[8] Der Hänfling

An Sophie von La Roche.


Ein Hänfling, den mit hoher Hand
Ein kleiner gnäd'ger Herr, der nichts von Gnade wußte,
An eine Landgaleere band,
Wo er sein Futter ziehn, sein Wasser schöpfen mußte,
Sang einst sein Morgenlied im heitern Sonnenschein,
Und spielte sorgenfrey mit seiner Kette.
Da rief aus ihrem Wochenbette
Ihm eine Schwalbe zu: mir wär es Höllenpein
Mit Ketten so beschwert zu seyn;
Du spielst damit und scheinst sie nicht zu fühlen.
O, glaube mir, erwiedert er,
Die Kunst sie loszudrehn, ist lange nicht so schwer
Als die – damit zu spielen.
O Freundin, diese Kunst besitzest du.
Mit einem Heldenmuth, den keine Furcht bewegte,
Sahst du schon oft der Hand des Schicksals zu,
Die sich auf deinen Nacken legte
Und streicheltest die ehrne Hand.
[9]
O du, Sophiens Vaterland, Germania! wie oft benetzten deine Schönen
Ein Denkmal ihrer Kunst, ein großes Bild, mit Thränen,
Zu dem ihr Geist in sich das Urbild fand.
Wann wirst du deine Lehrerin belohnen?
Sie, der so manchen Kranz Apollo wand?
Wann? ... Doch du hast für Töchter keine Kronen,
Die gab nur Rom und Griechenland.

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TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Zweyter Theil. Erstes Buch. Der Hänfling. Der Hänfling. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-732E-3