Sándor Petöfi
Gedichte
1842-1843
(Versek)

[67] Wahlspruch.

Die Freiheit, die Liebe,
Tun beide mir not:
Mit Lust für die Liebe
Geh' ich in den Tod,
Doch opfr' ich auch sie
Wenn die Freiheit bedroht!

(Votum Petöfianum.) Pest 1845. [67] [69]

In der Heimat.

Du Ebene im goldnen Ährenschmuck,
Wo Délibáb 1 mit holdem Zaubertrug
Uns neckt, wenn heiße Strahlen niederlohn,
Kennst du mich noch? Erkenne deinen Sohn!
Lang ist es her, da ich, ein junges Blut,
Im Schatten deiner Pappeln hier geruht,
Und über meinem Haupt im wilden Flug
Die Luft durchschnitt der Vögel Wanderzug.
Da in mein Vaterhaus zuletzt ich kam,
Und dann, gebrochnen Herzens, Abschied nahm,
Die gute Mutter ihre einz'ge Hab',
Ein segnend Wort, mir zum Geleite gab!
Geboren ward seitdem so manches Jahr,
Und manches starb dahin, das traurig war;
Mein Schicksalswagen führt' mich hin und her,
Die weite Welt durchzog ich kreuz und quer.
Des Lebens Schule ist die fremde Welt,
Es kostet Schweiß, daß man sich da erhält,
Der Weg ist hart und holprig auch dabei,
Er führt uns oft in öde Wüstenei.
Das kenn' ich wie's kein andrer kennt, fürwahr,
Mein Los bot mir den, Wermutbecher dar,
Ich trank ihn leer, – nur Bitternis und Pein,
Gewiß, der Tod kann auch nicht bittrer sein!
Jetzt aber, was an Leid mich überkam,
Und was mein Herz so arg erfüllt mit Gram,
Dies alles spült auf diesem Erdenfleck
Die Träne einer heil'gen Freude weg!
[69]
Hier wiegte Mutter mich, hier ist mein Heim,
Hier saugt' an ihrer Brust ich Honigseim,
Und heiter lächelt hier die Sonne schon
Du schöne Heimat, deinem treuen Sohn!

Fußnoten

1 Fata Morgana.

Zwei Wanderer.

Der Jüngling, hier ein Fremder,
Der Bach, der hier zu Haus,
So wandern zwischen Bergen
Die beiden jetzt hinaus.
Der Jüngling folgt dem Wege
Nur zagen Schrittes nach,
Es gleitet über Felsen
Gar munter hin der Bach.
Der Jüngling schreitet schweigend,
Als wär' er krank und müd,
Der Bach mit hellem Rauschen
Singt sich ein frohes Lied.
Und das Gebirg entschwindet
Den beiden nach und nach –
Nun sind sie in der Ebne,
Der Jüngling und der Bach.
Doch wie? Der Jüngling jubelt?
Des Baches Lied verrauscht?
Es haben eben beide
Die Rollen ausgetauscht!
[70]
Des Baches Wellen fließen
Gar träge jetzt und müd,
Der Jüngling, lustbeflügelt,
Singt sich ein fröhlich Lied!
Der lustig war, der eine,
Hat jetzt nur stillen Gram,
Und lustig ist der andre, –
Ich sag' euch, wie das kam:
Der Bach verlor die Heimat,
Da ward das Herz ihm wund,
Der Jüngling fand die Heimat,
Da ward sein Herz gesund.

Auf der Donau.

Wie oft, du stolzer Strom, verwundet deine Brust
Des Bootes scharfer Kiel, des Sturmes wilde Lust!
Wie ist die Wunde tief, wie tief ist da der Schmerz,
Wie schneidet's da so weh und grausam dir ins Herz!
Und doch, – enteilt das Schiff und schweigt des Sturmes Wut,
Dann ist die Wunde heil, und alles, alles gut.
Fürs Menschenherz jedoch, ward einmal es verwundet,
Gibt's keinen Balsam mehr, durch den es je gesundet!

[71] Seltsame Geschichte.

»Gevatter, nehmt Euch wohl in acht,
Auf Euer Weibchen seid bedacht,
Die Frau ist jung, die Frau ist schön,
Ein Unglück ist gar bald geschehn!«
»Ei, guter Freund, was hör' ich gar?
Das wär' ja traurig, wenn es wahr,
Doch wer da bläst in fremden Brei,
Verbrüht sich leicht den Mund dabei!«
»Ha, über solch verbotnen Schmaus
Ist meine Alte längst hinaus!«
»Salz leckt auch gern die alte Geiß,
Mehr sag' ich nicht, um keinen Preis!«
Der Nachbar oft noch wiederkehrt,
Damit dem Freund er Vorsicht lehrt,
Und stets ermahnt er ihn aufs neu',
Wie jung und schön das Weibchen sei.
Doch plötzlich – was war denn geschehn? –
Ließ sich der Alte nicht mehr sehn,
Bis jener hinzugehn beschloß,
Um zu erfahren, was denn los?
Und unterwegs bereitet er
Sich schon die richt'ge Antwort her
Auf die gewohnte Litanei:
Wie schön und jung sein Weibchen sei.
Doch diesmal – hält der Nachbar fein
Den guten Rat für sich allein,
Er sitzt am Herd voll Traurigkeit,
Ein Wort erklärt sein schweres Leid:
[72]
»Wahr ist, was Ihr, Gott sei's geklagt!
Mir von der alten Geiß gesagt! ...
Just schreit's! ... Dort in der Wiege liegt's!« ...
... Was kann der Alte tun: er wiegt's!

Der Zecher.

