher solcher Plitz und Flammen sich entspinnen,
Wann er deß Jupiters Geschoß bey stiller Nacht
Sampt Brontes, Steropes unnd dem Pyracmon macht,
Daß Stahl und Amboß klingt. Sie nennen auch Giganten,
So auff die Himmlischen auß stoltzem Grimm entbrandten
Und worden endlich noch mit grosser Noth erlegt,
Wann Typhon sich nun hier im tieffen Kercker regt
Und seinen wilden Kopff auß aller Krafft erhöhet,
Auff dem Vesuvius als zur Beschwerung stehet,
So krachet, sagen sie, und bebt das gantze Landt
Unnd auß dem Rachen wirfft er Steine, Pech unnd Brandt.
Nun, diese Freyheit ist Poeten ja zu geben,
Als Schülern der Natur, bey denen Steine leben
Und Götter sterblich sind, ich habe mir erkiest,
Sonst nichts hier an zu ziehn als was unlaugbar ist.
Wir sind die jenigen an jetzt zu widerlegen,
Mit vielem nicht gemeynt, so für zu geben pflegen
Diß rühre mehrentheils nur von den Sternen her
Und sonderlich von Mars, Saturn und Jupiter,
Den Vättern solcher Macht; als wie sie dann auch lehren,
Daß alles was sich hier kann regen und empören,
An Ursach und Beginn auß ihrem Himmel sey;
Doch kömpt was anders noch der Warheit näher bey.
Das Erdrich, also weit sein grosser Umbschweiff reichet,
Ist löcherig und hol, weil es ihm selbst nicht gleichet
Und wegen vieler Art in welcher es besteht,
Sich von einander trennt und nie zusammen geht;
Auch gleichfals weil es stets entweder was gebiehret
Und zeuget, oder was von seinem Wesen führet
Und vorige Gestalt zu etwas anders macht;
Und dann, wie ihrer viel ihm weißlich nachgedacht,
Dieweil es selber lebt, in dem ihm pflegt zu geben
Die Seele dieser Welt ein Theil von ihrem Leben,
Ist in und ausser ihm, durchdringt es umb und an,
Daß dieses grosse Thier den Athem schöpffen kann
[154]
Und Blut und Adern regt. Nun weiß man, daß die Erde
An keinem Orthe sonst mehr hol gefunden werde,
Als wo deß Meeres Strand nicht ferren von ihr pflegt
Zu stehen, oder auch an ihre Gründe schlägt
Mit rauschender Gewalt; so wird auch stets gespüret,
Wie Tethys alles diß, was ihre Krafft berühret,
Verzehret und durchfrißt, besonders aber ihr
Daselbst macht Platz und Raum, und einreißt für und für,
Wo schwacher Boden ist. Wohin sie nun sich dringet
Und welches Erden Glied sie durch ihr Saltz bezwinget,
Da führt sie auch mit sich zugleich hinein den Windt.
Wann alle Winckel nun gantz angefüllet sind
Und eine Lufft nicht weiß der andern nachzugeben,
So brauchet sie Gewalt, fängt an empor zu streben,
Und weil das Wasser ihr den Gang verstopffet hat,
Durch den sie kommen ist, als sucht sie andern Rath,
Reißt umb und über sich, daß alles Land erzittert,
So weit die Winde gehn, daß Thal und Hügel splittert,
Und gibt der Stärcke nach; es ist nichts auff der Welt,
Das fast deß Windes Macht die rechte Wage hält,
Weil auch die höchste Krafft ohn ihn sich nicht beweget.
Der Wind macht einig nur, daß sich das Feuer reget,
Ohn ihn entschläfft die See, und Nereus lieget todt;
Da bläßt das Segel auff, da kompt ein Schiff in Noth,
Wann ihn der Eolus auß seiner weiten Hölen
Herfür läßt, daß er kan das gantze Meer beseelen
Und durch das blaue Saltz mit freyem Zügel gehn.
