[9] Die Zufriedenheit

Göttliche Zufriedenheit,
Braut des Weisen,
Nur ein Sohn der goldnen Zeit
Darf dich preisen.
Aber flehn darf ich zu dir:
Hilf das Thal der Leiden mir
Still durchreisen.
Nur nach dir, du höchstes Gut,
Geht mein Streben;
Schenke du dem Dulder Muth
Auszuleben.
Selbst dem Kelch des Marterthums
Kannst du des Elysiums
Vorschmack geben.
Was nur Kinder vom Geschick
Heiß begehren;
Was Geburt und Gunst und Glück
Uns gewähren;
Was ihm nicht zur Weisheit nützt,
Lernt ein Herz, das dich besitzt,
Leicht entbehren.
[10]
Gern läßt es die Schichten Geld
Harpagonen;
Gern läßt es dem stolzen Held
Seine Kronen.
Unter einem Hirtenkleid
Wohnet mehr Zufriedenheit
Als auf Thronen.
Wank ich gleich an meines Kahns
Morschem Steuer;
Eingehüllt in Oßians
Augenschleyer;
Dennoch bleibt mein Frohsinn mir;
Den, o Göttin, dank ich dir
Und der Leyer.
Wenn ich, trautes Himmelskind,
Dich nur habe;
Dienest du durchs Labyrinth
Mir zum Stabe;
So beklag ich nie mein Loos,
Und ich finde deinen Schoos
Auch im Grabe.

Notes
Entstanden 1755.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Die Zufriedenheit. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-711E-6