Bei dem Sorgenbrecher Wein
Heiter mir das Leben lacht,
Bei dem Sorgenbrecher Wein,
Schicksal, trotz' ich deiner Macht!
Seid doch nicht erstaunt, wenn ich
Sage, daß, als guter Christ,
Doch der Gott des Weines mir
Stets die liebste Zuflucht ist.
Bin ich dieses Gottes voll,
Pfeif' ich auf die ganze Welt,
Der's mit Skorpionenwut
Mich zu quälen nur gefällt.
Denn der Wein hat mich gelehrt
Manche süße Melodein,
Auch vergessen mich gelehrt
Euch, ihr falschen Mägdelein!
Sitz' ich einst beim Weine just,
Wenn der Tod mich abberuft,
Tu' ich einen letzten Schluck, –
Lachend fahr' ich in die Gruft!

[73] Meine erste Rolle.

Schauspieler ward ich. Ich bekam
Die erste Rolle,
Drin stand, daß auf der Bühne ich
Auch lachen solle.
Da lacht' ich denn aus voller Brust –
Ich dachte eben:
Dies Leben wird mir Grund genug
Zum Weinen geben!

In der Wildnis.

Nacht senkt sich auf die tiefe Wildnis,
Und ziellos irr' ich für und für,
Nach rechts und links zweigt sich die Straße,
Wo wird ein treuer Führer mir?
Wohl seh' ich Sterne niederleuchten
Vom Himmelsdome, ohne Zahl,
Doch werd' ich auch mein Ziel erreichen,
Wenn ich vertraue ihrem Strahl?
Mir strahlte einst ein Mädchenauge,
Vor dem der hellste Stern erblich,
Und als ich diesem Strahl vertraute,
Da fand ich nur betrogen mich!

[74] Toast beim Sautanz.

Mäuler und Ohren auf!
Paßt auf, fein still,
Weil ein gewichtig Wort
Ich reden will!
Vernehmt, was jetzt mein Mund
Verkündet euch,
Und auch der Himmel hör'
Es gnadenreich!
Lang spinne sich – lang, wie
Die Würste dort –
An unsrem Lebensrad
Der Faden fort!
Wie wir jetzt schmunzeln nach
Dem Braten hier,
So lächle das Geschick
Uns für und für!
Es überschütte uns
Mit seiner Gnad',
Wie's hier den Brei mit Schmalz
Beflutet hat!
Und hält sein grimmes Mahl
Der Tod zuletzt,
Der, zu verspeisen uns,
Sich niedersetzt:
Dann mög' ein Riesenkloß
Der Himmel sein,
Wir aber seien bloß
Das Füllsel drein!

[75] Hortobágyer Wirtin ...

Hortobágyer 1 Wirtin, süßer Engel mein,
Trinken will ich, bring' doch eine Flasche Wein!
Hei, von Debreczin bis Hortobágy ist's weit,
Und den ganzen Weg her bin ich durstig heut'!
Grimme Melodie ist's, die der Wind sich pfeift,
Und vor Kälte sind die Glieder mir ersteift;
Goldne Wirtin, schau mich nur ein bißchen an,
Daß an deinem Blick ich mich erwärmen kann!
Goldne Wirtin, ei, woher ist dieser Wein?
Nur ein wilder Apfel kann so sauer sein!
Auf der Stelle schenk' mir einen süßen Kuß,
Der den herben Wein mir nun versüßen muß!
Schönes Weibchen ... saurer Wein ... und ... süßer Kuß ...
Ei, wie schwank' ich hin und her ... wie wankt mein Fuß ...
Süße Wirtin, – halte fest mich doch im Arm,
Weil ich sonst zu Boden fall', – daß Gott erbarm'!
O, mein Täubchen ... was ist doch dein Busen weich!
Laß mich nur ein wenig ruhn da, wonnereich!
Hab' die Nacht ein hartes Bett, und wohn' gar weit,
Und gelange nimmermehr nach Hause heut! ...

Fußnoten

1 Hortobágy, lies: Hortobaadj. Bekannte Pußta, auch die große Debrecziner Haide genannt.

[76] Nachtquartier.

Pferdegetrappel, daß es staubt,
Lustig schmettern die Trompeten:
»Hollah, die Husaren sind's,
Nachtquartier wird heut erbeten!«
Und am Platz wird Halt gemacht,
Flinke, schmucke Heldenscharen;
Alt und jung im Dorfe staunt,
Gibt's was Schön'res als Husaren?
Doch, ist auch die Freude groß,
Macht's die Sorge nicht geringer:
Schmuck sind die Husaren wohl,
Doch – sie haben flinke Finger.
»Mädel, gib nur fleißig acht!«
Sagt das Mütterlein beklommen
»Denn, wie leicht kann über Nacht
Hier etwas abhanden kommen! ...«
... Da der Morgen neu erwacht,
Sind auch wach die Kriegersleute.
Und ein flotter Marsch ertönt,
Rasch aufs Pferd, und fort ins Weite!
Und die Kleine folgt bewegt
Ihnen nach mit stummen Blicken,
Tränen stehn ihr im Gesicht,
Leid und Kummer sie bedrücken.
»Mädel, sprich, was hast du denn,
Was ist über dich gekommen?«
»Mütterlein, ein Dieb, ein Dieb
Hat mein Herz mit sich genommen!«

[77] Heiter strömt es nach dem Wald ...

Heiter strömt es nach dem grünen Wald,
Untergehen wird die Sonne bald,
Und schon sieht man ihre letzten Strahlen
Rote Rosen in die Wipfel malen.
Goldnes Leuchten durch die Zweige bricht,
Doch die Menge achtet dessen nicht,
Horch, da girren Tauben just und kosen,
Das ist lustiger, als jene Rosen.
Ach, des Waldes grüne Herrlichkeit,
Seine würz'ge Pracht auch mich erfreut,
Gern seh' ich der Abendsonne Strahlen
Wilde Rosen in das Laubwerk malen.
Girrten nur die Tauben nicht so sehr!
Leiden macht's mich immer gar so schwer:
Seh' ich, wie so glücklich sie gemeinsam,
Muß ich weinen, daß ich gar so einsam!

Die Waldschenke.

Warum nach der Schenk' im Walde
Zieht's, mein Rößlein, immer?
Kehr' doch um, – das arme Liebchen
Finden wir dort nimmer.
Böse Schenke! Deinen Anblick
Kann ich nicht ertragen:
Hast dem Burschen Wein gegeben,
Der mein Lieb erschlagen! ...