Die Oerter zeugen auch, so nechst dem Wasser stehn,
Diß rühre her wann Wind und Flut dringt in die Erden,
Dieweil sie mehr als sonst ein Landt erschüttert werden
Das weit liegt von der See; so soll auch Paphos seyn
Und so Nicopolis mehr als ein mal allein
Verkehret; Cypern ward durch gleiche Macht gereget
Und Tyrus und Sidon, der Stätte Zier, beweget
Von ihren Gründen auß. Der Mensch, das edle Thier,
Wohnt fast gesund und frisch in seinem Leibe hier,
So lange Lufft und Blut behalten ihre Gänge;
Wo aber diese schon durch Kranckheit in die Enge
Getrieben worden sind, geht Angst und Keichen an;
So auch, wann hier die Flut und Wind nicht kommen kann,
Wo ihnen die Natur zu gehen hat gegeben,
Alsdann beginnen sie mit Macht sich zu erheben
Und reissen grimmig auß. Diß ist der Unterscheyd
Daß in dem Leibe sich das Zittern weit und breit
[155]
Und von der Scheitel an biß auf den Fuß erstrecket.
Das Beben aber wird hier weiter nicht erwecket,
Als wo der Raum nur ist, in der die Lufft sich regt
So, da als Chalcis schier zu Grunde ward gelegt,
Stund Thebe Boden doch und sie blieb unberühret;
Als Egium erbebt, hat Patras nicht gespüret
Die nahe Nachbarin. Es fielen Helice
Und Buris sämptlich ein nechst der Corinther-See,
Doch ward Achaja sonst im übrigen verschonet.
Daß aber hier anjetzt, die weit darvon gewohnet,
Das Beben auch gehört und so viel Stätt' und Landt
Erschüttert worden sind, so ist genung bekandt,
Bey denen die jetzt sind und welche vormals waren,
Der gantze Boden hier sey umb und umb durchfahren
Mit Löchern, da der Wind sich dringet auß und ein,
Darinnen Schwefel auch gebürtig pflegt zu seyn,
Der Glut und Feuer hält. Das kan uns Vajä weisen
Und wo die Seelen hin zur Höllen sollen reysen,
Der schwartze Teich Avern; ingleichem Puteol,
Von dessen Wasser sich viel Kranckheit mindern soll
Und wo sich Ciecero hat pflegen zu verweilen,
Das Quell, so Blödigkeit der Augen weiß zu heylen;
Und der Vulcanus-Marckt, der eine solche Glut
In seinen Gründen hat, daß auch die wilde Flut
Mit kochender Gewalt hoch von der Erden springet
Und einen schwartzen Rauch auß seinem Hartze schwinget.
Der Leucogeer-Strom zeigt diß nicht minder an,
Der eine gute Lust zum Essen machen kan
Und ist ein Wunder-Artzt. Wie soll ich auch verschweigen
Der Charoneer-Grufft, auß welcher Dünste steigen,
Von denen Thier und Mensch in kurtzer Zeit erstickt?
Wann jemand aber auch sein Antlitz weiter schickt,
Steht nicht Enaria auff Flammen gantz gebauet
Und mitten in der See? Wird da nicht auch geschauet
Epopeus, Feuers voll, als wie Vesevus hier?
Komm in Sicilien, da raget Etna für,
Der offtmahls auch das Land mit Aschen überschneyet,
Mit Steinen umb sich wirfft, gepichte Flammen speyet,
Dem Donner ehnlich wird und läßt die Feuer-See
Auß seinen Adern loß. Die Insul Lipare
Mit noch sechs Schwestern ist nicht weit darvon gelegen,
Die auch sich allesampt mit gleicher Hitze regen
Und machen ihrer Glut zum öfftern eine Bahn,
Auch durch die Wellen selbst. Ist dann nun umb und an
[156]
So vieler Felder Grund mit Schwefel angedünget,
Wie kan es anders seyn, als daß er etwas bringet,
Was die Natur ihn heißt? Wo nun die Lufft sich regt
Und sucht die Hölen auß und Stein zu Steine schlägt,
Darbey deß Schwefels Krafft und Zunder sich befinden,
So geht das Feuer an, wie etwan von den Winden,
Wann ihr ergrimmter Sturmb den Wald zusammen treibt,
Ein Baum so offt und viel deß andern Aeste reibt,
Daß durch Erhitzung sich der liechte Loh empöret,
Von dem nicht eher wird zu wüten auffgehöret,
Biß mit der Püsche Zier den Stämmen auch das Kleyd
Der Erden, Laub und Graß, durchauß ist abgemeyt.
Wird nun ein grüner Wald hier oben angestecket,
Was soll der Wind nicht thun, da wo er liegt verdecket
Und seine Bande fühlt? Dann daß der Erden Klufft,
Und nicht ihr Rücken nur, ein Kercker sey der Lufft,
Ist leichtlich darzuthun; diß was ich von mir treibe,
Deß Athems warmer Geist, wohnt inner nur im Leibe,
Nicht in der enssern Haut. Man sieht es auch daran,
Daß diese Krafft die See empor bewegen kan
Auß ihrer Teuffe her, kan Stätte gantz verschlingen,
Kan Völcker ihren Sitz zu hinderlassen zwingen,
Kan heissen Länder seyn, wo sonst die Wellen gehn,
Und da die See hin thun, wo jetzund Länder stehn.
