XXV.

Ich kann nicht schweigen, und doch wird mir bange,
Die Zunge streb' entgegen meinem Wollen,
Das Ehre möchte zollen
Gern seiner Herrinn, die es hört von oben.
Wie kann ich, was aus Gottes Hand gequollen,
So lang' ich nicht von Amor Lehr' empfange,
Mit ird'scher Worte Klange,
Und das, was hohe Demuth hüllte, loben?
Dem schönen Kerker, dem sie nun enthoben,
War kurz die edle Seel' erst übergeben
Zur Zeit, als ich zuerst sie wurde innen;
Da eilt' ich schnell von hinnen,
(Es war der Lenz im Jahr und meinem Leben)
Auf jenen Wiesen Blumen rings zu pflücken,
Im Schmuck so zu gefallen ihren Blicken.
Albaster war die Mauer, Gold die Zinne,
Eburn die Thür, Saphir die Fenster, wannen
Die ersten Seufzer rannen
In's Herz und rinnen wird der letzte schwere.
Gerüstet zogen Amors Bothen dannen
[92]
Mit Pfeil' und Gluthen; drum erbeb' ich inne,
Führ' ich sie mir zu Sinne
Lorbeerbekränzt, als ob es jetzt noch wäre.
Inmitten ragte lichten Thrones Hehre,
Von schönem Demant fest, viereckt getrieben,
Wo schöne Herrinn saß einsamer Weile,
Vor ihr krystallne Säule,
Und jeglicher Gedanke drein geschrieben,
Durchleuchtend außen in so hellen Strahlen.
Deß froh ich ward und seufzte oftemahlen.
Gelangt zu lichter Waffen glühem Brande,
Zu grünendem Panier, dem siegesreichen,
Vor dem im Kampfe weichen
Zeus, Phöbus, Polyphem und Mavors müssen,
Wo ewig jung und frisch die Klagen steigen,
Ertrug, mir selbst zu helfen nicht im Stande,
Gehorsam ich die Bande,
Woraus zu fliehn, kein Weg mir hilft, kein Wissen.
Doch wie schon Mancher unter Thränengüssen,
Was Aug' und Herz ihm reizte, wahrgenommen,
So Jen', um derentwillen ich im Kerker,
Stehend auf einem Erker,
Die einzig war zu ihrer Zeit vollkommen,
Begann ich so verlangend anzusehen,
Daß ich mich selbst vergaß und meine Wehen.
Ich war allhier, mein Herz in Edens Lichte,
Vergessend süß all' anderer Beschwerden,
Und Marmor fühlt' ich werden
Mein Wesen vor Bewunderung und Grauen,
Als rasch ein Weib, mit muthigen Geberden,
An Jahren alt, jugendlich vom Gesichte,
[93]
Sehend, wie starr ich richte
Mein Auge unverwandt nach Stirn und Brauen,
Mir zurief: »Mir, mir wolle dich vertrauen,
Der mehr, als du vermuthest, Kraft ertheilet,
Die Leid und Freud' in einem Nu ich gebe,
Leichter als Wind hinschwebe,
Und lenk' und leite, was auf Erden weilet:
Sieh nur in jene Sonne, gleich dem Aare;
Das Ohr jedoch für meinen Spruch bewahre!«
»Am Tag', der sie gebar, standen die Sterne,
Die segensreich sich unter euch erweisen,
In hocherwählten Kreisen,
Einer dem andern liebend zugewendet;
Venus und Jupiter mit Glückverheißen
Hielten in königlicher, schöner Ferne;
Die feindlich bösen Sterne
Waren vom Himmel rings wie weggesendet.
Nie hat die Sonne schönern Tag gespendet,
So Luft als Erde jauchzten, und die Fluthen
In Meer und Strömen waren friedlich stille.
In all' der Lichter Fülle
Wollt' mir ein fernes Wölkchen nicht gemuthen,
Das, fürcht' ich, einst in Thränen sich verzehret,
Wenn Mitleid nicht den Himmel noch bekehret.«
»Als ein sie trat in dieses niedre Leben,
Das wahrlich werth nicht war, sie zu empfahen,
Staunten all', die sie sahen,
Wie sie, noch zart, so fromm, so voll des Süßen;
Ein Perlein weiß, von lautrem Gold umfahen,
Kriechend und schwanken Schrittes schon ließ Reben
Sie grünen, Stein' umweben
[94]
Mit frischer Klarheit, Wasser leuchten; Wiesen
Gab Glanz und Stolz mit Händchen sie und Füßen;
Mit Blumen rings die Flur ihr Auge schönte;
Ruhe geboth sie Wind' und Stürmen allen
Mit ungefügem Lallen
Der Zunge, die sich kaum der Milch entwöhnte,
Deutlich der tauben, blinden Welt zu zeigen,
Welch Himmelslicht ihr sey so früh schon eigen.«
»An Jahren so als Tugend vorgedrungen,
Ging drittem, blüh'ndem Alter sie entgegen;
Schönheit und huldreich Pflegen
Gleich herrlich sah die Sonne wohl niemahlen;
Die Augen voll von sittig frohem Regen,
Von Süß' und Lust ein jeglich Wort durchdrungen.
Und stumm sind alle Zungen,
Was dir allein von ihr bekannt, zu mahlen.
So glänzt ihr Antlitz wie von Himmelsstrahlen,
Daß euer Blick nicht kann auf ihm verziehen,
Und von dem Erdenkerker, schön und theuer,
Loht drin dir solches Feuer,
Daß Keiner je erfuhr ein süß'res Glühen.
Aber ich glaub', ihr plötzliches Entschweben
Wird dir der Grund einst seyn von bitterm Leben.« –
Sie sprach's und drehte sich auf schnellem Rade.
Auf dem sie spinnt an unserem Gewebe,
Wahre Prophetinn nahender Gefahren.
Denn ach! nach wenig Jahren
Nahm sie, um die zum Tod' ich hungrig strebe,
Mir, o Canzon', ein unbarmherzig Sterben,
Das schönern Leib nicht wußte zu erwerben.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 25. [Ich kann nicht schweigen, und doch wird mir bange]. 25. [Ich kann nicht schweigen, und doch wird mir bange]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-7013-4