[78] Was nützt es, wenn das brache Feld ...

Was nützt es, wenn das brache Feld
Die Furche nur vom Pflug erhält?
Streust du nicht Samen auch hinein,
Wird Unkraut nur die Ernte sein!
Mein Schatz, mit deinem Blick, so mild,
Hast du das Herz mir aufgewühlt,
Ja scharf, wie eines Pfluges Erz,
Fuhr mir's da mitten durch das Herz.
Doch ward mein Herz umsonst gepflügt,
Da doch nur Gram darinnen liegt –
O pflanze deine Liebe drein,
Dann wird es voll von Rosen sein!

Eile, Bächlein, eile!

Eile, Bächlein, eile,
Ohne Rast und Weile,
Daß dir bald im Meere
Ruh' beschieden wäre!
Fließet, fließt, ihr Tränen,
Bis der Tod, mein Sehnen
Kennt, und ich im Grabe
Ruh' gefunden habe!

[79] Volkslieder.

I.

Herbst naht, der Storch verläßt uns bald,
Hier wird's dem Armen ja zu kalt,
Drum fliegt er fort in weite Fern',
Die warme Sonne hat er gern.
Der Storch, der hat für seinen Flug
In ferne Länder Grund genug,
Doch nie, mein Schatz, hab' ich erfaßt,
Warum du mich verlassen hast!
Dir war ich treu, und bin's auch jetzt,
Und war's vom Anfang bis zuletzt,
Mein Herz, das Lenz und Herbst nicht kennt,
Für dich wie nur der Sommer brennt.
Ob's dort, wohin dein Flug dich führt,
Nicht kalt, daß dir das Herz erfriert?
Mein Täubchen, eines sag' ich bloß:
Dir wünscht' ich nimmer solch ein Los!
Dem Storche, wenn er wiederkehrt,
Ist stets ein neuer Lenz beschert,
Doch du, bei deiner Wiederkehr,
Du find'st mich nur im Grabe mehr!

II.

Beim ersten Hahnenruf erwacht
Das Morgenrot aus dunkler Nacht;
Bei Mädchen gilt das auch, und wie!
Beim ersten Wort erröten sie.
[80]
Drum schweig' ich gern. Ihr denkt dabei,
Daß ich dem Hahne ähnlich sei?
Stets hat sich gern der falsche Hahn
In fremden Nestern umgetan.
Der Hahn, der nascht von Fall zu Fall,
Doch ich bin eine Nachtigall:
Ein Nest, das nur ein Lieb enthält,
Für das nur leb' ich in der Welt!

Ich trat hinein zur Küchentür ...

Ich trat hinein zur Küchentür
Und brannte an mein Pfeifchen mir,
Das heißt, ich hätt' es angebrannt,
Hätt' es nicht ohnehin gebrannt.
Mein Pfeifchen, ei das brannte fein,
Ich trat auch nicht deshalb hinein,
Ich trat nur ein, weil ich gesehn
Ein Mädel drin am Herde stehn.
Sie schürt die Glut, legt Holz darauf,
Die Flamme lodert lustig auf,
Doch heller flammt es noch fürwahr
Aus ihrem dunklen Augenpaar!
Ich trat hinein, sie sah mich an,
Da hatte sie mir's angetan:
Mein brennend Pfeiflein ging mir aus,
Ich trug ein brennend Herz nach Haus!

[81] Aus der Ferne.

Am Donaustrand ein Häuschen schlicht und klein,
Mein Teuerstes auf Erden schließt es ein;
Der Rührung Träne aus dem Auge quillt,
Seh' ich im Geiste dieses Häuschens Bild.
Hätt' ich es doch verlassen nimmermehr!
Doch wildes Sehnen jagt uns hin und her,
Mich trieb es auch aus diesem Paradies,
So daß ich's und mein Mütterlein verließ!
Die gute Seele! Wie sie grausam litt
Beim Abschied, da ich aus dem Hause schritt!
Die Glut des Schmerzes griff nach ihr so rauh,
Und nicht zu löschen durch der Tränen Tau!
Ihr zitterndes Umarmen fühl' ich noch,
Noch höre ich ihr Flehen: »Bleibe doch!«
Hätt' ich nur damals schon die Welt gekannt,
Wer weiß, ob diesem Flehn ich widerstand!
Doch Hoffnung zauberte mir armem Tor
Die Zukunft, einen Feengarten, vor, –
Erst in des Lebens wirrem Labyrinth
Gewahren wir, wie schwer genarrt wir sind!
Auch mich verlockt' ein falscher Hoffnungsstrahl,
Nur Leiden fand ich ohne Wahl und Zahl,
Und wo ich durch die Welt zog, früh und spät,
Mit spitzen Dornen war mein Weg besät ...
Ihr Freunde, kommt in meine Heimat Ihr,
Sucht meine Mutter auf und grüßt sie mir!
Am Donaustrand ein Häuschen schlicht und klein,
Liegt's euch am Weg, werft einen Blick hinein!
[82]
Sagt ihr, daß ohne Grund sie um mich weint,
Sagt ihr, daß mir des Glückes Sonne scheint –
Es bricht ihr ja das Herz, wenn sie errät,
Wie's ihrem Sohn, wie mir es elend geht!

Mein Bräutchen.

Gott, ich harre schon der Stunde,
Die ja so begehrenswert,
Da ein Bräutchen ich umarme,
Das mein Schicksal mir beschert.
Gerne wollt' ich jetzt schon wissen,
Wer sie ist, und wie sie ist, –
Ach, wie ich vor Sehnsucht schmachte!
Wenn ich doch es nur schon wüßt'!
Ob brünett, ob's eine Blonde?
Wie ihr Auge, wie der Mund?
Ob sie schlank wie eine Zeder?
Ob sie üppig, ob sie rund?
Die Brünetten, wie die Blonden,
Wenn sie schön sind, sind sie schön –
Wenn sie auch noch gütig wäre,
Würden wir uns leicht verstehn.
Eins, mein Gott, laß mich erbitten:
Herzensgut nur soll sie sein,
Ob sie blond ist, ob sie braun ist,
Ob sie groß ist oder klein!