Nun, wie der Berg entbrennt und wann die Glut sich wittert,
Das gantze Land umbher mit solchem Beben zittert,
Ist mehrentheils erklärt; jetzt zweiffelt man daran,
Wie eine Flamme doch so lange wehren kan,
Die dannoch irrdisch ist und eher sich nicht scheydet
Von dem, worauff sie fällt, biß alles abgeweydet
Und auffgerieben ist? Nun steh' ich gerne zu,
Es schlieffe längest schon die Glut in stiller Ruh,
Wann daß sie selber nicht, auch mitten im Verzehren,
Geartet were stets, was anders zu gebehren,
Darvon sie leben kan, in dem die Feuchtigkeit
Und Lufft ihr Nahrung gibt und machet allezeit
Dem Feuer was zu thun; dann auß dem Koth unnd Erden
Die bey der Hitze schwitzt, pflegt ein Alaun zu werden
Und Schwefel und das Hartz, das Schwefel gleichet schier,
Braun, ölicht, heisser Art; diß ist der Zunder hier,
Der auch im Wasser brennt, unnd sich vom Wasser nehret;
Darumb auch die Gewalt der Glut nicht länger wehret
Als diese Feistigkeit, die offtmahls wie ein Fluß
Sich auß der tieffen Klufft mit Brausen heben muß,
[157]
Und pichen Wald und Feldt. Dieweil der Berg nun brennet,
Und seine Gegend stets vom Wasser wird berennet,
So daß, wann Hartz, Alaun und Schwefel sind verthan,
Ihr Samen widerumb sich doch erholen kan,
Und satte Nahrung hat, wie soll die Glut verschwinden,
Und nicht von Zeit zu Zeit sich auff das neue finden,
Wo sonderlich der Wind in dieses Mittel kömpt,
Von dem das Feuer gleich als seine Seele nimbt,
Und machet daß eh sich die Flamme kan erheben,
Die Gründe zuvor her viel Säufftzer von sich geben,
Und schüttern ihre Brust; wie auch zu Sturmes Zeit
Ein taubes Murmeln sich erreget weit und breit,
Und heißt der Schiffer Volck die stoltzen Segel streichen,
Der reissenden Gewalt so besser außzuweichen,
Wann die erzörnte See das schwache Hauß erwischt,
Und ihrer Wellen Grimm mit Lufft unnd Wolcken mischt?
Es scheint uns aber hier im Wege noch zu stehen,
Weil Pims und Eysen-Stein stets von dem Berge gehen,
In solcher Menge zwar, mit Krachen und Geschrey,
Ob diß auch nur Alaun, nur Hartz und Schwefel sey?
Nein; sondern wann die Glut, erzeuget von den Winden,
Von Feuers Art genehrt, sich selber auff muß zünden,
So greifft sie nicht allein die schwachen Glieder an,
Sie reißt die Adern auff, durchdringet, wie sie kan,
Der tieffen Hölen Bau, erhebt sich auß dem Grunde
Und treibet über sich mit auffgesperrtem Schlunde
Geschmeltzte Felsen auß, daß Lufft und Erde brüllt
Und alle Gegend fast mit Klüfften angefüllt
Und öde werden muß. Daß ferrner auch die Steine,
Die Klüfften, dieser Kieß, deß Berges Marck unnd Beine,
Noch nicht verzehret sind nach solcher langen Zeit,
Da doch so offt und viel das Feldt damit beschneyt
Gantz häuffig worden ist, kömpt von Natur der Erden,
Die niemahls also sehr nicht kan erschöpffet werden,
Daß sie nicht wider sich auffs neue selbst gebiehrt
Und ihres gleichen stets an ihre Stelle führt.
Noch wundert sich das Volck, und weil es bey den Sachen
Von ihrer Eygenschafft nicht Rechnung weiß zu machen,
Gebraucht die Augen mehr als Sinnen und Verstand,
So meynt es, was ihm nicht steht täglich für der Hand,
Sey über die Natur; da ihre Kunst und Stärcke
Sich dennoch sehen läßt durch so viel tausend Wercke,
Die bey und über uns sich zeigen umb und an.
