9.

Wann des Gottes letzter, milder
Schimmer sich vom See verlor,
Steigen mir Gedächtnisbilder
Aus der Welle Nacht empor:
Malen mir des Kahnes Schwanken
Den gefurchten Pfad entlang,
Als die Morgenlüfte tranken
Zauberischen Liederklang.
Malen mir, von Berges Kuppe
Schweifend, den ergötzten Sinn,
Und die ländlichschöne Gruppe
Um den Herd der Sennerin.
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Malen mir die Felsgehege,
Wo die Alpenrose hangt,
Welche nicht durch Menschenpflege
In des Tales Gärten prangt.
Nächtlich fühl ich jetzt ein Bangen,
Wann der See gehoben wallt;
Jene Tage sind vergangen,
Jene Stimmen sind verhallt.
Frostige Nebel steigen, welche
Berg und Kuppe trüb umziehn,
Und die roten Alpenkelche
Werden mit dem Sommer fliehn.
Bald, verjagt von Sturm und Flocken,
Zieht die Hirtin froh ins Tal,
Und es tönt der Hall der Glocken
Von der Höh zum letzten Mal.

Notes
Entstanden 1817, Erstdruck 1822.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Platen, August von. 9. [Wann des Gottes letzter, milder]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-74F7-6