[83] Todessehnsucht.

Gebt einen Sarg mir und ein Grab
In tiefer, stiller Erde, – gebt!
Wo kein Empfinden, kein Gefühl,
Kein Herz und kein Gedanke lebt!
O du mein Kopf, du meine Brust,
Zwiefacher Fluch, der auf mir ruht!
Wozu mit Flammengeißeln selbst
Sich quälen in ohnmächt'ger Wut?
Warum sehnt dieses stolze Hirn
Gar zu den Sternen sich empor,
Wenn sein Geschick ihm rauh befiehlt:
Kriech' auf der Erde hin, du Tor!?
Und wenn von aller Freud' und Lust,
Von allem, was des Daseins Zier,
Nicht das Geringste mir gewährt,
Wozu ward dieses Leben mir?
Und schlägt ein Herz in meiner Brust,
Das hell im Glück zu jubeln weiß,
Was gönnst Du, Gott der Seligkeit,
Ihm nichts als einen Blick aus Eis? ...
Gebt einen Sarg mir und ein Grab
In tiefer, stiller Erde, – gebt!
Wo kein Empfinden, kein Gefühl,
Kein Herz und kein Gedanke lebt! ...

[84] Geigenklang und Flötenton ...

Geigenklang und Flötenton und Zimbalschlag,
Gibt's noch einen, den da Leid bedrücken mag?
Ei, der bringe alle Trübsal rasch zum Schweigen,
Eh noch wir dazu den rechten Weg ihm zeigen!
Denn der Kummer ist ein bitterböser Gast,
Der uns gleich an unsrem Blut und Leben faßt,
Und der Gram ein Wurm, der nagt an unsrem Herzen,
Wegzuspülen nur mit Wein und auszumerzen!
Wein ist Leben, Wein ist Feuer, wie der Kuß!
Küsse, Mädchen, weil ich Küsse haben muß!
Heiß sind deine Küsse wie der Sonne Glühen,
Das den kahlen Baum des Lebens macht erblühen!
Nur am frischen Zweige sprießen Blätter grün,
Ohne solchen Schmuck werf' auch den Zweig ich hin.
Den entlaubten Stamm, den dürren, blätterarmen,
Fegt der Sturmwind »Tod« von hinnen, ohn' Erbarmen!
»Tod«, ein schweres, dunkles Rätsel! Weder Zeit
Noch der Witz des Menschen wüßte da Bescheid!
Ist mir Segen, Fluch beschieden nach dem Leben?
Gibt's ein Jenseits? Wird's da Wein und Liebe geben?
[85]
Doch, was scher' ich mich so viel um Grabesnacht?
Froh genieß' ich, was das Leben heiter macht!
Und was wäre da, als Wein und Mädchen feiner?
Wein und Mädchen sollen leben! – Spiel', Zigeuner!

Lebend gestorben.

Mein Himmel wird nicht licht
Im Frühlingsmorgenrot,
Und er umwölkt sich nicht,
Wenn rauh der Winter droht.
Gleichwie ein Nebelmeer
Im Herbst das Tal umhüllt,
Ein stumpfer Gleichmut schwer
Mir Herz und Sinn erfüllt.
Mein Leben heißt Verzicht,
Was gilt mir Freund und Feind?
Ich lieb' und hasse nicht,
Wie man's auch mit mir meint!
Wunsch und Begehrlichkeit
Sind tot, mein Herz ist leer,
Ich kenne keine Freud'
Und keinen Kummer mehr!
Ein Wunsch nur blieb mir wach,
(O, würd' er doch erhört!)
Daß bald im Grabgemach
Mir Ruhe sei beschert!

[86] Prophezeiung.

Gott ist's, – so sagtest du mir, Mutter, –
Der nächtlich unsre Träume schmückt,
Damit im Traum, wie durch ein Fenster,
Das Bild der Zukunft man erblickt.
Nun träumte mir. Erkläre, Mutter
Mir, was bedeutet wohl mein Traum?
Mir wuchsen Schwingen, da durchflog ich
Die Luft, – ein Ende nahm es kaum!
»Mein Kind, der Traum bedeutet Gutes,
Ein froh Verheißen schließt er ein:
Er kündet dir ein langes Leben,
Und Glück wird dir beschieden sein!« ...
Der Knabe wuchs heran, und Flammen
Durchglühten bald des Jünglings Brust,
Und drohten die ihn zu verzehren,
Das Lied war Balsam ihm und Lust.
Die Laute schließt er in die Arme,
Die alles, was sein Herz bewegt,
Auf goldnen Flügeln des Gesanges
Hinaus in alle Welten trägt.
Gen Himmel flogen seine Lieder,
Sie holten ihm des Ruhmes Glanz,
Und wanden aus der Sonne Strahlen
Ihm um die Stirn' den Dichterkranz.
Doch ist der Honigseim des Liedes
Ein Gift von tötender Gewalt,
Und jedes Lied, mit einem Tage
Des eignen Lebens wird's bezahlt!
[87]
Zur Höllenglut ward ihm die Flamme
Und als ihr Opfer sank er hin,
Wir sehn am Baume seines Lebens
Das letzte Zweiglein still verblühn! ...
Nun liegt er auf dem Sterbebette.
Bald ist's vorbei! – Die Mutter steht
Vor ihm, mit Tränen in den Augen,
Durchwühlt von Gram; sie klagt und fleht:
»O Tod! Du willst ihn mir entreißen –
Nur ein mal gib dem Mitleid Raum!
Gott selbst verhieß ihm langes Leben,
Und kann denn lügen auch ein Traum?«
»Die Träume, Mutter, lügen nimmer, –
Denn, wenn man jetzt mich auch begräbt,
Dein Sohn zählt niemals zu den Toten,
Weil ruhmbeglänzt sein Name lebt!«

Grabgesang vor meinem Haus ...