Wer sicher und mit Ruh deß Hertzens sehen kan,
[158]
Wie Phebus Tag für Tag pflegt mit den liechten Strahlen
Der Allmacht weises Buch, den Erdenkreyß zu mahlen;
Wie Cynthia nach ihm, wann Hesperus der Welt
Den schwartzen Mantel gibt, der Wolcken blaues Feldt,
Gehörnert überscheint; wie Perseus flüchtig stehet,
Cassiepea sitzt, Bootes langsam gehet,
Wie ordentlich der Lentz erquicket Land und See,
Wie bey der Winters-Zeit deß Wassers Staub, der Schnee,
Den Aeckern Ruh verleyht, wie diß, das jetzt uns träget
Und nach dem Todte deckt, Getreyd' und Kräuter heget,
Die Thier' und Vögel nährt, ja wie das grosse Hauß,
Die schöne Creatur, die Welt, von unten auß
Biß oben hin an Zier und Ordnung sey vollkommen,
Wer, sag' ich, solches nie für Wunder auffgenommen,
Kan ihm Vesuvius wol etwas frembdes seyn?
Und will ja dieses ihm nicht ohn Bestürtzung ein,
Was sagt er, daß ein Fluß verschluckt wird von der Erden,
Und anderwerts hernach muß außgespeyet werden,
Wie Erasinus zwar und etwan Lycus sind?
Was dünckt ihn, daß ein Quell bald reich an Wasser rinnt,
Bald dürr und trucken ist, daß ferrner, wie sie sprechen,
Das Haar dem Golde gleicht von Crathis klaren Bächen,
Daß einer taumeln muß, so trinckt den Fluß Lyncest,
Und daß ein anderer den Wein durchauß verläßt,
Der seinen Durst ein mal auß dem Clitor gestillet,
Daß feister Ochsen Aaß das Feldt mit Bienen füllet,
Daß todtes Pferde-Fleisch den schwartzen Kefer heckt,
Ein Krebs den Scorpion, der Koth den Frosch erweckt,
Der Phenix sich verbrennt und wider selbst gebiehret,
Und der Corallenstein, der manche Venus zieret,
Eh er die Lufft erreicht, ein Kraut im Wasser war?
Diß alles ist Natur; wir aber sind so gar
Geblendet und verstockt, daß wir in allen Wercken
Deß weisen Schöpffers Macht unnd Ordnung nimmer mercken,
Als wann was neues sich, wie schlecht es auch mag seyn',
Für unsern Augen zeigt. Wie herrlich ist der Schein
Der edlen Sonnen doch, noch wirfft man das Gesichte
Gar selten zu ihr auff; wann aber ihrem Liechte
Ein trübes Finsternuß wird in den Weg gesetzt,
Da läufft der Pöbel zu, da wird es hoch geschätzt
Und furchtsam angesehn. Wir armen Leuthe pflegen
Mehr etwas, welches frembd' als groß ist zu erwegen,
Und da was undergeht, so zittern wir darbey,
Als ob nicht alles hier bey gleichem Rechte sey,
[159]
Was unterm Himmel ist. Doch mag man wol bekennen,
Es sey nichts schrecklichers als dieses Berges Brennen,
Das Schüttern weit unnd breit und heisser Schweffel-Fluß,
Darumb man billich auch die Hertzen trösten muß,
Und stärcker fast als sonst. Dann wie soll ich frey gehen,
Da auch die Erde selbst ihr' Eygenschafft, das Stehen,
Jetzt nicht behalten kan? Kracht irgendt wo ein Hauß,
Dem nicht zu trauen ist, da springet man herauß,
Läßt Küch und Keller stehn; wo wilt du Zuflucht finden,
Wann dieser grosse Bau, darauff wir Stätte gründen,
Der alles schützt und hält, sich selbst empören will?
Was ist für Trost unnd Rath, wo bey der Flucht kein Ziel,
Wohin zu fliehen ist? Will mich ein Feind verletzen,
So hab ich meine Faust, kan Schantzen für mich setzen;
Für Donner schützen mich die tieffen Hölen fast,
Kompt eine Windes-Braut so geht der Erden Gast,
Der Schiffman, Hafen-ein; wann Feuer sich erregen,
So trägt man dennoch auß; deß Feldes Trost, der Regen,
Dringt durch die Dächer nicht; zu Pestzeit heißt es: Lauff;
Diß Uebel greiffet weit und bricht von unten auff
Mit bebender Gewalt, wirfft Länder über Hauffen,
Läßt sicher weder Vieh noch Leute für ihm lauffen,
Verschluckt den jenigen zum offtern, der noch lebt.
