Die Antiken

1820.


Laßt uns ledig, und öffnet sogleich Rüstkammer und Wandschrank!
Nicht am dumpfigen Ort in Gewölben zu wohnen geziemt uns:
Denkt doch, was wir und wo wir gewesen, und schenket uns Mitleid!
Dies uralte Gefäß war einst der ägyptischen Gärten
Zier, und Kleopatra selbst ließ füllen mit Myrtengezweig es;
Dieser geschnittene Stein, ein doppelgeschichteter Onyx,
Zierte des jungen Antinous Hand, als köstlichen Ringschmuck
Trug ihn der schöne, doch ach! zu frühe vergötterte Jüngling;
Ich, als Hermes, stand in der Halle des Cäsar Augustus,
Wo mich ein Lorbeergewächs mit südlichem Duft anhauchte.
Und nun habt ihr uns hier aneinandergehäuft und geordnet,
Eines das andre verdrängend, und dies durch jenes verdunkelt,
Keins am schicklichen Ort, in belebendem Schimmer der Sonne.
Selbst das gelehrte Gesicht des begaffenden Kenners ermüdend,
Liegen geschichtet wir hier, Gleich traurigen Knochen im Beinhaus,
Und in empfänglicher Brust aufregen wir schmerzliche Sehnsucht
Nach den Tagen, in denen wir fast wie Lebendige prangten.
Zieht nicht Rosen auch ihr, frischblühende Flechte zu winden
Um den etrurischen Krug und die Scheitel der Büste von Marmor?
Habt nicht Tempel auch ihr, nicht schattige Gartenarkaden,
Daß ihr uns dorthin pflanzt, in die Nähe des ewigen Himmels,
Jedem Beschauer zur Lust, uns selbst zur süßen Gewohnheit?

Notes
Entstanden 1820, Erstdruck 1822.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Platen, August von. Die Antiken. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-76C8-B