Grabgesang vor meinem Haus erklingt,
Wer ist's, den man zur letzten Ruhe bringt?
Wer immer, 's ist kein Erdensklave mehr,
Und zehnmal glücklicher als ich ist er!
Vor meinem Fenster tragen sie ihn fort,
Mein Gott, wie viele Leute weinen dort!
O, warum trägt man mich denn nicht hinaus?
Es weinte niemand sich die Augen aus ...

[88] Wolfsabenteuer.

»Du hast gegessen, Freund, dein Zahn ist blutig,
Und uns macht Hungersqual schier todesmutig!
's ist bitter kalt, das Feld ist öd und traurig,
Und drüber braust die Windsbraut wild und schaurig.
Weit ist kein Mensch zu sehn und auch kein Tier,
Drum sprich, wo ward der Schmaus beschieden dir?«
Die gier'gen Wölfe grüßen solcherweise
Den Freund, der eben heimkehrt von der Reise.
Der Satte aber zögert länger nicht,
Und also er zu den Genossen spricht:
»Dort auf der Pußta steht ein Häuschen klein,
Drin wohnt ein Schäfer und sein Weibchen fein.
Und hinterm Hause liegt ein voller Stall,
Draus hört' ich Schafe blöken, – just mein Fall.
Zu diesem Haus nun schlichen still und sacht
Ein junger Herr und ich in finstrer Nacht.
Ich lechzte nach den fetten Schafen, und
Ihm wässert' nach der Schäferin der Mund.
Lang späht' er da herum, die Lieb' im Sinn,
Ein Schaf erwischt' ich nicht, – da fraß ich ihn!«

[89] Paulstag.

Winter, Winter, harter Winter,
Bitter kalt,
Draußen braust es, draußen wettert's
Daß es knallt!
Mag es brausen, mag es wettern,
Zeit ist's just,
Lassen wir dem guten Winter
Seine Lust!
Uns kann er ja nicht zu Leibe,
Dieser Wicht,
Uns friert in der warmen Stube
Sicher nicht, –
Wo es im gefüllten Ofen
Tüchtig brennt,
Und die Flaschen glucksen, hat die
Not ein End'.
Und dazu von roten Lippen
Kuß auf Kuß,
Solche Glut ist unsereinem
Hochgenuß!
Mag es draußen wettern, hier wird
Froh gezecht,
Und wir pfeifen auf den Winter, –
So ist's recht!

[90] Ich.

Der Garten Gottes ist die Welt,
Und Blumen oder Unkraut seid
Ihr Menschen drin.
Ich aber bin
Ein Saatkorn nur. Vielleicht gedeiht
Dies Körnlein, wenn es Gott gefällt.
Die Tiefe meiner Brust ist rein,
Der Himmel selber goß hinein
Ein Flammenmeer,
Das keusch und hehr
Auf dem Altar der Tugend brennt –
Weil noch das Herz nicht Böses kennt.
Wenn mir das Schicksal Gunst verwehrt,
Ich trage, was es mir beschert,
Wie's just bestimmt,
Es gibt, es nimmt,
Gar oft ist's nicht mit Glück gepaart,
Und wandelbar ist seine Art.
Und wie die Ebne, grad und frei,
Wo ich geboren, – wahr und treu
Ist meine Art
Mir stets gewahrt,
Mein Mund spricht das nur, was ich fühl'
Und aufrecht schreit' ich auf mein Ziel.
Gott hat mir in das Herz gelegt
Den Keim der Liebe. Wurzeln schlägt
Er da, und blüht,
Mein Herz erglüht,
Die Blumen windet es zum Kranz –
Zum Preis und Heil des Vaterlands!

[91] Gleiches mit Gleichem.

Au, mein Rücken, – weh, mein Rücken!
Eben heut
Hat ihn mir der böse Nachbar
Durchgebläut!
Mit dem Knüttel – hätt' ihn dafür
Gott gestraft! –
Hieb er los auf meinen Rücken
Schauderhaft!
Hat der Kerl nicht einen Garten?
Und darin
Bäume, wo die allerschönsten
Birnen blühn?
So verlockend haben die mich
Angesehn,
Kann ein schwacher Mensch, wie ich, da
Widerstehn?
Und ich übersprang die Planke,
Aber – krach,
Lag ich da, als ob mir jede
Rippe brach!
So erwischte mich der Nachbar,
Zum Verdruß!
Alles gab mir der Patron, nur
Keinen Kuß!
Herrgott, hat der Alte mores
Mich gelehrt!
Alle Engel hab' ich singen
Da gehört!
Hiebe gab's, und wieder Hiebe,
Ohne Zahl,
Ach, wie viele, weiß Gott selber
Nicht einmal!
[92]
Und der Mond stand hoch am Himmel,
Und in Ruh'
Schaute anfangs er dem grimmen
Treiben zu;
Endlich hüllt' in Trauerwolken
Er sich ein,
Um des Mitleids stille Träne
Mir zu weihn.
Nur der böse Nachbar fühlte
Nicht so fein,
Immer haut' er, immer ärger
Auf mich ein,
Schrecklich war's, ein rechter Jammer,
Hieb auf Hieb –
Noch ein Glück, daß ich nicht auf dem
Platze blieb!
's ist ja gut! – Und überwunden
Hab' ich's bald,
Doch mit Zinsen wird's dem Nachbar
Heimgezahlt!
Denn ich weiß, wie viel's geschlagen, –
Daß verflucht
Gern und oft auch er verbotne
Früchte sucht!
Wer schleicht sich vor unser Fenster
Abends hin?
Glaubst du, Alter, daß ich gar so
Blöde bin?
Splitter nur in fremden Augen
Siehst du Wicht,
Doch den Balken in den eignen
Siehst du nicht!
[93]
Weil ich ein paar Birnen mause,
Seht doch an!
Und er selber stiehlt, der Brave,
Wo er kann:
Küsse stiehlt er meiner Schwester
Oft mit List,
Wenn die Mutter gläubig just die
Bibel liest.
Dich erwisch' ich einmal vor dem
Fenster schon,
Und dann, wett' ich, kommst du mir nicht
Heil davon!
Gleich hol' ich die Mutter selber
Aus dem Haus, –
Oder gieß' den Wassereimer
Auf dich aus!