Jedoch was ist es mehr, ob mich ein Mensch begräbt,
Er, oder die Natur? Ob ich in wenig Erde
Geleget, oder ja in viel verschorren werde?
Meynst du, Campanien sey nur ein Orth der Noth?
So weit du sehen kanst, mein Freund, da wohnt der Todt.
Vesuvius ist hier. Der Leib, der Seele Wagen,
Der Kercker, den der Mensch muß an dem Halse tragen,
Der Mensch, deß Glückes Ball, die Fantasey der Zeit,
Darff nicht erwarten erst, biß Etna Feuer speyt,
Biß Plitz und Donner kömpt, biß Statt und Land versincken.
Was scheuen wir die See, ein Tropffen, wann wir trincken,
Der nicht die Kehle trifft, kan unser Hencker seyn.
Was soll die Erde thun? Wir kommen doch hinein,
Wiewol wir auff ihr sind. Was darff mich diß bewegen,
Ob ich sie, oder sie sich selbst mir auff wird legen?
Wie wol doch stehet der, so alles, was ihm kömpt
Vom höchsten, der es schickt, beständig auff sich nimpt
Und stellt ihm, wann er sieht das Volck sein Hertz' außsaugen,
Mit glücklicher Vernunfft die Ursach unter Augen,
So in den Dingen steckt, die Welt-gemäße sind,
Erkennt, daß alles hier vergehet und beginnt,
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Beginnet und vergeht, ja daß auch Gott Cometen,
Gewässer, Donner, Plitz und Beben als Propheten
Und Botten zu uns schickt, durch die er offt und viel
Verkündigt, wie sein Zorn an uns sich rächen will!
Die Träume-Weisen auch bekennen, daß den Leuthen
Ein Erde-Beben fast nichts anders an will deuten,
Als allgemeinen Fall, als neues Regiment,
Als grimme Krieges-Noth, die frembdesher entbrennt,
Als Schrecken und Gefahr. Wann Gottes Wort will sprechen,
Daß Gott erzörnet sey, so macht es auß den Bächen
Ein Pech, das diesem gleicht, verkündigt, daß das Land
In wüstes Schwefel-Feld soll werden umbgewandt,
Und gantz im Feuer stehn. So hat man wargenommen,
Daß niemals diese Glut umbsonst herauff ist kommen,
Sie führet dürre Zeit und Pest und Schlacht mit ihr.
Ich suche den Beweiß der Bücher nicht herfür,
Was vormahls sey geschehn; jetzt aber wer mag fragen
Was diese neue Glut deß Berges uns will sagen?
Der Außgang ist schon da. Das bürgerliche Schwerdt
Hat Teutschlandt durch und durch nunmehr fast auffgezehrt;
Man hat den schönen Rhein gelehrt gefangen fliessen,
Die strenge Donau selbst in neues Joch gerissen,
Die Elbe roth gefärbt, (wer ist, der nicht bereut
Die arme Statt darbey!) dem Ocean gedreut,
Der alten Freyheit Band und Ketten angeleget,
Der Freyheit, welche sich ein wenig kaum noch reget
Und doch umb Hülffe rufft. Ost, West unnd Mitternacht
Hat für und wider uns die Waffen auffebracht
Und uns und ihm gekriegt. Die Götter sind gezogen
Auff ihre Wolcken zu, Gerechtigkeit verflogen,
Die graue Treu verreckt, die Eintracht in der Flucht,
Der Friede sonderlich hat ihm ein Orth gesucht,
Das niemand finden kan. Wo ist die Zeit geblieben,
Die alte güldne Zeit, da keiner ward vertrieben,
Da keiner nicht gewußt vom Worte Mein und Dein,
Da alles sicher stund? Jetzt schantzen wir uns ein,
Ziehn Wall und Mauren für, und wann wir diese haben
So werden wir mit List von andern untergraben
Und unten auff gekriegt. Der grosse Jupiter
Schickt solche Schläge nicht im Wetter zu uns her,
Vesevus wüttet nicht mit solchem wilden Knallen,
Wann seine Feuer-Bach beginnet auff zu wallen,
Wirfft seine Klüfften nie mit solchem Donner auß,
Als wir, wir wildes Volck, deß hohen Himmels Hauß
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Durch Schlangen von Metall unnd Menschen-Plitz erschellen
Und schrecken Land und See. Alecto auß der Höllen
Hat, glaub' ich, selber erst geblasen in die Glut,
Da als der böse Mensch das Ertz in heisse Flut
Gezwungen und den Zeug deß Todtes hat gegossen,
Wordurch ein edler Sinn muß sterben ungenossen,
Muß stürtzen, eh er kan beweisen mit der Hand,
Wie strenge daß er sey für Gott und für das Land.
