[92] Der Prinz und sein Hofmeister

Im kühlen Park saß Prinz Porphyr
Mit seinem Mentor einst nach Tische
Und gähnte recht nach Standsgebühr;
Als aus dem duftenden Gebüsche
Das Lied der Nachtigall erscholl.
Itzt wacht er auf. Entzückungsvoll
Beschleichet er die dunkeln Hecken,
Um hinterrücks das arme Thier
Zu haschen und es einzustecken.
Es ist sultanische Manier
Mit andrer Freyheit so zu spassen,
Doch dießmal mußte sich Porphyr
Den Appetit vergehen lassen.
Sein erster Schritt verrieth ihn schon
Und der geschreckte Vogel machte
Mit schnellen Schwingen sich davon.
Die Hoheit stampft und wandert sachte
Dem Mentor zu. Der Mentor lachte;
Beschämt fragt ihn der Königssohn,
Der wohl des Tags auch einmal dachte:
Wie kömmts', daß man in unserm Schloß
Nicht eine Philomele findet;
[93]
Indeß ein ungeheurer Troß
Von Spatzen uns die Ohren schindet?
Mein Prinz! dieß ist der Höfe Lauf,
Versetzt der Mann; wie Fliegenschwärme
Drängt sich das Heer der Thoren auf:
Doch das Verdienst lebt fern vom Lärme,
Verscheucht und gleichsam auf der Flucht,
Nur der entdeckt es, der es sucht.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Dritter Theil. Zweytes Buch. Der Prinz und sein Hofmeister. Der Prinz und sein Hofmeister. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-7226-C