Reif zum Schnitt ...

Reif zum Schnitt ist schon die Frucht,
Heiß glüht es hernieder, –
Montags, wenn der Morgen graut,
Geht's zur Ernte wieder!
Reif ist meine Liebe auch,
Und so heiß mein Sinnen, –
Könnt' ich doch zur Schnitterin
Dich, mein Schatz, gewinnen!

[94] Liebessklaverei.

Ich tat wahrhaftig alles,
Was ich ersinnen konnt',
Ich hoffte, daß doch endlich
Mir's ihre Liebe lohnt!
Ich war ein zügelloser
Und wilder Feuerbrand,
Ich flog von Dach zu Dache,
Verheerend was ich fand:
Was ward aus mir? ein Flämmchen,
Bescheiden, zahm und zag,
An dem der Hirte höchstens
Im Herbst sich wärmen mag.
Ich stürzte im Gebirge
Zu Tal als Wasserfall,
Und brach mit lautem Tosen
Der eignen Wogen Schwall:
Und jetzt? Ein trübes Bächlein,
Schleich' ich so stumm dahin,
Zufrieden, seh' am Ufer
Ich ein paar Blümchen blühn!
Ich ragt' als rauher Felsblock
Bis in die Wolken gar,
Wo neben Blitz und Donner
Nur haust der stolze Aar;
Ich ward zum, lausch'gen Haine
Im stillen grünen Tal,
So einsam und alleine
Klagt hier die Nachtigall!
[95]
Ich war ... wie könnt' ich sagen,
Was ich noch alles war?
Ihr Herz jedoch, wie früher,
Blieb jeder Regung bar!
Nein, das ertrag' ich nimmer!
Zu sehr bin ich empört!
Ist denn der Preis so lockend,
Ist er die Opfer wert?
Die Ketten will ich sprengen,
Entwinden mich dem Joch,
Wie süß auch Liebesketten,
Sie bleiben Ketten doch!
Auf meinen alten Schwingen
Flieg' ich empor, befreit:
Ins goldne Reich der Freiheit,
In die Unendlichkeit!

Das geraubte Rosz.

Dem Sandkorn gleich, jagt es
Der Sturmwind fort, –
Fliegt auf dem Roß dahin
Der Bursche dort.
»Woher in solcher Eil',
Gevatter, sprich?«
»Von jener Pußta holt'
Ich was für mich!
Gar munter weidet dort
Just das Gestüt,
Dies braune Füllen da
Nahm ich mir mit!
[96]
Zum Turer Markt 1 ist's ja
Von hier nicht weit,
Das Rößlein bring' ich hin
Zu Markt noch heut!«
»Gevatter, Landsmann, halt!
Ich sage nein!
Gebt mir's nur gleich zurück,
Das Roß ist mein!
Denn mein ist das Gestüt
Auf jenem Fleck,
Und mir habt Ihr geraubt
Dies Füllen weg!«
Der Bursche aber hört
Nicht auf das Wort,
Und weiter auf dem Pferd
Sprengt er sofort.
Dann wendet er sich doch
Noch einmal um:
»O seid mir, bester Herr,
Nicht böse drum!
Verschmerzen könnt Ihr leicht
Dies eine Pferd,
Sind doch so viele ja
Euch noch beschert!
Ich aber nannte nur
Ein Herze mein,
Und das hat mir geraubt
Eu'r Töchterlein!« ...

Fußnoten

1 Berühmter Pferdemarkt in Ungarn.

[97] Im Friedhof.

Die Saiten laß ich oft so hell erklingen,
Das liebe Erdendasein zu besingen,
Das Leben lieb' ich, ob's auch Wunden schlägt,
Und meist uns nur durch öde Wildnis trägt.
Wie hoch indes ich mit dem Sang auch strebe,
Wie reich ihn mit des Frohsinns Glanz durchwebe,
Das End' ist doch, daß freudlos es verklingt,
Daß es, wie alles, in die Grube sinkt.
O, wie erquick' ich mich am Reiz des Maien,
Da Aug' und Herz an Blumen sich erfreuen!
Doch, wenn mein Blick noch auf den Blüten weilt,
Mein Fuß schon hastend hin zum Friedhof eilt!
Im Friedhof, den nur Gram und Leid umsäumen,
Versinken Seel' und Herz in ernstes Träumen,
Hier träumen, scheint mir, die Akazien auch,
Geschaukelt von des Abendwindes Hauch.
Wie heil'ge Zeichen Gottes mir erscheinen
Die Lettern auf den Kreuzlein und den Steinen,
Sie halten mich in seinem hehren Bann,
Sie führen mich auf Gräbern himmelan!
Dumpf-traurig aus dem Dorf das Glöcklein läutet, –
Auch dort wird jetzt ein frisches Grab bereitet,
Voll Andacht trägt den Toten man hinaus,
Senkt ihn zur Ruh' in der Verwesung Haus.
Schon ahnt mein Herz – kaum wird die Ahnung trügen –,
Bald werd' auch ich im Grabe unten liegen,
Bald bettet man auch mir zur ew'gen Ruh',
Schließt ew'ger Traum auch mir die Augen zu.
[98]
Nun denn, mit Gott! Mag mir die Stunde schlagen,
Die meine Laufbahn schließt, ich will nicht klagen,
Zerreißen mag, was mich ans Dasein hält,
Ein Abschiedskuß, dann lebe wohl, du Welt!
Und was das Schicksal grausam mir verwehrte,
Obgleich es meine Sehnsucht heiß begehrte:
Fahr' hin, o Ruhm, des Daseins Licht und Zier,
Du Himmelsblume »Liebe«, Gott mit dir!

Die Liebe, an Gefahren reich.