Zur Zeit als Mann und Mann sind aneinander kommen
Und bloß die Tugend nur das Vortheil hat genommen,
Da hat auch Hertz und Muth den Krantz deß Sieges kriegt;
Jetzt setzt ein kahler Troß, der in dem Vortheil liegt,
Den besten Helden ab; Achilles, der sonst schläget
Mit seinem Namen nur, wird vom Thersit erleget.
Wie daß ihr eine Kunst doch auß dem Sterben macht,
Ihr Leut, und sinnet nur auff Waffen Tag und Nacht,
Schließt Harnisch umb den Leib, tragt Helm unnd Bickelhauben,
Macht Strassen in die Welt durch Mordtbrandt, Blut und Rauben,
Beseet sie mit Schandt und Lastern umb und an,
Verhindert, daß noch Recht noch Satzung reden kan,
Erschöpfft gemeines Gut, schont weder kleiner Wiegen
Noch greiser Köpffe nicht, scharrt, die begraben liegen,
Auß ihrer Ruh herfür und zeiget jederzeit,
Daß ihr zwar Christen heißt, doch mehr als Türckisch seydt?
Wie wird ein freyer Sinn (wo irgend Fug kan werden,
Die Warheit widerumb zu reden hie auff Erden)
Wie wird er Worte doch erfinden auff der Fahrt,
Die grosse Tyranney und die Ciclopen-Art
Mit einer klugen Hand recht an das Liecht zu setzen?
Für was Geschlechte doch wird jene Welt uns schätzen
Die nach uns leben soll? Der Himmel schreyt uns zu,
Steckt Wunderzeichen auß, die Erde hat nicht Ruh,
Wirfft Feuer umb sich her, die Lufft muß Pest gebehren,
Es drohet die Natur; an welches wir uns kehren,
So viel ein harter Felß, der auß dem Meere ragt
Mit scheußlicher Gestalt, nach Wind und Wellen fragt.
Ach, Brüder, sollen wir das Schwerdt je ferrner wetzen,
So laßt uns alles ja auff eine Spitze setzen,
Die nach der Freyheit strebt, die Gottes Sache führt
Und Eygen-Nutzen fleucht. Wo euch Erbarmung rührt
Mit Leuthen, derer Haab und Gut euch offen stehet,
So dencket, daß der Zweck deß Krieges einig gehet
Auff Eintracht und Vertrag; Krieg ist deß Friedens Knecht;
Wer auff was anders sieht, der hasset Ruh und Recht
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Unnd hat kein Glücke nicht. Bedenckt die schönen Städte,
Die Kirchen, hiebevor zwar Stellen der Gebete,
Jetzt wüst und Ställe fast, der werthen Bücher Schar,
Die ihr (o Barbarey!) als eine schlechte Wahr
Zu Staub und Pulver macht und keines wider schreibet,
Das Recht, das jetzund schweigt und ungehöret bleibet,
Weil Mars die Trummel rührt, das Feldt, so öde liegt,
Und Pflug und Eysen darff, mit dem man jetzund kriegt.
O Christe, Gott und Mensch, der du herab bist kommen
Und hast uns in den Bund der Ewigkeit genommen,
Auff, ruste deine Hand, reiß auß das grimme Schwerdt
Dem Volcke, das Gesetz' und Billigkeit verkehrt,
Laß seyn uns, wo wir sind, und wo wir nicht sind, ziehen;
Laß Land unnd Feldt mit Frucht, mit Zucht die Hertzen blühen,
Schick' uns das Himmel-Kind, den theuren Frieden her,
Erlöse dieses Landt von Furchten und Beschwer,
Gib, daß man überall die Freyheit höre melden,
Ja endlich auch, o HERR, schütt auff den frommen Helden,
Dem diese Schrifft gehört, unnd auff sein gantzes Hauß
Versicherung der Ruh und allen Segen auß.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Opitz, Martin. Gedichte. Weltliche Dichtungen. Vesuvius. Vesuvius. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6233-B