Die Liebe, an Gefahren reich,
Ist einer finstern Grube gleich:
Wer da hineinfällt, – weg ist er,
Er sieht nicht mehr und hört nicht mehr.
Des Vaters Herde hüt' ich heut,
Doch acht' ich nicht auf ihr Geläut',
Und daß sie in die Saaten geht,
Das merk' ich, armer Narr, zu spät.
Wie sorglich packte Mütterlein
Mir allerhand zum Essen ein –
Ich hab's verloren, weiß nicht wie,
Doch auch den Hunger spür' ich nie.
O Vater, Mutter, seid belehrt:
Ich mach' ja alles ganz verkehrt,
O, laßt mich lieber ganz in Ruh' –
Weiß ich doch nimmer, was ich tu'!

[99] Das letzte Almosen.

Der Dichter und des Schicksals Zorn,
Von einer Mutter stammen beide, –
Die Zwillingsbrüder blieben treu
Beisammen stets, im Kampf und Leide.
Auch damals grünt' wie jetzt der Baum,
Gab seinen Schatten mild zum Besten,
Dem Dichter nützt' er auch, der brach
Den Bettelstab sich von den Ästen.
Der Bettelstab, des Schicksals Zorn,
Das waren seine einz'gen Lieben;
Wenn alles treulos ihn verließ,
Die beiden sind ihm treu geblieben!
Und seine Leier? Und sein Lied?
Der Dichter hat ja eine Leier?
Lang ist es her, daß sie erklang,
Im hohen Schwung, im heil'gen Feuer.
Einst griff in ihre Saiten er,
Und sieh, es schweigt des Donners Dröhnen,
Und es verstummt des Sturmes Wut
Und lauscht den tiefbewegten Tönen.
Der Himmel, wetterwolkenschwarz,
Er hört des Dichters süße Lieder,
Vergißt den Grimm, und lächelt mild
Auf ihn mit seinen Sternen nieder ...
Und als der Dichter hungrig ward,
Da ging er zu den Menschensöhnen;
Mit seinem Lied ihr steinern Herz
Zu rühren, war sein eitles Wähnen.
[100]
Und dieses Lied, das stark genug,
Des Donners Stimme zu bezwingen,
Und das des Himmels Zorn verscheucht,
Er ließ es noch einmal erklingen:
Doch was ein Sturm, ein Gott verstand,
Den Menschen war's zu schlecht gesungen,
Und damals war aus Gram und Scham
Die Leier ihm entzwei gesprungen.
Mit seiner Leier war's vorbei,
Doch war ihr Tod ein Tod mit Würde.
Wie es dem Dichter dann erging?
Er trug des Lebens schwere Bürde.
Bis er nach langen Jahren einst
Vor einem neu'n Geschlecht erschienen,
Gefurchter Stirne, bleichen Haars,
Und schweren Kummer in den Mienen.
»O ein, zwei Groschen, nehmt dafür
Den besten Segen, den ich habe!«
Wie dürre Äste streckt er hin
Die Hände, flehend nach der Gabe.
»Wer bist du, Mensch des Jammers, sprich?«
So hört er rings die Menge fragen,
»Den Gottes Zorn so fürchterlich
Mit seiner schweren Hand geschlagen?«
Er nennt den Namen, fleht aufs neu':
»Nur ein, zwei Groschen!« Und die Leute:
»Gepriesen sei der Augenblick,
Da dein Erscheinen uns erfreute!
Dein Name strahlt wie Sternenpracht,
Dich preist entzückt dein stolz Jahrhundert,
Und deine Lieder, einst verkannt,
Sind unser Stolz jetzt, und bewundert!
[101]
O komm', weg mit der Bettlertracht,
In Seid' und Samt sollst du dich kleiden,
Mit Lorbeer sei dein Haupt umkränzt,
Und nie mehr sollst du Hunger leiden!«
»O schöne Red'! O vielen Dank!
Doch ist der Hunger mir vergangen,
Und gegen Samt die Bettlertracht
Zu tauschen, trag' ich kein Verlangen!
Wie stolz in diesem Lorbeerkranz
Würd' eines Jünglings Stirn erglühen!
Auf meinem alten Haupt jedoch
Wird nie mehr dieser Kranz erblühen!
O schenkt nur ein, zwei Groschen mir,
Daß Gott euch's tausendfach vergelte!
Der Tischler wartet auf das Geld,
Bei dem ich mir den Sarg bestellte!« ...

Vorwurf.

Herz, mein Herz, das hätt' ich doch
Nie von dir gedacht!
Du, mein braver Kamerad.
Was hast du gemacht?
Herz, mein Herz, was bist du falsch,
Und wie undankbar!
Sprich, wer hat dich denn beschützt,
Wenn du in Gefahr?
Sprich, wenn dich das Schicksal peitscht,
Daß du bluten mußt,
Wer nimmt dich in Schutz und Hut,
Wenn nicht meine Brust?
[102]
Nun, da sich das Blatt gewandt,
Plötzlich, über Nacht,
Und mit gnadenreichem Blick
Dir Fortuna lacht:
Nun bestürmst du undankbar,
(Weißt du, was du tust?)
Ungestüm die eigne Wehr',
Tobst du in der Brust!
Und du glühst und treibst und jagst,
Wie mir's deuten, wie?
Bald versengst du mir die Brust,
Bald zersprengst du sie!

Kernfluch.

Da fahre des Blitzes Flamme drein,
Mir brennt der Zorn durch Mark und Bein,
Es tobt in mir so wild und jäh,
Als wäre ich der Plattensee!
Mein Leben ist Verdruß und Schmerz,
Und tausend Leiden allerwärts,
Und wäre ich ein Mädel blaß,
Ich weinte ein paar Tücher naß!
Doch ist das Weinen nicht mein Brot,
Flenne sich wer will die Augen rot, –
Mit einem Fluch, so kraus als graus,
Fluch' ich mir meinen Zorn heraus!

[103] Am Kreuzweg steh' ich ...

Am Kreuzweg steh' ich hier,
Wie geh' ich wohl am besten?
Die Straße führt gen Ost,
Und jene führt gen Westen.
Wohin ich immer geh',
Was wär' auch dran gelegen?
Ist doch voll Traurigkeit
Mein Leben allerwegen.
O warum weiß ich nicht,
Wo meiner harrt das Ende?
Und wie den graden Weg
Dahin ich früher fände?

Keiner Blume kann man wehren ...

Keiner Blume kann man wehren, daß sie blüht,
Wenn einher der wunderreiche Frühling zieht!
Nun – die Liebe ist der Frühling; Lenz und Mai
Ist das Mädchen; blüht es, – blühen alle zwei!
Da ich dich erblickt, du Schönste, die es gibt,
War in deine schöne Seel' ich gleich verliebt,
Diese Seele, die in stiller, milder Pracht
Aus dem Zauberspiegel deiner Augen lacht!
Und die bange Frage in mein Herze schlich:
Liebst du einen andern, oder liebst du mich?
Ein Gedanke jagt den nächsten allemal,
Wie im Herbst die Wolke jagt den Sonnenstrahl.
[104]
Wüßte ich, daß deine Rosenwange zart,
Daß dein Purpurmündchen eines andern harrt,
Ach, dann wär' mein Leben eitel Qual und Pein,
Lieber wollt' ich auf der Stell' begraben sein.
Leuchte mir, du Stern, der mich mit Glück erfüllt,
Daß mein Leben nicht des Kummers Nacht umhüllt;
Süße Perle, schenke deine Liebe mir,
Segnen möge tausendmal dich Gott dafür!

Nimmer geh' ich weg ...

Und nimmer geh' ich weg von hier,
Wie hart das Schicksal auch zu mir,
Und wenn's auch noch viel ärger wär',
Ich bleib', ich gehe nimmermehr!
Der Platz ist mir so lieb und schön!
Und geht der Lenz, so mag er gehn,
Und gehn die Sonne, die Sterne weg,
Ich bleib', ich bleib' auf diesem Fleck!
Die Wurzel gibt dem Baume Kraft,
Doch sie bleibt in des Bodens Haft;
Und meine Seele wurzelt hier,
Wo Liebchen ward geboren mir!
Drum geh' ich nimmer weg von hier,
Wie hart das Schicksal auch zu mir,
Und wenn's auch noch viel ärger wär',
Ich bleib', ich gehe nimmermehr!

[105] Wasser und Wein.

Unerschrocken taucht der Fischer
In die Meeresflut,
Wo auf tiefem, feuchtem Grunde
Still die Perle ruht.
Gerne hab' ich volle Krüge
Und vom Wein ein Meer,
Sind in meinen Liedern Perlen,
Holt' ich da sie her.
Da die Welt von Sünd' umnachtet,
Kam die Sintflut wild,
Und die Nacht ward von den Wassern
Jäh hinweggespült!
Auch mein Herz ist oft umnachtet,
Doch von Gram und Pein,
Machtlos aber ist das Wasser,
Mir hilft nur der Wein!
Müde in der Sommerhitze
Steht das Blümelein,
Doch ihm flößt ein milder Regen
Neues Leben ein:
Wenn verzagt ich und ermüdet,
Macht der Wein mich frei,
Und nach einem feinen Tropfen
Glüht's in mir aufs neu'.
Ob Verstellung, ob Betrübnis,
Was es immer ist,
Alter Brauch, daß um die Toten
Tränen man vergießt;
Ich verbitte mir das Wasser:
Wenn es Tränen gilt,
Mögen sie dem Kelch entströmen,
Der mit Wein gefüllt!

[106] Das Holz zu meiner Flöte ...

Das Holz zu meiner Flöte gab
Die Trauerweide mir,
Die steht an einem frischen Grab,
Drum tönt es bang aus ihr.
In dieses Grab sankst du, mein Stern,
Und strahlst mir nimmermehr,
So dunkel ist's um mich herum,
Mein Leben zählt nicht mehr!
Wenn abends heim die Herde zieht,
Wall' ich zu diesem Grab,
Die Flöte seufzt ihr Klagelied,
Der Mond schaut bleich herab ...
So lange zehrt der Gram an mir,
Bis meine Seele, müd,
Sich mit der Flöte Ton vereint,
Und in das Jenseits zieht!

Glatt ist der Schnee ...

Glatt ist der Schnee, der Schlitten fliegt,
Zur Straße, wo die Kirche liegt,
Getraut wird dort mein Liebchen hold,
Nur – weil es andre so gewollt.
Der Schnee wollt' ich jetzt selber sein,
Ich bräche unterm Schlitten ein,
Damit sie fällt, und ich behend
Sie einmal noch umarmen könnt'!
[107]
Und auf die Lippen preßt' ich dann
Ihr einen Kuß, so heiß ich kann,
An ihrem warmen Herzen treu
Zerschmölz' ich, – alles wär' vorbei!

Rundgesang.

Ohne Freud' ist schal das Leben,
Die kann nur der Wein uns geben;
Darum leeren wir im raschen
Zuge zwanzig, dreißig Flaschen.
Haben wir auch Haus und Keller,
In der Schenke schmeckt es heller,
Darum bleiben beim Getränke
Tag und nachts wir in der Schenke.
Hier ist's, wo wir uns erlaben,
Weil daheim wir Weiber haben.
Scharfe Zungen sind sie alle,
Ei, da gibt's nur Gift und Galle!
Und was wir Erspartes haben,
Muß man's ängstlich denn vergraben?
Ohne Geld wird's auch nicht schlimmer,
Bis zum Tode lebt man immer!
Darum wacker fortgetrunken
Bis wir in das Grab gesunken!
Immer Wein und nie Gezänke,
Trinken muß man in der Schenke!
[108]

Notizen
Erstdruck der hier ausgewählten Gedichte in: Versek 1842–1844, Pest 1844. Hier nach der Übers. v. Ignaz Schnitzer.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Petöfi, Sándor. Gedichte 1842-1843. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6C95-C